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Junmyeon ließ das Buch sinken, als ein Schatten über ihn fiel.

„Du hast dir Yixings Buch gekauft?"

„Ich war neugierig."

Baekhyun setzte sich neben ihn auf die Bank, den Oberkörper ihm zugewandt. Er trug eine Baseballmütze über seinem schwarzen Haar, schwarze Jeans und eine knallrote Regenjacke, die er nicht zugezogen hatte.

„Und? Was denkst du?"

Junmyeon betrachtete den Einband. Das Cover war vollkommen weiß. Nur der Titel war in schwarzer Blockschrift aufgedruckt und darunter war eine klitzekleine Feder zu sehen, die nur wenige Nuancen dunkler war als der weiße Einband.

„Es ist interessant. Ich mochte die Geschichte mit dem Marienkäfer."

Baekhyun grinste. „Ich auch."

Junmyeon sah wieder auf das Buch hinunter. „Ich hätte nicht gedacht, dass Yixing solche Dinge schreibt. Ich meine, nicht das ich ihn sehr gut kennengelernt habe, aber es ist anders, als ich es mir vorgestellt habe."

„Yixing schreibt auch andere Dinge, irgendetwas über Engel und andere komische Wesen? Ich denke, er nannte sie Dunkle Auren? Keine Ahnung. Manchmal denke ich, er hat den Verstand verloren." Er schüttelte den Kopf. „Es gibt so vieles worüber er schreibt. Was hältst du von diesem hier?"

„Es ist gut und interessant, aber es ist auch so...düster. Ich bekomme Weltschmerz, während ich es lese."

„Sind das nicht alle großen Poeten? Düster?"

Die Sonne strahlte heute intensiver auf sie hinunter, vielleicht weil der Himmel wolkenfrei war, aber der kühle Wind erinnerte Junmyeon daran, dass sie schon wieder Herbst hatten. In wenigen Wochen würden die Blätter sich färben und wieder zu Boden segeln. So wie damals, als er und Baekhyun in den Wald gegangen waren und buntes Laub fotografiert hatten...damals hatte er ihm zum ersten Mal von dem ‚richtigen Moment' seiner Fotografien erzählt. „Sprichst du aus Erfahrung?"

„Als Fotograf sehe ich mich in gewisser Hinsicht auch als eine Art Künstler an."

„Tatsächlich?"

Baekhyun nickte sehr ernst. „Absolut! Ist Kunst nicht bloß Nachahmung der Realität? Genauso wie schreiben, malen oder fotografieren?" Seine Augen funkelten. „Es ist alles dasselbe nur eben mehr oder weniger erfolgreich."

„Du bist also ein Künstler?", fragte Junmyeon belustigt.

„Ganz recht! Und du bist es auch!"

Junmyeon konnte nicht mehr folgen. „Ach?"

„Deine Puppenhäuser", sagte er und grinste fies. „Das ist doch auch eine Art von Kunst."

Junmyeon seufzte schwer. „Ich hätte dir nicht davon erzählen dürfen. Du hast sie nicht einmal gesehen! Du kannst nicht beurteilen..."

„Stimmt", unterbrach Baekhyun. „Das erinnert mich: Du solltest sie mir bei Gelegenheit zeigen." Er stand von der Bank auf und sah erwartungsvoll auf Junmyeon hinunter. „Ich habe dich nicht wirklich hierher bestellt, um über Kunst zu sprechen", sagte er. Er deutete mit dem Kopf zur Seite. „Dort drüben ist eine Eisdiele, die neu eröffnet hat und niemand anderes wollte mich begleiten."

Junmyeon erinnerte sich an die Fotoausstellung in Busan und wie Baekhyun ihn nur dazu genötigt hatte, mit ihm zu kommen, weil er, zum einen, einen Fahrer brauchte und zum anderen wahrscheinlich aus reiner Langweile, weil niemand sonst ihn begleiten wollte. „Du bist so charmant wie eh und je", entkam es Junmyeon.

Der richtige MomentOnde histórias criam vida. Descubra agora