18. Wenn du etwas liebst, dann lass es gehn, oder es wird an deinem Grabe stehn

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18. Wenn du etwas liebst, dann lass es geh'n, oder es wird an deinem Grabe steh'n

Lukes Stimme holte mich schließlich aus meinem dumpfen Halbschlaf. »Jas?«, murmelte er und klang dabei selbst, als schliefe er jede Sekunde wieder ein. »Jas, wir sind da.«

»Wo?« Statt aufzustehen, hielt ich die Augen fest geschlossen und schmiegte mich an seine Brust. Ich hatte nicht einmal bemerkt, wie er sich aufgesetzt hatte.

Luke seufzte leise. In einer hauchzarten Berührung strich er mir über die Wange. »Ich weiß nicht. In Sicherheit, hoffe ich. Lass uns nachsehen gehen.«

Ich wollte nicht nachsehen gehen. Ich wollte schlafen, bis die Welt wieder in Ordnung war und jemand anderes meine Probleme für mich geregelt hatte. Doch als Luke mir immer wieder in die Wange piekste, sah ich schließlich ein, dass ich sicher bis zu meinem Tod warten könnte, wenn ich wollte, dass mein Leben so perfekt wie im Fernsehen war.

Mich blendete grelles Licht, als ich die Augen aufschlug, sodass ich sie sogleich wieder schloss. »Gott. Wo sind wir? Auf der Sonne?«

»Das weiß ich ja eben nicht. Steh schon auf.« Ungeduldig zog Luke an meiner Hand.

Als ich bemerkte, dass sämtliche Teammitglieder mehr oder minder geduldig vor dem Quinjet warteten, entschied ich mich tatsächlich, mich ein wenig zu beeilen. Sie schienen niemanden mehr allein zurücklassen zu wollen.

Clint, der Natascha stützen musste, ging voraus, während Jarek, Luke und ich das Schlusslicht bildeten.

In Jareks Augen flammte ein seltsamer Schmerz auf, als er dem Haus entgegen blickte, das sich inmitten der Natur befand. Grüner Rasen umgab uns, eingerahmt nur durch einen alten Holzzaun, der wohl schon seit Jahren um seinem Platz in dem Gras kämpfte. Hinter dem blass gelben Holzhaus begrüßte uns ein Wald, der so absurd grün und lebendig war, dass es mir lediglich wieder den Staub der Stadt und die Toten ins Gedächtnis rief.

»An so einem Ort bin ich aufgewachsen«, murmelte Jarek mehr zu sich selbst, als sei er sich seiner eigenen Erinnerung nicht mehr sicher.

»Wie schön für dich.« Luke schien nicht in der Stimmung, ein Gespräch zu beginnen.

Ehe es zu einem Schlagaustausch zwischen den Beiden kommen konnte, murmelte ich halbherzig: »Halt die Klappe, Engelbert.«

Erstaunlicherweise tat Luke tatsächlich einmal das, worum ich ihn bat. Vielleicht fürchtete er auch nur, in einem weiteren Satz könnte ich seine anderen grässlichen Namen offenbaren. Was ich, nach dem, was er heute durchmachen musste, niemals getan hätte.

»Wo sind wir hier?«, fragte Thor schließlich, als wir die Veranda des Hauses betraten. Den Weg hierher hatten wir allesamt schweigend zurückgelegt, doch Neugier und Verwirrung siegten, nun, da wir an der Tür angelangt waren.

»In nem Safe-Haus«, gab Tony Clints Worte wieder.

Es sah wirklich aus wie ein sicheres Haus. Nie zuvor hatte ich mich so geborgen an einem Ort gefühlt – irgendwie wusste ich, dass uns hier niemand würde finden können, hätte er nicht Sextant und Kompass dabei.

»Hoffen wir's«, murmelte Clint düster und stieß die Tür mit einem leisen Quietschen auf. Ich wusste nicht, ob er einfach einen Schlüssel besaß oder aber die Tür schlicht nicht abgeschlossen gewesen war. Ich hoffte auf Ersteres, da ich mein Gefühl der Geborgenheit wohl sonst noch einmal überdenken müsste.

»Schatz?«, rief Clint in die warmgestrichenen und gemütlich eingerichteten Räume hinein. Sofort schoss mein Blick fragend zu Tony, doch der sah ebenso unwissend wie ich drein. »Ich bin zu Hause.«

Jasmin Strange - Wir lassen Gras darüber wachsenWhere stories live. Discover now