24. Wir gründen eine Müllkippe für Altmetall

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24. Wir gründen eine Müllkippe für Altmetall

Dass die Erde bebte, war ganz und gar nicht gut. Eigentlich war so ziemlich nichts mehr gut.

Pflastersteinen rissen auf, Gebäude fielen in sich zusammen. Bäume stürzten um, Bäche versiegten. Die Stadt erzitterte, Steine ächzten, Metall kreischte – und dann, ganz langsam, aber viel zu schnell, waren die Gebäude neben uns mit einem Mal unter uns.

Ich spürte nur noch Panik und heilloses Entsetzen. Menschen schrien und wollten auf die andere Seite springen, aber viele von ihnen stürzten ins Nichts. Hätte auch die Angst nicht meine Glieder gelähmt, die Furcht mich nicht erstarren lassen – ich hätte sie nicht retten können. Sie fielen zu schnell und zu tief und ich war plötzlich allein zwischen mörderischen Robotern und schreienden Bewohnern der Stadt.

»Wir müssen ihnen helfen!« Jarek fand sich plötzlich neben mir; er hob die Hand und die Trümmer flogen langsamer und mit deutlich längerem Weg in Richtung der schreienden Menschen. »Jasmin, sie werden es nicht schaffen, wenn wir nicht sofort eingreifen und versuchen, so vielen wie möglich die Flucht zu ermöglichen.«

Ich nickte und riss mich aus meiner Erstarrung. Versuchte nicht an die Menschen zu denken, die es bereits nicht geschafft hatten. Ich hob die Hände, um die Straßen zusammenzuhalten, versuchte es zumindest, aber es war, als würde ich einen Asteroiden mit bloßen Händen aufhalten wollen.

Meine Muskeln zitterten. Der Schweiß zog Bahnen auf mein verstaubtes Gesicht. Ich machte weiter.

Am anderen Ende der Straße leitete Luke die kopflosen Menschen in Richtung weniger intakter Gebäude und wies sie an, sich zu verstecken - im Keller, unter Tischen, unter Betten. Keine Ahnung, ob das irgendetwas bringen würde, aber sobald sie ein Ziel vor Augen hatten, funktionierten viele der Menschen gleich besser.

Es war nicht von Dauer, dieses Versteckspiel, das wusste ich. Aber ich musste daran glauben, dass wir bald einen Plan haben würden. Im Moment bestand mein Plan noch darin, Mütter und Kinder und Väter zu mir zu rufen und vorsichtig vom Rand der Welt, so schien es mir, schweben zu lassen. Der Wind jaulte in meinen Ohren, mein Kopf schmerzte von der Konzentration, die es benötigte, die Straßen und Gebäude mehr oder minder zusammenzuhalten und die Menschen auf den Grund zurückzubringen. Ich konnte nicht vielen helfen. Einem Dutzend vielleicht, und dieses Dutzend rannte wie von Sinnen los, fort, sobald sie den festen Boden unter ihren Füßen spürten.

Am anderen Ende der Stadt fielen Menschen vom Himmel und der Song „Let The Bodies Hit The Floor” bekam eine grässlich neue Bedeutung für mich.

Es war schon chaotisch, kaum ertragbar, als die Stadt in den Himmel flog. Schlimmer wurde es, als die zusätzlich Probleme stiftenden Roboter Ultrons das Wort erhoben: »Seht ihr es? Das Schöne daran. Die Unvermeidbarkeit. Ihr steigt nur auf, um zu fallen. Ihr, Avengers, ihr seid mein Meteorit, mein todbringendes Schwert, und die Erde wird unter dem Gewicht eures Scheiterns bersten. Eliminiert mich aus euren Computern, hetzt die meinen gegen mich; das alles bedeutet nichts. Wenn sich der Staub legt, wird das einzige, was auf dieser Welt noch lebt, Metall sein.«

Er kennt die Voraussetzungen wohl nicht, um als Lebewesen zu gelten, dachte ich wirr. Ich ballte meine Hand zur Faust, um das Metall des sprechenden Roboters zu zerquetschen, aber nur zwei neue schwebten über seine Überreste. Die Frau, die ich zu Boden fliegen ließ, sackte einige Meter ab, und ich musste schnell meine Konzentration wieder auf sie lenken. Die Risse in den Straßen vertieften sich.

Hier war es nicht sicher. Aber wo war es sicher? Es gab nur noch Schmerz und fallende Trümmer.

»Wir müssen die Leute weiter vom Abgrund fortbringen!«, brüllte ich Luke und Jarek über den Wind hinweg zu. »Sie sind zu nah. Wenn noch etwas von der Stadt abbricht, könnten sie fallen.«

Jasmin Strange - Wir lassen Gras darüber wachsenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt