20. Der Abend geht (erstaunlicherweise) noch weiter den Bach hinunter

152 9 5
                                    

20. Der Abend geht (erstaunlicherweise) noch weiter den Bach herunter

Wie man sich vielleicht denken konnte, fiel das Abendessen nach dem ganzen Drama nicht sonderlich friedlich aus. Das kam sicherlich nicht sonderlich überraschend – immerhin hatte ich meinen besten Freund gerade in der Friendzone abgeladen und meinem beinahe völlig fremden Bruder aus dem Nichts unsere Verwandtschaft offenbart.

Nicht, dass ich nicht gehofft hätte, ich wäre nicht die Einzige, die tun wollte, als wäre das alles nie geschehen. Aber Hoffnungen sind wohl da, um zerstört zu werden, ging man von dieser passiven Aggressivität aus, die mir die beiden Jungen entgegen brachten.

Alle anderen hatten sich quer im Wohnzimmer verteilt, doch natürlich hatten Jarek, Luke und ich uns an den gleichen Tisch setzen müssen. Die Jungen saßen am einen Stirnende, ich am anderen – und das nur, um mich beide gleichzeitig in Grund und Boden zu starren.

Als ich Luke fragte, ob er mir einmal das Salz reichen könnte, sagte er bissig: »Ich weiß nicht, diese Nähe könnte dir ja nicht gut tun.« Und reichte es stattdessen an Jarek weiter, obwohl der es wohl nur aus reinem Prinzip wollte.

Noch schlimmer wurde die ganze Sache dadurch, dass Nick Fury (der aus irgendeinem Grund von Steve aus der Garage mitgebracht worden war – ich wollte gar nicht wissen, was die da zu suchen hatten) mit uns im Raum stand und neben seinen Avengers auch uns drei Streithähne gründlich deduzierte. Er hatte zwar nur ein Auge, aber ich schwöre es: Dieses Auge kann in deine Seele blicken.

Hingegen Natascha, die neben mir saß, starrte ins Leere, und brachte kaum ein Lächeln zustande, als Clints Tochter ihr ein Bild brachte.

»Ultron hat mit Ihnen seine Spielchen gespielt, um Zeit zu gewinnen. Meine Kontakte sagen, dass er etwas bauen will«, verkündete Fury und ließ mich damit von meiner (ungesalzenen) Mahlzeit aufsehen. »Die Menge an Vibranium, mit der er entkommen ist, hat sicher etwas damit zu tun.«

Super, dachte ich, schon Caps Schild gegen die Birne zu bekommen ist schmerzhaft und jetzt will der superböse Roboter etwas bauen? Das wird ja wohl kaum eine Umarmungsmaschine sein. Eher etwas, das das Leben der armen kleinen Jasmin noch mehr ruinieren wird.

»Was ist mit Ultron selbst?«, fragte Steve. Er lehnte an der Wand, die Arme verschränkt, seinen stets besorgten Welpenblick im Gesicht. Es war ironisch, Clints Lächeln zu sehen, als er mit Laura seine Kinder einsammelte, um sie ins Bett zu bringen, während Cap dreinschaute wie nach sieben Tage Regenwetter und einem Tadel seines Hundetrainers. (Tut mir leid – aber er hatte wirklich die Gesichtszüge eines Welpen! Wie hielten seine Feinde es nur aus, ihn zu sehen und nicht gleich knuddeln zu wollen?)

»Ultron finden wir leicht, er ist überall«, sagte Fury in seiner üblichen, ganz überhaupt nicht beruhigenden Art. »Er kann sich schneller als ein katholisches Kanickel vermehren.«

Ich verschluckte mich beinahe, weil ich einen solch trockenen Humor nicht gerade vom ehemaligen Leiter S.H.I.E.L.D.s erwartet hatte, von der derzeitigen Situation einmal abgesehen.

Als ich husten musste, sah Jarek mich an, als hätte ich gerade direkt in sein Gesicht gespuckt, und Luke, als könnte er mich von meinem Leiden erlösen, ihm wären aber die Hände gebunden. (Jarek verzog das Gesicht und Luke hob abschätzend eine Augenbraue, um es weniger kompliziert auszudrücken.)

»Aber damit wissen wir noch immer nicht, was er eigentlich vorhat«, fügte Fury noch an.

»Sucht er immer noch Abschusscodes?«, erkundigte sich Tony, der sich im Gegensatz zu den anderen Trahntüten, welche sinnlos im Raum herumstanden, zumindest eine Beschäftigung gesucht hatte. Er hatte eine Dartscheibe entdeckt.

Jasmin Strange - Wir lassen Gras darüber wachsenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt