27. Schlaf ist immer eine Option

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27. Schlaf ist immer eine Option

Ich zögerte nicht eine Sekunde lang.

Wir fielen dem Boden so schnell entgegen, dass ich wusste: Es würde in weniger als einer Minute enden. Auf die eine oder andere Weise.

Die Klinkermauer hob ab und ich konnte mein Glück kaum fassen, da wurde Luke auf einmal ebenso mitgerissen. Ich löste mich vom Boden, der mich ganz von selbst geerdet hatte, meine Instinkte, nicht wegfliegen zu wollen, ignorierend, und schoss ihm hinterher.

Lukes Körper schlug im Flug hin und her. Vielleicht schrie er, vielleicht war er ganz still, ich sah nur, dass seine Beine beide blutüberströmt waren und er noch immer fiel, obwohl es für einen Moment nach fliegen aussehen mochte.

Ich bekam seine Hand zu fassen, als Blitze durch die Stadt zuckten. Fast hätte uns einer auseinandergerissen, aber statt auszuweichen, zog ich Luke zu mir, schlang meine Arme fest, ganz fest, um ihn und ließ uns in Richtung des Himmels schießen. Ich beabsichtigte nicht, ihn jemals wieder loszulassen.

Unter uns zerbarst Sokovia unter Thors gewaltigen Blitzen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er es alleine schaffte, vermutlich setzte Tony gerade seinen Plan in die Tat um. Ich hatte nicht den leisesten Schimmer.

Ich wusste nur, dass die Stadt aus Trümmern zu Splittern wurde.

Ich schloss die Augen und presste mein Gesicht in Lukes Halsbeuge.

Weil ich die Augen geschlossen hielt, wären wir fast geradewegs gegen einen Helicarrier geflogen. Ich war zu erschöpft, um mich zu erschrecken, daher wich ich nur aus und dirigierte uns stattdessen auf die oben befindlichen Landeflächen. Dort brachen Luke und ich zusammen und standen nicht wieder auf. (Auch, wenn ich nicht glaube, dass Luke zuvor gestanden hatte. Seine Beine baumelten herunter wie die einer Stoffpuppe.)

Obwohl ich kaum mehr bei Bewusstsein war, klammerte ich mich noch immer an seine Hand. Sein Griff war schrecklich schwach. Meiner umso fester.

Ich würde ihn nicht verlieren. Jetzt nicht mehr. Jetzt würde alles in Ordnung kommen.

»Wir brauchen einen Sanitäter!«, brüllte jemand wie aus weiter Ferne. Ich schloss meine Augen wieder. Jetzt würde alles in Ordnung kommen. »Sofort! Hierher, bei den Landeflächen!«

Ich erinnere mich kaum daran, was in den nächsten Tagen geschah. Ab und an driftete ich aus dem Schlaf und dann begegneten meinem Blick stets die gleichen weißen Wände.

Als ich das erste Mal aufwachte, fand sich der Captain im Krankenzimmer. Er lächelte mir zu. »Wie geht es dir?«

Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Dann durchzuckten mich stechende Schmerzen und ich schob meine Krankenhauskluft ein wenig hoch; an meiner rechten Seite fand sich ein gigantisches Pflaster. Ich hob es vorsichtig an, ignorierte dabei den aufblitzenden Schmerz und entdeckte eine lange gezackte Naht. Ich erinnerte mich an eine Glasscherbe, aber nicht mehr recht an das Geschehen, das sie mir in den Bauch gerammt hatte.

»Du hattest Glück«, sagte Steve. Er stand von seinem Stuhl neben der Tür auf und schlenderte durch den Raum zu einem Fenster. Draußen ging die Sonne unter oder auf, aber das kalte Krankenhauslicht spiegelte sich so in den Scheiben, dass ich dahinter nichts erkennen konnte. »Ich bin froh, dass es dir gutgeht, Jas. Das sind wir alle. Wir haben uns schreckliche Sorgen gemacht.«

Ich schluckte trocken. Ich wagte nicht, nachzufragen, was geschehen war. Vielleicht wäre es mir sofort wieder eingefallen, hätte ich mich nicht so vehement gegen meine Erinnerungen gewehrt.

Steve atmete tief durch und drehte sich wieder zu mir um. Er schob die Hände in die Taschen. »Es ist das pure Chaos. Sokovia ist zerstört. Pietro tot. Der Hulk und mit ihm Banner verschwunden.« Er musterte mich einen Moment lang, lächelte dann. »Du solltest noch ein wenig schlafen. Dich hätte es beinahe auch erwischt, Jas.«

Jasmin Strange - Wir lassen Gras darüber wachsenWhere stories live. Discover now