-Kennst du mich noch?-

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Alec umarmte mich kurz, dann stieg ich aus und lief zu meinem Haus. Was für eine Nacht.
Meine Eltern waren nicht zu Hause, weshalb ich auch wegbleiben konnte, denn eigentlich war morgen Schule. Die Lust darauf fehlte mir komplett.
Warum war das Wochenende nur immer so schnell vorüber?

Vorsichtig öffnete ich die Tür, denn mein Bruder war ganz bestimmt zu Hause. Ich schlich durch den Flur und plötzlich ging das Licht an.

„Wo kommst du bitte her junge Dame?", imitierte Shawn unseren Vater.
„Ach Bruderherz, ich hab dich so lieb!", schleimte ich und schlang die Arme um seinen Hals. Um noch eins draufzulegen, drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange.

„Schleimerin! Aber von mir aus halte ich den Mund." Er schien plötzlich verlegen. "Wenn du auch schweigst."
"Was hast du getan?", fragte ich auf alles gefasst.

"Ich..." Er räusperte sich kurz. "... habe mit ein paar Freunden gekokst." Shawn grinste mich schief an, während meine Kinnlade auf den Boden klappte.

"Sag, dass das ein schlechter Witz ist!" Zu meinem Pech schaute er nur auf den Boden.

Mit schnellen Schritten lief ich in sein Zimmer nach oben und entdeckte auf seinem Nachttisch tatsächlich weißes Pulver.
Bitte bitte bitte lass es Salz sein!
Nein, es war definitiv kein Salz.

Shawn stand hinter mir in der Tür.
"Wenn du schon sowas machst, dann räum wenigstens die Beweise weg!", fuhr ich ihn an. Irgendwie machte mich das Ganze wütend.
"Du bist sehr sauer oder?", wollte er wissen.

"Du baust täglich so viel Scheiße, hast heimlich die Uni geschmissen und rauchst zwei Schachteln am Tag, sodass man es riecht, wenn du nach Hause kommst. Nein, kein bisschen sauer!" Beim letzten Teil wurde meine Stimme schrill vor Ironie.

"Versprich mir, dass du es nie wieder tust!", forderte ich. "Versprich es!", schrie ich als er nicht antwortete.
"Kann ich nicht.", sagte er und schaute mich direkt an.

"Was?", rief ich fassungslos. "Shawn ich mache mir Sorgen um dich."
„Ich habe es dir erzählt, weil ich dachte du verstehst mich, aber anscheinend nicht." Sein Blick war nach wie vor ausdruckslos.

„Du hast mir gar nichts zu sagen.", fuhr er mich an.
Ich war unfähig mich zu bewegen und er schob mich aus seinem Zimmer. Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss.

Ist er schon auf Entzug?
Am liebsten hätte ich mich selbst geschlagen.
Kein Moment für Witze!, ermahnte mich das Engelchen.

Mich belastete es die ganze Nacht, bis ich es eine Stunde vor dem Aufstehen nicht mehr ertrug.
Eilig schlich ich hinüber zu Shawn's Zimmer und schlüpfte hinein.
Vorsichtig legte ich mich neben ihn und schlug die Decke über meinen Körper.

Plötzlich bewegte er sich und meine Gliedmaßen versteiften sich automatisch, bis ich merkte, dass er sich nur drehte.
Aber ich hielt den Atem erneut an, als er seinen Arm um mich schlang.

Nach einigen Sekunden atmete ich wieder und kuschelte mich an ihn. Vielleicht war ich jünger als er, aber ich würde ihn beschützen, egal, was passierte.

*
Ich hatte mich noch nie so ausgelaugt gefühlt, wie an diesem Morgen, als ich aus Shawn's Auto stieg und zur Schule lief.

Als er bemerkt hatte, dass ich neben ihm lag, hatte er gelacht, aber wir hatten beide nichts gesagt. Unsere Blicken waren Worte genug. Ich hatte ihm vermittelt, ich wolle auf ihn aufpassen und er meinte, er wisse meine Fürsorge zu schätzen. Wir waren uns schon immer nah gewesen, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, das hatte uns noch mehr zusammengeschweißt.
Genau, immer alles positiv sehen!

Dark RaceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt