Kapitel 37

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Nach der Schule ließ ich mir für den Heimweg extra viel Zeit. Ich wollte nicht wirklich über all das mit meiner Mutter sprechen, aber ich wusste, dass wohl kein Weg daran vorbei führen würde.
Ich holte einmal tief Luft und sammelte meinen ganzen Mut zusammen, bevor ich die Haustür öffnete. Drinnen war es vollkommen still. Misstrauisch stellte ich mein Zeug ab und lief durch das Haus. Hatte meine Mutter mich jetzt etwa auch schon wieder alleine gelassen?
In der Küche und im Wohnzimmer war sie nicht, weshalb ich mich auf den Weg in das obere Geschoss machte, als ich leises Schluchzen aus dem Bad hörte.
Unsicher näherte ich mich und klopfte zaghaft an der Tür. „Ist alles okay bei dir?"
Die Geräusche verstummten sofort. „Klar, Schatz mir geht es gut. Ich putze nur gerade das Waschbecken.", antwortete mir ihre immer noch etwas wackelige Stimme.
Ich seufzte kopfschüttelnd und öffnete die Tür. Doch der Anblick, der mich dahinter erwartete, brachte mich vollkommen aus dem Konzept.
Meine Mutter saß auf dem nackten Badezimmerboden, um sie herum Unmengen an benutzen Taschentüchern, und in ihrer Hand eine halbleere Weinflasche. Fassungslos musterte ich ihre zerzausten, dunkelbraunen Haare und ihr sonst so perfekt sitzendes, jetzt zerlaufenes Make-up, während sie mich aus rot geschwollen Augen erschrocken anstarrte.
„D-du solltest mich nicht so sehen. Es-es tut mir leid.", stotterte sie und ich löste mich aus meiner Starre.
„Es ist okay.", murmelte ich benommen und half ihr hoch, um sie zur Couch zu bringen. Anschließend ging ich in die Küche und kochte ihr einen Tee, bevor ich mich zu ihr ins Wohnzimmer setzte.
Ich wartete, bis sie einen Schluck getrunken hatte und in der Lage war, meine Fragen zu beantworten.
„Was zur Hölle ist denn passiert?", fiel ich taktlos mit der Tür ins Haus und sie senkte beschämt ihren Blick.
„Du solltest mich nicht so sehen."
Ich rückte ein Stückchen näher an sie heran und drückte ihre Hand. „Es ist okay.", wiederholte ich mit einem aufmunternden Lächeln.
Auch wenn sie nicht immer die perfekte Mutter war, war es eine Qual für mich, sie so fertig zu sehen. Deshalb wollte ich ihr gerade einfach nur zeigen, dass ich für sie da war und ihr zuhörte.
Einen Moment lang war es still, bevor sie sich auf einmal aufrechter hinsetzte und sich kurz sammelte. „Ich könnte es einfach nicht ertragen."
Fragend sah ich sie an und forderte sie so stumm dazu auf fortzufahren.
Sie seufzte. „Ich weiß, dass ich als Mutter nicht gerade den besten Job mache, und ich wünsche mir im Nachhinein auch, dass ich nochmal von vorne anfangen könnte, um alles besser zu machen.", erklärte sie traurig. „Als wir auf dieser Reise waren und erfahren haben, dass du im Krankenhaus liegst, wollte ich natürlich sofort zu dir, aber dein Vater meinte es wäre schön nicht so schlimm. Irgendwann konnte ich ihn dann dazu überreden, zumindest kurz vorbeizuschauen, aber dann kam dieser wichtige Anruf und er hat den Rückflug gecancelt. Ich war sauer und konnte nicht fassen, dass er dich für seinen Job vernachlässigt.
Doch dann ist mir aufgefallen, dass das schon die ganze Zeit so läuft und ich auch nichts anderes getan habe."
Ich schnaubte belustigt. „Das fällt dir aber früh auf."
Natürlich wusste ich, dass mein Vater so gehandelt hatte, aber es dann noch einmal bestätigt zu bekommen, wie egal ich ihm war, war wie ein Schlag ins Gesicht.
„Ich weiß, Jimin, ich weiß. Und du kannst dir nicht vorstellen wie leid mir das tut." In ihren Augen hatten sich schon wieder Tränen gebildet. Doch ich war gerade zu sehr damit beschäftigt, mich wieder zu beruhigen, sodass ich nur stumm da saß und wartete, dass sie fortfuhr.
„Als mir das so bewusst geworden ist, habe ich direkt meine Sachen gepackt und wollte wieder nach Hause fliegen. Doch dein Vater hatte andere Pläne. Er meinte ich müsste dort bleiben, bis die Reise vorbei war, denn es war wichtig, mich als perfekte Ehefrau vorzuführen, wenn schon der Sohn nicht anwesend war. Ich wollte nicht, aber dann hat er gesagt, dass wenn ich nicht bei ihm bleibe, er mich..." Sie schluchzte laut auf. „... er mich sonst verlassen würde."
Es wunderte mich nicht wirklich, dass er sie vor so eine Wahl gestellt hatte, doch es wunderte mich, dass meine Mutter dennoch bei ihm geblieben ist.
Ich umarmte sie und wartete bis ihre Tränen kurzzeitig versiegt waren, bevor ich die Frage stellte, deren Antwort ich schon seit langer Zeit erfahren wollte.
„Aber warum bleibst du trotz allem, was er dir und was er mir angetan hat, an seiner Seite?"
Sie schaute mir in die Augen und setzte ein trauriges Lächeln auf. „Weil ich ihn liebe.", sagte sie als ob das nun alles erklären würde.
Verständnislos sah ich sie an und sie seufzte erneut. „Liebe lässt Menschen verrückte Dinge tun, Jimin."

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Ich musste für meine deutsch gfs einen Text für einen Schreibwettbewerb schreiben und konnte deswegen hier nichts uploaden. Aber jetzt bin ich endlich fertig und kann weiter auf das Buch konzentrieren :)
(Übrigens schon fast 7k omg danke❤️)
~L

𝔹𝕖𝕘𝕚𝕟 ♡ 𝚢𝚘𝚘𝚗𝚖𝚒𝚗Where stories live. Discover now