Kapitel 45

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Ich staunte nicht schlecht, als mein Vater nicht die einzige Person war, die unser Wohnzimmer betrat.
„Guckt mal, wem ich unterwegs begegnet bin.", rief er erfreut und sichtlich stolz auf sich, während ich innerlich aufstöhnte.
„Ich dachte, deine Freundin kann uns doch bestimmt beim Abendessen Gesellschaft leisten.", zwinkerte er mir zu und schob Leya in meine Richtung.
Ich lächelte gequält und warf ihr einen bösen Blick zu, als sie neben mir stand. „Warum bist du hier?", zischte ich leise. Wohl wissend das mein Vater in der Nähe war, schlang sie ihre Arme um meinen Hals. „Was meinst du, Schatz?", fragte sie gespielt ahnungslos und klimperte mit ihren Wimpern.
Ich musste einen Würgereiz und den Drang sie von mir wegzustoßen unterdrücken.
Hilfe suchend sah ich mich nach meiner Mutter um. Doch auch sie zuckte nur ahnungslos mit den Schultern. Sie wusste also genauso wenig wie ich und konnte mir nicht helfen.
Unsanft befreite ich mich aus der Umarmung und zog Leya am Handgelenk die Treppe hoch in mein Zimmer. Energisch schloss ich die Tür und drückte sie gegen die Wand. „Was willst du von mir?", fragte ich wütend.
Patzig verschränkte sie die Arme vor ihrer Brust. „Ich helfe dir."
„Ach ja?" Ich lachte trocken. „Mich erst zu betrügen, dann unsere Trennung nicht zu akzeptieren und dich dann trotz allem in mein Leben einzumischen, nennst du ‚mir helfen'?"
Sie seufzte mitleidig und legte ihre Hände sanft auf meine Schultern. Es fühlte sich verdammt falsch an. „Mensch Jimin, die Sache vor unserer Trennung tut mir wirklich leid, aber du musst verstehen! Ich bin das Beste, was dir passieren konnte."
Fassungslos stieß ich sie fort und ging einen Schritt zurück. „Bitte was?!"
Sie verdrehte die Augen. „Denk doch mal nach!"
Doch ich konnte sie nur angewidert anstarren. Wie konnte ich so jemanden lieben?
Ungeduldig trat sie wieder näher an mich heran und schaute mir tief in die Augen. „Glaubst du denn dein Vater würde eine Beziehung mit einem Jungen akzeptieren?", fragte sie leise mit eindringlicher Stimme.
Da wurde mir bewusst, worauf sie hinaus wollte. „Drohst du mir gerade wirklich, meinem Vater von Yoongi zu erzählen, wenn ich mich weigere, wieder mit dir eine Beziehung zu führen?"
Der wütende Unterton in meiner Stimme ließ sie zurückweichen. Enttäuscht schüttelte sie den Kopf. „Ich dachte, du bist schlau genug, das zu verstehen. Ich will dich nicht dazu zwingen müssen. Aber irgendwann wirst du erkennen, dass du für mich bestimmt bist. Dass er schlecht für dich ist. Dass er schlussendlich dein Leben ruinieren wird."
Ich musste mich krampfhaft zurückhalten, sie nicht anzuschreien.
„Geh.", sagte ich mit gefährlich ruhiger Stimme. „Verschwinde!"
Seufzend warf sie mir einen letzten Blick zu, bevor sie ohne ein weiteres Wort mein Zimmer verließ. Wenige Augenblicke später hörte ich die Haustür ins Schloss fallen.
Ich ahnte, dass das Ganze noch nicht vorbei war. So schnell würde sie nicht aufgeben. Sie war unglaublich stur und wenn etwas nicht nach ihrem Willen lief, konnte sie einem das Leben zur Hölle machen.

Ich überlegte lange, ob ich meinem Vater von unserer Trennung und meiner neuen Beziehung erzählen sollte. Ich wusste, er würde nicht begeistert sein, aber es würde Leya ihr einziges Druckmittel nehmen. Mein Vater würde wahrscheinlich ausflippen, denn so war ich nicht mehr sein Vorzeige-Sohn, aber ich hoffte auf die Unterstützung meiner Mutter. Und wenn nicht... dann konnte mir das auch egal sein. Sie waren ein Großteil meines Lebens nicht für mich da gewesen, da würde ich sie jetzt auch nicht mehr brauchen. Aber ich liebte Yoongi und ich war mir sicher, dass mich nichts und niemand davon abhalten könnte.

Also nahm ich all meinen Mut zusammen und ging in die Küche, wo meine Eltern bereits am Esstisch warteten.
„Was ist denn mit Leya?", fragte mein Vater mit Sorge in der Stimme. Ich musste ein ironisches Lachen unterdrücken. Schön, dass er sich Sorgen um ‚seine Schwiegertochter' machte, aber wenn sein eigener Sohn im Krankenhaus lag, war ihm das vollkommen egal.
Ein Anflug von Wut beflügelte mich und bekräftigte mich in meiner Entscheidung. Sollte er mich doch enterben, ich war ihm eh egal.
Ich holte noch einmal tief Luft. „Wir...", setzte ich an, doch bemerkte dann den flehenden Blick meiner Mutter. Es war ein Blick, der meine Entschlossenheit ins Wanken brachte. Der mir zeigte, wie wichtig ihr der heutige Abend war. Wie wichtig es für sie war, diesen Abend als Familie zu verbringen. Und das ohne irgendwelche Diskussionen oder einen großen Streit.
Ich seufzte. Dann würde ich es ihm ein anderes Mal sagen müssen. Ich betete, dass Leya es nicht vor mir tun würde.
„Ihre Mutter hat ihr geschrieben, dass sie nach Hause kommen soll. Die müssen noch irgendetwas Wichtiges klären.", log ich schließlich und setzte mich an meinen Platz.
„Schade.", bemerkte mein Vater und wendete sich wieder meiner Mutter zu.
Ihr ungehaltenes, fröhliches Lachen, als er ihr von einem neuen tollpatschigen Kollegen erzählte, verwarf mein schlechtes Gewissen und die unzähligen Gedanken in meinem Kopf waren wie weggeblasen, so dass ich mich einfach freute, heute Zeit mit meinen Eltern zu verbringen.

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Das Ende rückt langsam immer näher, ich schätze, dass es dann insgesamt mit ca 50 Kapitel fertig wird.
Wie gefällt euch das Buch im Moment?
~L

𝔹𝕖𝕘𝕚𝕟 ♡ 𝚢𝚘𝚘𝚗𝚖𝚒𝚗Where stories live. Discover now