Kapitel 40

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Nach einigen Metern verlangsamte Yoongi seinen energischen Schritt und sah mich an. „Wo wollen wir eigentlich hingehen?"
Ich zuckte mit dem Schultern. „Vielleicht können wir uns einfach gemütlich in ein Café setzen?", schlug ich vor.
Er nickte einverstanden und wir stiegen in den Bus Richtung Altstadt. Wir saßen nebeneinander in einem Vierer, uns gegenüber eine alte Dame, die uns misstrauisch musterte.
Als Yoongi sich in einer Kurve näher zu mir lehnte, rümpfte sie angewidert die Nase.
Und obwohl wir nichts Falsches taten, war es mir plötzlich unangenehm neben meinem Freund zu sitzen, weil ich wusste, dass es immer noch Menschen wie diese Frau gab, die uns nicht akzeptieren wollten.
Um mich abzulenken sah ich auf mein Handy und bekam genau in diesem Moment eine E-Mail von unserem Mathelehrer.
Auch wenn ich froh war, dass es wenigstens einen Lehrer an unserer Schule gab, der etwas von moderner Kommunikation verstand und wusste, wie man E-Mails verschickte, nervte es mich, denn ich bekam wegen nahezu allen halbwegs wichtigen Themen eine von ihm. Anstatt uns zum Beispiel die Hausaufgaben einfach an die Tafel zu schreiben, bestand er jedes mal darauf, sie uns in einer „hoch technologisch entwickelten, virtuellen Nachricht" zu schicken.
Dementsprechend genervt rollte ich mit den Augen, als ich die Nachricht öffnete, um nachzuschauen, welche hundert Seiten er uns dieses Mal aufgegeben hatte.
Überrascht entdeckte ich aber keine schier endlosen Seitenzahlen, sondern eine sehr genaue Beschreibung, wie die Präsentationen unserer Projekte in zwei Wochen ablaufen würden, sowie eine Aufforderung, damit möglichst bald fertig zu werden.
Die alte Dame ignorierend drehte ich mich zu Yoongi und stupste ihn mit dem Ellenbogen an. „Wir müssen uns jetzt wohl noch öfter treffen.", grinste ich ihn an und hielt ihm mein Bildschirm so entgegen, dass er die Nachricht lesen konnte.
Er überflog sie und grinste zurück. „So ein Pech aber auch."

Zwei Haltestellen später stiegen wir aus, nicht ohne den abwertenden Blick der Frau zu bemerken.
Das erinnerte mich irgendwie an meinen Vater und wie ähnlich er wahrscheinlich reagieren würde, wenn er von mir und Yoongi wüsste.
Vielleicht würde er mich sogar enterben, weil er so angewidert von mir ist. Er hatte noch nie ein Geheimnis aus seiner Meinung gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe gemacht, was mich schon immer gestört, aber nicht sonderlich getroffen hatte. Er hatte auch Kookie und Tae immer kritisch gemustert, wenn sie mit mir zusammen waren. Doch die jetzige Situation war noch ein wenig anders und ich hatte Angst.
Yoongi schien meine angespannte Haltung zu bemerken und legte einen Arm um meine Schultern.
Sofort entspannte ich mich ein wenig und ließ mich zu dem kleinen Café ziehen, in dem Jin mir Namjoon vorgestellt hatte, bevor Yoongi zu uns gestoßen war.
„Wie hast du Namjoon nochmal genannt, als wir das letzte Mal hier waren?", fragte ich, nachdem wir an einem kleinen Tisch Platz genommen hatten.
„RapMon." Er musste kichern. „Das war so ein komischer Name, den er sich mal als Rapper gegeben hat. Es war die Abkürzung für RapMonster, weil er ja so übertrieben krass gut war." Lachend verdrehte er die Augen und auch ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

Wir redeten eine Weile über alles Mögliche, aber irgendwann bemerkte ich, dass Yoongi nicht mehr ganz bei der Sache schien. Sein Blick war starr in eine andere Richtung gerichtet und er nickte lustigerweise immer an den unpassendsten Stellen.
Sanft stupste ich ihn an. „Hey, alles in Ordnung bei dir?"
Er wandte seinen Kopf ein Stück in meine Richtung, behielt aber seinen Blick auf einem Ziel schräg hinter mir.
„Dieses Mädchen da drüben beobachtet dich die ganze Zeit.", flüsterte er. Ich konnte den Anflug von Eifersucht nicht überhören und musste grinsen.
„Ist da etwa jemand eifersüchtig?", neckte ich ihn.
Plötzlich schenkte er mir seine volle Aufmerksamkeit. „Natürlich bin ich eifersüchtig. Wie könnte ich das denn nicht sein, wenn jemand die ganze Zeit meinen Freund anstarrt?", sagte er mit fester Stimme und blickte mir tief in die Augen.
Ich lächelte verlegen und drückte seine Hand. Ich war so glücklich, dass ich ihn in dem Moment gerne geküsst hätte, aber dank der Frau vorhin im Bus war ich mir nicht sicher, ob ich mir das in der Öffentlichkeit schon erlauben durfte.
Wieder schien er zu spüren, was ich dachte und lehnte sich beim Aufstehen zu mir. „Lass uns an einen ruhigeren Ort gehen.", flüsterte er und ging zur Theke, um zu bezahlen.
Rasch stand ich auf und nahm meine Sachen in die Hand, als ich aus dem Augenwinkel eine bekannte Person bemerkte. Sie saß genau an der Stelle, die Yoongi beobachtet hatte.
Ich fluchte leise und ging eilig aus der Tür hinaus, um draußen auf ihn zu warten.
Als ein paar Minuten später mit fragendem Blick zu mir kam, zog ich ihn schnell am Arm weiter in die drängelnde Menschenmasse der Altstadt, bevor ich mich mit angespannter Stimme erklärte. „Das Mädchen, das nicht nur mich, sondern uns beide beobachtet hat, war Leya, meine Ex-Freundin."

𝔹𝕖𝕘𝕚𝕟 ♡ 𝚢𝚘𝚘𝚗𝚖𝚒𝚗Where stories live. Discover now