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POV: Yoongi:
Ich merke wie ich langsam in meine Welt abgleite. Es ist cool Musik zu hören, den Rauch aus der Bong und aus der Pfeife zu sehen und einfach keine Scheißschmerzen zu spüren. Ich kiffe seit fünf Jahren. Angefangen habe ich, als meine Mutter mir von dem Missbrauch erzählt hat und ich mich an etwas erinnern konnte. Es war so grausam, dass ich nicht damit klargekommen bin. Neben den Drogen habe ich auch eine Therapie ausprobiert. Aber die Fragen waren zu viel... Ich konnte nicht beschreiben was genau passiert war. Ich konnte es einfach nicht! Mein Therapeut hat das nicht verstanden. Ich wollte ein Wort sagen, aber sobald ich meinen Mund aufgemacht habe konnte ich nicht. Ich habe es ja nicht mal fertig gebracht zu sagen, dass ich missbraucht wurde. Offiziell war ich wegen Verhaltensauffälligkeiten in Behandlung. Die Vorwürfe meiner Mutter haben mir auch nicht wirklich weitergeholfen. Deswegen habe ich die Therapie vor zwei Jahren mit fünfzehn abgebrochen und habe nur noch geraucht, gekifft, getrunken und noch andere Drogen genommen. Seitdem habe ich mit niemandem mehr darüber geredet. Manchmal breche ich abends noch zusammen, aber niemand bekommt es mit. Ohne es zu wollen rollen mir Tränen über das Gesicht. „Yoongi, was ist los?" Verwundert schauen mich die anderen an. „Es ist alles gut... Manchmal weint man von Gras.", lüge ich. Meine Freunde sind zwar verwundert, fragen aber nicht weiter nach. Kurz vor dem Abendessen gehen wir wieder zurück und verstecken unser Zeug. Irgendwie bekomme ich die Erinnerungen nicht mehr aus meinem Kopf. Zum Abendessen gibt es Suppe. Sie sieht aus wie eine Spargelsuppe. Minutenlang sitze ich nur da und starre den Teller an. Ich kann das weiße Zeug nicht essen. In meinem Kopf laufen alle möglichen Szenen ab. „Yoongi... Du musst mal langsam essen. Wir sind schon fast fertig." „Ja, ich mach ja schon." Mit viel Überwindung tauche ich meinen Löffel ein und führe ihn zu meinem Mund. Qualvoll schlucke ich es hinunter und esse langsam den Rest. „Als Nachtisch haben wir Eis.", verkündet Jin. Das hat mir gerade noch gefehlt! Mit schweren Schritten stehe ich auf und hole mir zusammen mit den anderen eins. Alle beginnen sofort zu essen, außer ich. „Was ist heute nur los mit dir?" „Ich weiß es nicht. Keine Ahnung..." Hoseok guckt mich prüfend an. Um ihm zu beweisen das alles in Ordnung ist nehme ich das Stiehleis in den Mund. Auf einmal spüre ich wie mein Essen wieder hochkommt. Ich springe auf und renne raus. Gerade rechtzeitig schaffe ich es bis zur Toilette, um mich zu übergeben. Warum kommen diese verfickten Erinnerungen immer wieder hoch?! „Yoongi!" Ich höre die Stimmen meiner Freunde und der Lehrer hinter mir. „Yoongi. Geht's? Ist alles gut? Wie fühlst du dich?" Namjoon versucht mich zu stützen. „M-mir ist nur kurz schlecht geworden.", erwidere ich. „Ruh dich besser aus." Als Namjoon mich an der Hüfte hochziehen will schlage ich, ohne es zu merken wild um mich. „FASST MICH NICHT AN!!!", brülle ich voller Panik. Alle starren mich an. Ich kann nicht mehr... Verzweifelt springe ich auf und renne an ihnen vorbei. Ich habe keine Lust mehr. So schnell es geht schnappe ich mir die Pfeife und Ott aus meinem Zimmer und verschwinde in den Wald. Ohne Limit rauche ich einen Hut nach dem nächsten bis meine Erinnerungen weg sind. Ich hasse mich. Und meine Gedanken... Stundenlang hocke ich hier und normalisiere mich. „Ach hier bist du." Vor mir stehen Hoseok und Jungkook. „Was war denn los?" „Ich weiß es nicht... Irgendwie ging es mir nicht gut. Sorry, dass ihr euch Sorgen gemacht habt." „Alles gut. Hast du ernsthaft fast zwei Gramm geraucht?" „Joa. Natürlich." Ich grinse sie an. Es ist alles wie immer. „Komm, wir müssen zurück. Kannst du schon wieder laufen?" „Ja. Ich denke es geht schon." Ich stehe auf und gehe mit ihnen zusammen zurück. Es ist schon fast zweiundzwanzig Uhr. „Deine Augen sind komplett rot.", meint Jungkook besorgt. „Das fällt schon nicht auf.", beruhige ich ihn gelassen. Nachdem wir uns voneinander verabschieden gehe ich in das Lehrergebäude. Namjoon ist schon in unserem Zimmer. Als ich herein komme will er mit mir reden. Ich sehe wie er durchatmet und anfangen will. „Ich geh ins Bad." Schnell entziehe ich mich der Situation und gehe duschen. Ich will nicht reden... Ich habe Angst, dass mir niemand glauben wird. Vor allem ein Lehrer wird mich nicht verstehen. Aber so langsam... Habe ich das Gefühl darüber reden zu müssen! Ich will ein normales Leben führen! Dafür muss ich den Scheiß aufarbeiten. Das weiß ich. Zwei Wochen später bin ich immer noch in Namjoons Zimmer. In der letzten Zeit bin ich ihm so gut es ging aus dem Weg gegangen, damit er nicht mit mir reden kann. Meine Freunde haben seit dem Vorfall wo ich mich übergeben musste nicht mehr nachgefragt. Heute komme ich vollkommen entspannt aus dem Wald zurück und mache mich fertig fürs Bett. Halbwegs gut gelaunt ziehe ich mich um. Als ich meine Narbe sehe, stoppe ich kurz und muss schlucken. Auf meiner Brust sieht man einen Biss. Er kommt von dem Missbrauch. Offenbar war er so tief, dass eine Narbe entstanden ist. Nach ein paar Minuten ziehe ich mich weiter um und verlasse schließlich das Bad. „Yoongi... Ich will mit dir reden." „Ich bin aber müde..." „Ach komm schon!" „Morgen ist doch wieder Schule.", sage ich ausweichend. „Wenn du länger schlafen willst, kannst du die erste Stunde schwänzen. Aber ich will jetzt bitte mit dir reden!" „Nein!" „Yoongi!" Er fasst mich am Arm an, um mich festzuhalten. „Lass los! Rühr mich niemals an!", fauche ich aufgebracht. „Ich will doch nur wissen was mit dir los ist." Ich reiße mich panisch los und flüchte auf das Sofa. Ich hasse es, wenn mich jemand anfasst. Es erinnert mich an damals... Mein Vater hat mich immer festgehalten, wenn ich wegrennen wollte. Er sagte immer wir würden jetzt fangen spielen. Aber ich wusste das etwas nicht stimmte... Ich hatte Schmerzen. Ich spüre wie sich Namjoon neben mich setzt. „Was ist los? Ich werde so lange nicht weg gehen bis du mir alles sagst. Ich höre dir zu." „Das geht dich einen Scheißdreck an!" „Ich will dir nur helfen. Sag mir wenigstens das Thema was dich beschäftigt." „I-ich kann nicht." „Bitte." Nach einigen Minuten antworte ich: „Vielleicht kann ich es aufschreiben." Namjoon sucht eilig einen Block und einen Stift zusammen und drückt es mir in die Hand. Zitternd versuche ich den ersten Buchstaben zu schreiben. Mit viel Mühe bekomme ich das M hin. Nach und nach schaffe ich auch das I, S, S, B, R, A, U, C und H. Namjoon muss mir den Zettel aus der Hand nehmen. Meine Hände zittern so stark, dass ich nicht mal die Kraft aufbringe, um das Stück Papier auch nur anzuheben. „D-du wurdest missbraucht?" Erschrocken sieht er mich an. Schon wieder kommen alle Schuldgefühle in mir hoch. Ich habe Schuldgefühle darüber zu reden. Ich muss eine unglaubliche Kraft aufbringen, nicken zu können. Danach kullern Tränen über meine Wangen. „Darf ich dich in den Arm nehmen?", fragt er vorsichtig. Ich nicke. Namjoon rutscht näher zu mir und nimmt mich behutsam in seine starken Arme. Ich weine unkontrolliert los und schluchze für mindestens zwanzig Minuten. Es hat sich so viel in den letzten zehn Jahren angestaut. Auf einmal kann ich alles rauslassen und weine mich einfach aus. Nach weiteren zehn Minuten habe ich mich wieder ein Stück zusammengenommen. „Geht's?" Behutsam streicht er meine Tränen weg. Ich nicke leicht. „Willst du mir etwas erzählen? Kannst du darüber reden?" „I-ich werde es versuchen." Zitternd setze ich mich gerade hin. „Mein Vater hat meine Mutter und mich verlassen als ich zehn war. Meine Mutter hat mir die Schuld gegeben, aber ich wusste nicht was ich getan habe. Als ich zwölf war, hat sie mir dann erzählt, dass er mich sexuell missbraucht hat. Damals war ich sechs oder sieben." Ich mache eine Pause, um mich kurz zu sammeln. „Dann habe ich mit kiffen angefangen und eine Therapie wegen Verhaltensauffälligkeiten begonnen. Allerdings konnte ich nichts sagen. Die Worte konnte ich einfach nicht aussprechen! So sehr ich es auch wollte, es ging einfach nicht! Nach drei Jahren habe ich die Therapie abgebrochen. Danach habe ich nur noch geraucht, gekifft, getrunken und Drogen genommen. Ich habe mich niemals jemandem anvertraut. Ich konnte nicht darüber reden! Es war zu grausam. Als wir dann vor einer Woche die Spargelsuppe essen mussten sind schlimme Erinnerungen hochgekommen und das Eis war dann der letzte Trigger." Zum Schluss schluchze ich wieder. „Oh Gott... Kleiner, es tut mir so leid." Namjoon zieht mich nochmal in seine Arme. Ich umarme ihn auch und weine nur noch. Ich glaube wir sitzen eine Stunde oder so in dieser Position da. „Ich bin froh, dass du dich mir anvertraut hast. Danke.", flüstert er leise in mein Ohr. „Ich muss dir danken. Ich fühle mich zwar aufgewühlt, aber mir ist so als ob eine riesige Last von meinen Schultern gefallen ist." Nach einigen Minuten muss ich gähnen. „Bist du müde?" Ich nicke. Namjoon will aufstehen, damit ich mich hinlegen kann. „K-kannst du heute bei mir schlafen? Ich brauche einfach jemanden neben mir." „Natürlich. Ich gehe nur noch schnell duschen." „Ich möchte im Moment lieber nicht alleine sein.", gebe ich kleinlaut zu. „Willst du mitkommen? Ich habe kein Problem, wenn du mir beim Duschen zuguckst." „Danke." Ich stehe mit ihm zusammen auf und gehe ins Bad. Irgendwie will ich heute einfach bei jemandem sein. Ich habe das Gefühl sonst zusammenzubrechen. Nachdem Namjoon fertig ist legen wir uns gemeinsam auf das Sofa. „Darf ich mich an dich kuscheln?", frage ich vorsichtig. Behutsam rutscht er näher an mich heran und legt einen Arm um meine Schultern. Dankbar kuschle ich mich an ihn. Seit ich ihm alles gesagt habe, ist er total nett. Vielleicht hat er ja einen guten Kern und mag nur keine frechen Schüler. Wenn ich darüber nachdenke, dass ich ab jetzt keine Maske mehr tragen muss, um mich zu schützen fühle ich mich echt erleichtert. Vielleicht erzähle ich meinen Freunden irgendwann auch alles, aber ich werde mir Zeit lassen.

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