~15~

2.2K 81 1
                                    

POV: Yoongi:
Missbrauch und Traumata? Das ist doch wohl ein schlechter Scherz. „Namjoon?“ „Ja?“ „Muss ich heute wirklich mitmachen?“ Ängstlich schaue ich ihn an. „Yoongi… Es tut mir so leid. Aber du musst.“ Mitleidig sieht er mich an. „Ich probiere es.“, flüstere ich leise. Getrennt voneinander machen wir uns auf den Weg ins Musikzimmer. Das ist das größte Zimmer in der Schule. Ich atme tief ein und trete in den Raum hinein. Wenn ich die unschuldigen, dumm grinsenden Gesichter der anderen sehe wird mir schon schlecht. Meine Freunde dagegen, sehen komischerweise voll ernst aus. Aber wirklich stören tut es mich nicht… Es wundert mich eher. Haben sie etwas bemerkt und haben jetzt Mitleid? Aber wann sollten sie was gemerkt haben? Mir fällt nichts ein. „Schön, dass ihr alle pünktlich seid.“, begrüßt Jin uns lächelnd. „Das Thema heute ist sehr wichtig und sensibel. Deswegen bitten Namjoon und ich euch, euch anständig zu benehmen.“ Einige kichern jetzt schon. Na, das kann ja was werden. Wütend betrachte ich mein Umfeld. „Alles gut Yoongi?“ Hoseok legt mir seine Hand auf die Schulter. „J-ja.“ Namjoon beginnt zu erklären welche Arten des Missbrauchs es gibt und wo sie besonders auftreten. „Als letztes gibt es den sexuellen Missbrauch. Meistens betrifft es Kinder. Die Täter sind oft die eigenen Verwandten, zum Beispiel der Vater.“ „Das nennt man auch Daddy-Kink!“, ruft irgendjemanden rein. Manche lachen. Mein Herz sticht vor Schmerz. „Wer war das?“ Namjoon wird augenblicklich eiskalt und durchbohrt alle mit seinen Blicken. Niemand sagt ein Wort vor Schock. „Wer war das?!“, fragt er nun etwas lauter. „Ich.“ Der Junge, der sich gemeldet hat sieht leichenblass vor Angst aus. „Du findest das Thema wohl witzig, was?! Raus hier! Bis morgen wirst du einen fünfzehnseitigen Aufsatz über Kindesmissbrauch in der Familie schreiben. Außerdem wirst du die nächsten verdammten sieben Wochen den Hof kehren, den Abwaschdienst alleine abends übernehmen und du darfst nicht in die Stadt!“ Der Typ nickt zitternd und rennt raus. Unauffällig sieht Namjoon zu mir. Ich versuche zu lächeln, um ihm zu zeigen, dass es mir gut geht. Ich will nicht, dass er sich noch mehr Sorgen machen muss. Beruhigt wendet er sich wieder seinem Vortrag zu. Jin wirkt etwas verwirrt, wegen seiner heftigen Reaktion. Das heißt zumindest, dass Namjoon die Sache echt für sich behalten hat. Sonst wüsste Jin sicherlich Bescheid. „Wir gucken uns einen Bericht über einen misshandelten Jungen in eurem Alter an.“, kündigt Jin an. Namjoon runzelt die Stirn. Er sieht so aus, als hätte er das nicht gewusst. Ich will das nicht sehen. Ich weiß genau worum es geht. Aber niemand unternimmt etwas dagegen. Jin schaltet den Beamer ein und startet den Film. Der Junge ist sechzehn und wurde von zehn bis zwölf von seinem Onkel missbraucht. „Ich wollte wegrennen sobald er mich angegrinst hat, aber er hielt mich am Arm fest und sagte: „Wir spielen doch nur fangen.“ Es hat mich so paralysiert, dass ich bis ich fünfzehn war nicht darüber reden konnte. Aber mit der Liebe meiner Eltern und der Geduld meiner Freunde habe ich es dann geschafft und kann mittlerweile fast ein normales Leben führen.“ Was zur Hölle ist das?! Er kann einfach so darüber reden?! Und seine Eltern unterstützen ihn… Er kann doch noch froh sein! Nachdem der Film zu Ende ist beginnt die Diskussionsrunde. „Denkt ihr man kann nach sexuellem Missbrauch ein normales Leben führen?“ Ein Junge namens Saeran meldet sich. „Ich denke schon. Die Menschen aus den KZ´ s haben es ja auch geschafft.“ Wie kann man das denn vergleichen?! „Ein KZ und Missbrauch in der Familie ist was vollkommen Verschiedenes! Du vertraust deinen Verwandten. Du liebst sie. Jemand der im KZ war mochte seine Aufseher doch nicht! Es ist viel schlimmer von jemandem enttäuscht zu werden der dir wichtig war.“, mischt sich plötzlich Jungkook ein. „Aber kann es nicht sein, dass manche Jugendliche zum Beispiel nur neugierig sind und etwas ausprobieren wollen und dann ihre Familie beschuldigen sie vergewaltigt zu haben?“ Mir wird schlecht. Wie kommt man auf sowas?! Vor meinen Augen wird es schwarz und ich merke wie mein Essen wieder hochkommt. Schnell springe ich auf und renne raus. Es ist mir egal wie auffällig das jetzt war. Ich werde schon eine Ausrede finden. Bei der Toilette angekommen, muss ich mich sofort übergeben. Hoffentlich sieht mich niemand. Ich will jetzt alleine sein! Schluchzend breche ich zusammen. „Papa, lass mich in Ruhe!“ Alle Erinnerungen schießen plötzlich in meinen Kopf. „Es tut weh!“ Schreiend halte ich meine Augen und Ohren zu. „Nein, bitte!“ „Yoongi!“ Von irgendwo her, weit entfernt von mir, höre ich jemanden meinen Namen rufen. „Yoongi!“ Es ist eine schöne und beruhigende Stimme, obwohl sie voller Sorge klingt. „Yoongi? Bist du okay?“ Vorsichtig schlage ich meine Augen auf. Namjoon hockt vor mir. „Yoongi?“ Ich will etwas sagen. Ich will ihm sagen, dass es mir gut geht, aber mein Mund bewegt sich kein Stück. Ich kann einfach nur zitternd daliegen, schluchzen und ihn angucken. Behutsam streichelt er meinen Kopf. „Alles wird gut. Glaub mir, alles wird gut.“ Sanft nimmt er mich in den Arm. Langsam dringt seine Körperwärme zu mir durch. Ein paar Minuten später beruhigt sich mein Körper wieder ein bisschen. Erschöpft kuschle ich mich an Namjoon. Das Zittern hat mich total ausgelaugt. „Ist alles in Ordnung?“ Jin guckt zur Tür rein. „Nicht wirklich. Yoongi muss sich dringend ausruhen. Ich schaffe ihn in mein Zimmer und kümmere mich um ihn. Schaffst du das Thema heute alleine?“ „Natürlich. Soll ich vor Sport Tae, Jimin, Hoseok und Jungkook hochschicken?“ „Yoongi, was sagst du?“ Fragend sieht Namjoon mich an. Schwach nicke ich. „Ja Jin, kannst du machen.“, antwortet Namjoon für mich. „Okay. Bis später.“ Namjoon und ich sind wieder alleine. „Kannst du aufstehen?“ Ich will ihm keine Last sein. Aber als ich mich aufrichten will, falle ich wieder um. „Ich werde dich tragen.“ Peinlicher geht es ja wohl nicht. Vorsichtig hebt er mich hoch, als wäre ich eine Porzellanpuppe oder so. Behutsam schafft er mich in sein Zimmer und legt mich auf sein Bett. „Warum legst du mich nicht auf mein Sofa?“, frage ich erschöpft. „Das Sofa ist doch viel zu hart.“ „Warum bist du so nett? Du musst dich nicht um mich kümmern.“ „Seit du mir alles erzählt hast, will ich dir helfen. Das weißt du doch. Du musst nicht immer fragen, ob ich das machen will. Ich mache es gerne.“ Hoffentlich werde ich nicht rot. Namjoon ist einfach so toll. Wenn ich bei ihm bin, fühle ich mich vor meinen Erinnerungen sicher. Und er gibt mir so viel Wärme. „Brauchst du etwas? Ein Glas Wasser oder so?“ „Nein danke. Ich bin schon froh, wenn ich einfach hierliegen kann.“ Einige Zeit sitzen wir so da und schauen uns an. „Willst du über deine Erinnerungen reden?“, fragt Namjoon plötzlich. „Ich weiß nicht… Ich habe Angst, dass sie wieder reell werden und ich mich nicht mehr beruhigen kann.“, flüstre ich. „Verstehe ich. Du kannst aber immer zu mir kommen, wenn was ist.“ „Danke.“

Welcome to the hellschoolWhere stories live. Discover now