ZWEI - ٢

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LAMEES| „Vielleicht verliebst du dich sogar in ihn!", meinte Amara, meine Cousine aber auch beste Freundin. Ich lachte auf, da ich diese Vorstellung lustig finde. Ich bereitete das süße Gebäck auf Teller vor, stellte Gläser auf ein Tablett und brachte das schon mal ins Wohnzimmer. Mein Onkel platzte in die Küche rein, weshalb ich mich leicht erschrecke.

„Ich will auch so ein Gebäck!", er fing an gespielt zu schmollen, ich lächelte ihn an und gab ihm ein Frisches vom Ofen. Er drückte mir ein Kuss auf die Wange und wuschelte mir durch die Mähne. Amara kam hysterisch in die Küche rein.

„Sie kommen! Los Lamees, zieh saubere Sachen an.", sie scheuchte mich aus der Küche, ich rannte in mein Mädchenzimmer rein. Die Familie, die heute um meine Hand anhalten möchte, sind eine lange Strecke gefahren. Ich schätze, dass sie zwei, wenn nicht sogar drei Stunden gefahren sind. Es klingelte, weshalb ich mir mein enganliegendes Kleid, dass langarmig und bis zu meinem Schienbein geht, rüberziehe. Es hat einen schönen Beigeton. Wie gut, dass ich meine Haare schon davor gemacht habe. Ich trug Concealer und Maskara auf, was mir völlig reichte. Noch etwas Parfüm, schon war ich bereit. Bevor ich mein Zimmer verließ, blieb ich vor dem Spiegel stehen. Ich strich mir meine gewellte braune Strähne hinters Ohr, richtete den Verschluss meiner Kette richtig, puderte meine helle Haut etwas und blickte mir zum Schluss in meine dunkelbraunen Augen. Ich sehe nicht besonders aus, sondern wie ein normales Mädchen. Vielleicht wirke ich wegen meiner Narbe an meiner Wange besonders, was ich aber bezweifle. Unsicher betrachte ich mich im Spiegel. Vielleicht sollte ich mich doch umziehen?—
Nun klingelt es oben vor der Haustür. Da es Tradition ist, eile ich schnell in den Flur um die Tür zu öffnen. Amara -die mittlerweile ihr Kopftuch an hat- mein Cousin Salim und mein Onkel stehen schon im Flur und warten auf mich. Ich nicke allen zu, sterbe halber vor Aufregung und Nervosität. Ich fasse die Türklinke, schließe meine Augen. Ich schaffe das. Laut atme ich aus und reiße die Tür auf. Direkt erblicke ich einen mitte-vierzig jährigen Mann, der mich mit strahlenden blauen Augen anlächelt.

„Bxer hatîn!", herzte ich alle willkommen, auch wenn ich erst nur den breitgebauten Mann erblicke, der reintritt und mir seine Hand als Begrüßung hinhält. Ich greife diese und küsse sie, lasse sie anschließend hoch an meine Stirn fahren. Als ich aufschaue, kamen seine Zähne zum Vorschein.

„So ein gebildetes und braves Mädchen.", sagte er und schlug bei meinem Onkel ein, die sich lachend begrüßten. Eine kleine ältere Frau kam mit kleinen Schritten und schüchternem Blick auf mich zu. Ich griff nach ihrer Hand und wollte sie küssen, aber sie riss ihre Hand weg und umarmte mich. Sie kicherte auf und drückte mir herzlich ein Kuss auf die Wange, weshalb ich auflächelte. Meine zukünftigen Schwiegereltern gefallen mir. Sie ließ von mir ab, kniff mir noch in die Wange und begrüßte meinen Onkel. Als ich wieder zurückblickte, wurden meine Augen groß. Ich glaubte meinen Augen nicht. Vor mir stand mein Zukünftiger mit einem Blumenstrauß.
Er war groß, weit aus größer als ich. Seine Schultern waren breit, sein Körper war gutgebaut. Er hatte ein weißes Hemd an, was wie angegossen passte. Ein glattrasiertes Gesicht, hohe Wangenknochen, lange dichte Wimpern und Augenbrauen, einen scharfen maskulinen Unterkiefer. Seine Haare sind pechschwarz. Er schaut runter auf seinem Handy, was sein Gesicht beleuchtet. Er ist ein richtiger Frauenheld. Er ist perfekt. Er ist viel zu perfekt, es muss ein Irrturm sein! Irgendwann schaut auch er von seinem Handy rauf und blickt direkt in mein Gesicht. Meine Augen werden noch größer, als sie schon waren. Seine blauen Augen blicken starr in meine. Sie sind so leer und ausdruckslos, ich habe sowas noch nie gesehen. Sie sind eiskalt, nichts warmes ist zu erkennen. Verwirrt und verwundert blicke ich in seinen Augen. Seine Augenbrauen schießen in die Höhe, er schaut von mir wieder zurück zu seinem Handy und drückt mir die Blumen gegen die Brust.

„Die sind für dich.", sagte er. Seine Stimme hinterlässt eine Gänsehaut bei mir. Sie hat so einen tiefen Bass, ich kann mir vorstellen wie viele Frauen er mit dieser Stimme verführen kann. Ich schließ die Tür mit einem Pokerface. Ich nehme alles zurück. Er ist definitiv nicht perfekt. Sein kalter Blick und seine ignorante Art lässt mich zweifeln. Ich muss jetzt meine Zähne zusammenbeißen und da durch. Er läuft vor mir, als würde er wissen wohin er läuft. Als wäre es seine eigene Wohnung. Ich beobachte seine Schritte. Er hat einen eleganten Gang und läuft mit gehobenem Kopf. Als er das Wohnzimmer betrat, begrüßt er meinen Onkel und küsst seine Hand, lässt sie anschließend wie ich vorhin hochfahren zu seiner Stirn. Mein Onkel schaute ihn stolz an.

„Aus dir ist ein richtiger Mann geworden, Arda!", sprach mein Onkel begeistert. Arda. Ich stehe wie verloren vor der Tür und schaue mit überkreuzten Armen alle an.

„Çiçe, komm zu uns.", sagte mein Onkel und machte auf der Couch Platz für mich. Ich laufe rot an. Mein Cousin Salim lacht mit Amara, die genauso rot geworden sind, wie ich.

„Çiçe?", fragt meine zukünftige Schwiegermutter, die dann erneut heute kicherte. „Was für ein süßer und kreativer Name, den dir deine Eltern gegeben haben!", fügte sie hinzu. Der Boden unter mir soll aufgehen. Bitte lass mich träumen. Mein Onkel fängt an zu lachen.

„Nein, sie wird nur von uns Çiçe genannt. Ihr richtiger Name ist Lamees.", klärte er sie auf. Mein zukünftiger Schwiegervater sprach nun mit.

„Lamees ist ein sehr schöner Name.", sagte er und lächelte mich an, weshalb ich schüchtern aufgrinste. Ich schaue zu Amara, die auf Arda gegenüber von mir deutete. Vorsichtig drehe ich mein Kopf in seine Richtung, aber sein Blick war auf sein Handy in seiner Hand gerichtet. Verwirrt schaue ich zu meiner Cousine und schüttle nichtsahnend mein Kopf, doch aus ihren Handzeichen wurde ich nicht schlau. Ich schließe überfordert mein Augen. Als sich mein Inneres etwas gelegt hat, unterbreche ich die Älteren bei ihrem Gespräch und stehe auf.

„Was darf ich euch einschenken?", fragte ich in der Runde. Die Eltern wollten Wasser, meine Cousins wie immer Cola. Mein Onkel stand auf, da er einen Anruf bekam.

„Was möchtest du?", fragte ich monoton und schaue zu ihm rauf. Sein Blick war immer noch auf sein Handy gerichtet. Langsam aber sicher wurde ich genervt von ihm. Wie kann er an seinem Handy hängen, wenn er einen guten Eindruck hinterlassen möchte? Wenn er diese Ehe nicht möchte, muss er das nur sagen, ich werde meine Wege finden wieder meine Eltern zurückzubekommen. Ich seufzte auf, aufeinmal steuern seine Augen auf meine. Leicht kriege ich eine Gänsehaut, aber behalte die Fassung. Er schaut kalt zu mir und schaut mich ahnungslos. Ich werde mich ganz sicher nicht wiederholen. Genervt deute ich auf die Getränke.

„Çay.", sagte er selbstgefällig und mit einem arrogantem Unterton. Ein Wunder, seine Augen huschen von seinem Handy zu mir, doch diese liegen nicht lange auf mir. Aufgeregt blase ich die Luft aus meinen Nasenlöscher. Ich verdrehe daraufhin nur meine Augen, setze aber mein Lächeln auf, als mich seine Mutter anschaute.
Das kann was werden.


*Bxer hatîn= Herzlich Willkommen
*Çay= Schwarztee

ÇAVZHÎNWo Geschichten leben. Entdecke jetzt