ACHT - ٨

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LAMEES| Meine Hand fährt die roten Lederstühle rauf und runter. Sie sind schon etwas abgenutzt, dennoch passen sie zu diesen Raum. Es ist leicht düster, alles ist in einem dunklen Holz gehalten. Arda neben mir nimmt meine Hand, ich schaue leicht überrascht zu ihm, der gerade aus zu der Frau schaut, die unsere ganzen Formulare für die standesamtliche Hochzeit untersucht. Sie tippt irgendwas in den Computer ein.

„Arda Ibrahim?", sagt die Frau vor dem Computer und kratzt sich an ihrem gräulichen Ansatz. Mit ihrem Zeigefinger schiebt sie ihre eckige Brille wieder gerade und schaut ausdruckslos in das Gesicht von Arda, der nicht anders schaut.

„Ja genau.", sagt er monoton und lässt meine Hand los. Mein Blick bleibt an unseren freien Händen stehen. Er hat es nur gemacht, damit diese Frau uns nicht für völlige Fremde hält.

„Lamees Peri?", spricht sie aus und schaut vom Computer nun zu mir. Doch ihr Blick ist anders. Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen, sie schaut bebend in mein Gesicht.

„Gibts ein Problem?", kommt es harsch von Arda, als er meinen hilflosen Blick sieht und bemerkt, dass die Frau nicht anders schaut.

„Ihre Eltern wurden abgeschoben steht im Computer.", gab sie von sich, legte ihre Brille ab und umklammerte ihre Hände ineinander. Arda ballt seine Hand auf dem Tisch, doch die Frau spricht weiter.

„Er wird Ihnen das nötige Geld geben, wenn Sie ihn heiraten, stimmt's?", kommt es aus ihr geschossen, meine Augen werden sofort groß.

„Was unterstellen Sie meiner Frau?!", rief sofort Arda, doch die Frau hört nicht auf. Ja, wir brauchen das Geld, damit ich meine Eltern zurückbekomme. Aber wie zur Hölle soll ich das ihr sagen?

„Ich hatte schon viele Scheinehen hier. Sie liefen immer gleich ab.", gibt sie von sich und steht auf. Arda steht mit ihr auf und schaut sie wütend an. Planlos bleibe ich sitzen. Scheiße. Sie umklammert ihre Arme ineinander und läuft durch den Raum. Ihre Klapperschuhe hallen durch den Raum.

„Machen Sie einfach Ihre Arbeit und geben uns einen Termin.", kommt es flammend von Arda. Sein Körper ist steif, seine Halsader fängt schnell an zu schlagen. Es scheint fast so, als würde sie gleich rausspringen. Angespannt schaut die Frau abwechselnd von Arda zu mir, ich schaue sie bettelnd an. Sie atmet seufzend aus und läuft wieder zurück zum Schreibtisch. Ohne etwas zu sagen druckt sie etwas aus, drückte es in Ardas Hand, welches er sofort ergriff. Direkt packt er mein Arm, zerrt mich mit ohne Tschüss zu sagen und knallt die Tür laut zu. Ich schaue ihm ins Gesicht, er ist sichtlich rot geworden.

„Genau das hat mir gefehlt!", knurrt er sauer und fährt sich durch die dunklen Haare. Leicht unbehagen bleibe ich stehen und weiß nicht was ich machen soll. Er läuft paar Schritte weiter, bis er stehen bleibt.

„Ta'al!", rief er jetzt genervt und aggressiv. In meinem Inneren brodelt es von null auf hundert. Ich weiß, dass was gerade passiert ist jetzt ein Hindernis ist und uns Probleme machen wird, doch mit so einem Tonfall lasse ich nicht mit mir sprechen.

„Atme, Arda!", keifte ich zurück, sodass er angespannt seinen Kopf kreist. Er läuft wieder auf mich zu, ich schaue ihn wutentbrannt an.

„Es ist noch nichts passiert! Sie hat doch keine Beweise!", kommt es zuckend von mir, ich bin kurz davor auf ihn draufzuschlagen. Es wird nichts passieren. Sie hat nichts gegen uns in der Hand.

„Du verstehst den Ernst der Lage nicht.", sagt er brummend und packt mich wieder am Arm um mich herumzuschleppen. Aber nein, nicht mit mir. Ich lasse mich nicht mal von meinem Vater packen, wieso sollte ein Mann— der noch nichtmal mein Mann ist— mich anpacken?!

„Oh und wie ich ihn verstehe! Du reagierst nur über!", kommt es lauter von mir. Es ist mir egal, dass wir mitten auf der Straße am Diskutieren sind und jeder uns dabei zuschaut. Er spannt sein Kiefer an und schließt vor Wut seine Augen. Für einen Moment wirkt er friedlich, bis er seine eisblauen Augen wieder öffnet— seine Gesichtszüge sind angespannt, seine Stirn legt sich in Falten. Ich seufze auf, da ich selber keine Lust mehr auf Streiten habe und laufe angepisst mit zu seinem Auto. Und was für ein Auto es ist. Letztens war er mit einem Bugatti hier, heute mit einem Benz. Es ist eins der älteren Modelle, die mein Vater liebt. Ich selbst kenne mich überhaupt nicht mit Autos aus, dennoch wenn ich ein älteren Mercedes sehe, weiß ich dass mein Vater so einen gerne gehabt hätte. Still steigen wir ein und sprechen die ganze Fahrt lang über nicht. Es läuft leise irgendein arabisches Lied im Hintergrund. Leider verstehe ich nicht wirklich arabisch, obwohl ich es gerne wollen würde. Diese Sprache hört sich sehr schön an, ich verstehe nur teils-teils arabisch. Es stört mich nicht, dass wir gerade nicht miteinander reden, ganz im Gegenteil. Es ist mir gerade sogar recht. Erschöpft lege ich mein Kopf gegen die Scheibe. Lamees, wo bist du nur gelandet. Es ist jetzt schon schwer, wie soll es so denn weitergehen? Dieser Sturkopf kennt keine Gnade, keine Liebe. Ich will doch nur respektiert und geliebt werden. Soll ich mit einem blutigen und gebrochenen Herz sterben? Soll ich unglücklich diese Ehe starten? Dabei war doch ich die, die sowas niemals toleriert hätte. Ich seufze auf. Das war's. Ich merke nicht, wie er in meine Gegend reinfährt, sodass ich wieder hellhörig werde.

„Park im Parkhaus. Deinem Auto wird sonst noch was passieren.", sprach ich und kramte nach dem Chip in meinem Schlüsselbund für die extra Garagenanlage. Jeder Bewohner dieses Blocks hat eine Garage. Meine Schrottkarre ist immer draußen geparkt, es ist mir egal was damit passiert. Aber weil ich genau weiß, dass es einige Kriminelle herumlaufen und nur darauf warten ein Auto auseinanderzunehmen, will ich auf Nummer sicher gehen.

„Es passiert schon nichts.", spricht er laut aus und fährt direkt in den Innenhof. Ich schüttle nur den Kopf. Ich habe ihn vorgewarnt. Ich will sein Gesicht sehen, wenn seine Reifen und Lenkrad weg sind. Gemeinsam laufen wir zum Mehrfamilienhaus, dahin wo ich wohne. Als ich den Schlüssel ins Schlüsselloch stecken wollte, wird die Tür mir aufgerissen. Vor mir steht Amara, die anscheinend auf mich gewartet hat. Als sie Arda erblickt, werden ihre Augen groß und schaut mich mahnend an.

„Er ist nur hier wegen der standesamtlichen Trauung.", spreche ich mit erhobenen Händen und stelle mich hinter Arda. Manchmal habe ich Angst davor, dass Amara auf mich losstürmt und aufisst.

„Stimmt ja. Dieser Idiot wird dein Mann.", kommt es monoton und angeekelt aus ihrem Mund. Arda schaut sie mit einer erhobenen Braue und einem zuckenden Mundwinkel an. Ironisch lächelnd schaut Amara zu Arda und macht ihn wie ein Kind nach.

„Gefällt dir was du hörst, nicht wahr?", sagt sie mit einer hohen Stimme. Meine Augen werden groß, meine Wangen werden merklich warm. Es hört sich so komisch an wenn es andere sagen. Aber aus seiner Reaktion werde ich nicht schlau. Gefällt ihm es denn etwa wirklich?

„Ich hol nur meine Sachen, dann bin ich weg.", spricht er zu Amara, die dann glücklich auspustet. Ich laufe in die Küche um mir ein Glas Wasser einzuschenken und dies genüsslich auszutrinken. Gedankenlos schaue ich aus dem Fenster, da ich Blaulicht wahrgenommen habe. Ich schaue runter vom Fenster und sehe, wie der Abschleppdienst gerade Ardas Wagen festmacht. Sofort verschlucke ich mich und huste laut aus, bis Arda sogar auf mich aufmerksam wird und mit besorgtem Gesichtsausdruck auf mich zukommt. Ich deute nur raus aus dem Fenster und sehe wie er rückartig aus der Wohnung flitzt. Amaras Schreie sind bis zur Küche zu hören, ich stehe auf um sie zu suchen. Sie ist auf dem Balkon und schreit die Sicherheitsmänner an, die mit Arda unten diskutieren.

„Gibt dem Kerl das Auto zurück!", schreit sie und schreit noch weitere Sachen. Oh Gott, Amara will ihn ja wirklich nicht hier haben. Mittlerweile sind mehrere auf ihre Balkons gekommen, da Amara so laut am Fluchen und Schreien ist. Als sie sieht, dass der Abschleppdienst Ardas Auto mitnimmt, läuft sie knurrend in die Wohnung rein. Ich bleibe noch auf dem Balkon und beobachte wie Arda aggressiv den Abschleppdienst bedroht. Doch das alles bringt nichts. Er holt mit seinem Fuß aus und stampft auf. Seine Hand legt sich auf sein Kinn, es scheint so als muss er jetzt überlegen. Sein Kopf bleibt bei mir hängen, ich scheue mich aber nicht wegzuschauen. Kopfschüttelnd läuft er rein.

„Ich brauch dein Handy.", sagt er zu mir, ich gebe es ihm ohne nachzufragen für was. Er tippt eine Nummer ein, davor stellt er es aber so ein, dass es anonym ist. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen.

„Enlil? [...] Ja, ich brauch deine Hilfe [...] Hol mich ab, nimm Maher mit. Ich will nicht, dass du alleine fährst.", ich schlucke bei diesem Satz und kriege ungewollt eine Gänsehaut. Seit wann ist Arda so sorglich? Er macht sich wirklich Sorgen um seine Mitmenschen? Irgendwie berührt mich dieser Satz. Ich liebe es eigentlich, wenn man an andere denkt. Aber dass es ausgerechnet von Arda kommt? Nur ein Satz und ich sehe Arda mit komplett anderen Augen.

Ach, wärst du doch auch so nett und vorsorglich zu mir, Arda. Dann hätten es wir einfacher.



*Ta'al = Komm, los

Glaubt ihr sie hat einen leichten crush auf ihn bekommen????

Nicht korrigiert

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