VIER - ٤

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LAMEES| „Das Haus ist riesig.", ich hörte aus dem Mund von Salim bestaunende Töne. Leicht rammte ich ihn, damit er aufhört so zu gaffen. Sowas gehört sich nicht, auch wenn es wirklich schwer ist. Ich ziehe meine Sonnenbrille ab und schmeiße sie in meinen Wagen. Mein Onkel und seine zwei Kinder Amara und Salim sind mitgekommen. Die sind die einzigen, die ich hier noch habe. Ich bin unglaublich dankbar, dass sie in so einer schweren Zeit zu mir stehen. Ich nehme die Geschenke aus dem Kofferraum. Für meinen zukünftigen Schwiegervater eine Uhr und ein Hemd, für meine bald Schwiegermutter einen Lippenstift der teuer wie die Hölle war mit einem Parfüm, das genauso teuer war. Von ihr habe ich auch erfahren, dass sie zwei weitere Söhne und eine Tochter hat. Für einen Sohn, der neunzehn ist, habe ich ein Parfüm und ein Hemd geholt, für den anderen Sohn der gerade einmal fünf ist, ein Spielzeug-Feuerwehrwagen. Für die Tochter, die zwanzig ist habe ich eine Handtasche und eine Schminkpalette geholt. Tja und für den lieben Herr, der mich heiraten will, gibt es nur Schokolade. Ich hoffe ihm wird Zartbitter schmecken. Schmunzelnd greife ich nach den Geschenken, die nicht einmal ansatzweise so schön sind, wie das Geschenk von meinen Schwiegereltern. Diese edlen Diamanten, die an dem Anhänger der Kette hängen glitzern so schön in der Sonne. Die passenden Ohrringe funkeln genauso im Licht. Ich habe sie angezogen, da sie perfekt zu meiner weißen Bluse und meiner schwarzen Hose passen. Heute entschied ich mich für meine Absatzschuhe und ließ die Sneaker im Schrank. Mein Onkel nahm mir die Geschenktüten aus der Hand, weshalb ich ihm dankend ansah. Ich verdanke ihm so viel. Er lässt mich nicht aus den Augen und behandelt mich wie sein eigenes Kind. Ihm ist es wichtig, dass ich gegessen habe und will nicht, dass ich mich überanstrenge. Er wollte selbst die Geschenke bezahlen, was ich natürlich nicht zuließ. Ich musste schon einen fünfhunderten hinschmettern, da die Geschenke nicht so günstig waren. Selbst die Zartbitterschokolade war teuer. Aber ich versuche einen so guten Eindruck zu hinterlassen, wie es nur geht. Mit meiner Familie laufe ich auf die Haustür zu und bleibe nervös stehen. Mein Onkel klingelt, ich schaue mich um. Eine wirklich schöne ruhige Gegend. Die Straßen sind leer, man hört Vogelgezwitscher. Es ist ein warmer sonniger Tag, meine Laune wird besser. Die Tür öffnet sich, meine Gesichtszüge gehen runter. Arda hat die Tür aufgemacht. Hätte ich bloß meine Sonnenbrille aufgehabt, dann hätte ich meine Augen richtig gerollt. Seit dem letzten Besuch bei uns kann ich ihn nicht ausstehen. Seine Art macht ihn hässlich. Er begrüßt uns, ich schaue auf den Boden. Alle laufen vor mir rein, ich laufe ihnen hinterher. Hinter mir nehme ich Schritte war, Ardas Schritte. Mein Herz rast in seiner Gegenwart, ich spüre wie mir noch wärmer wird. In seiner Anwesenheit komme ich ins Schwitzen und bin nicht so stabil, wie sonst auch. Er ist nur ein Mann. Ja genau, bald Ehemann!

„Ihr seid endlich da!", hörten wir, als wir das Wohnzimmer betraten. Zimmer war falsch. Es war ein Saal. Ich glaube, dass dieser Saal so groß wie meine Wohnung ist. Amara dreht sich zu mir, schaut kurz über meine Schulter und kommt mir näher.

„Er starrt dich wieder an.", ich verdrehe meine Augen. Danach schüttle ich mein Kopf. Als er das letzte Mal bei uns gewesen war, hätte er mich angeblich angeschaut.

„Aber als ich zu ihm geschaut habe, war es nicht der Fall.", gab ich langsam genervt von mir. Ich weiß nicht ob es wegen dieser Aussage war, oder es einfach an diesem Kerl war, wurde ich plötzlich zickig und reizbar.

„Das ist unsere schöne Lamees.", ich wurde hellhörig und sah in die Richtung, von der dieser Satz kam. Als ich meine bald Schwiegermutter erblickte lief ich rot an.

„Lamees, das ist Nour.", sagte sie und zeigte über meine Schulter. Ich drehe mich um und lächle, als ich ein Mädchen mit schwarzen Haaren erblicke. Sie hat helle Augen und eine gebräunte Haut. Eine wirkliche Schönheit. Sie kam mit einem Grinsen auf mich zu und umarmte mich.

„Wie geht es dir?", fragte sie, als sie mich herzlich in ihre Arme nahm. Ich drückte auch zu und fühlte mich plötzlich wohl. Sie hat volle Lippen und eine kleine schmale Nase. Man wird neidisch, wenn man ihr länger ins Gesicht schaut.

„Das ist Maher.", stellte sie mir die Person hinter ihr vor. Das muss also der jüngere Bruder von Arda sein. Ihm gab ich die Hand, wurde aber zu ihm gezogen. Lachend erwidere ich seine Umarmung, auch wenn es mir leicht unangenehm ist. Ein lautes tiefes Räuspern war zu hören, weswegen mich Maher los ließ. Ich schaue zu dem Verursacher des Räusperns und erblicke Arda vor uns, der seine Arme hinter seinem Rücken versteckt hat. Es wurde unangenehm still im Saal. Er nickte seinem Bruder zu, der dann etwas Abstand von mir nahm. Sein Blick war dunkel, weswegen ich ihm nicht länger ins Gesicht sah, sondern schnell wegschaute. Die Älteren haben nichts mitbekommen, haben sich schon unterhalten.

„Mama!", hörte man eine Kinderstimme. Er rannte durch uns hindurch und umarmte die Beine seiner Mutter. Sie kniet sich zu ihm runter und flüstert ihm etwas zu, weshalb sich ein langes Grinsen auf seinem Gesicht bildet. Er schaut mich an und kommt langsam auf mich zu.

„Bist du Lamees?", fragte er ganz schüchtern nach. Ich nickte ihm zu.

„Und wer bist du, Çiçalok?", fragte ich grinsend. Er fing an zu lachen bei diesem Kosenamen, die anderen auch. Nur Arda nicht. Er hingegen schaute runter auf seine breitgespreizten Beinen. Er hatte einen festen Stand und einen kalten Gesichtsausdruck.

„Mein Name ist Fares.", sagte er nuschelnd. Ich knie mich zu ihm runter und näherte mich seinem Ohr.

„Magst du die Feuerwehr?", fragte ich ahnungslos. Er nickt hastig mit seinem Kopf. Ich schaue meinen Onkel an, der mit die Tüte mit dem großen Feuerwehrwagen Spielzeug gibt. Ich drücke ihm die Tüte in die Hand, die er auch direkt auspackt. Er lächelt und schaut mich grinsend an. Danach spüre ich seine kleinen Arme um meinen Hals. Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und bedankte mich. Ihm wurde schon früh beigebracht alles wert zu schätzen, dass sieht man anhand seiner Reaktion. Ich stehe auf, als er sich mit dem Spielzeug beschäftigt und laufe auf die Tüte mit den Frauensachen zu. Mit dieser Tüte laufe ich auf meine Schwiegermama zu.

„Es ist nicht viel, aber ich hoffe es gefällt euch.", sagte ich und reiche es ihr. Sie werden sich bestimmt innerlich das Maul zerreißen wegen den Geschenken. Für uns Mittelschicht wären diese Geschenke etwas besonderes, aber ich schätze für reiche Leute ist es etwas alltägliches.

„Das kann ich niemals annehmen!", sagte Nour überfordert. Ich lächle auf. Es gefällt ihr. Auch meiner Schwiegermutter gefällt es. Mit der Männertüte laufe ich auf meinen Schwager und Schwiegervater zu und reiche es ihnen. Sie bedanken sich, der Vater lächelt mich extra an.

„Das war doch nicht nötig!", sprach mein Schwager und lächelt mich erneut an. Meine Augen steuern zu Arda. Ein hinterhältiges Lächeln will sich auf meine Lippen legen, ich versuche es zu verstecken. Mit langsamen Schritten laufe ich auf ihn zu. Als ich vor ihm stehe, schaut er mich kalt an. Ich schaue ihn nicht anders an.

„Habe das geholt, was zu dir passt.", sagte ich und kramte die Zartbitterschokolade auf meiner Handtasche. Diese drückte ich gegen seine Brust, die er dann ergriff, mit meiner Hand.



*Çiçalok= kleines Vögelchen

ÇAVZHÎNWhere stories live. Discover now