~ 14.2 ~

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»Dass ich das nochmal erlebe!«, rief Yoongi aufgebracht durch unsere sonst verlassene Wohnung. »Unser Tae Tae ist verliebt.«

Übertrieben wie in einem dieser K-Dramen legte er sich beide Hände an die Wangen, bevor er sich danach mit ausladenden Bewegungen Luft zufächerte.

War es unser Outing oder die Tatsache, dass wir beide einfach immer noch nicht auf diese abgefahrene Situation klarkamen der Grund, dass wir uns verhielten als wären wir auf LSD?

Ich konnte es ehrlich nicht genau ausmachen, jedoch war ich das erste Mal seit Wochen in der Lage, wieder ausgelassen zu lachen.

Bereits rot anlaufend, warf ich meinem besten Freund eins der großen Sofakissen ins Gesicht. »Ich bin nicht verliebt!«, stritt ich vehement ab, meine immer röter werdenden Wangen sprachen jedoch eine andere Sprache.

Yoongi schaffte es, das Kissen galant abzufangen und es ordentlich neben sich zu platzieren.

Nachdem ich ihm alles – und damit meinte ich wirklich alles – über Jeongguk erzählt hatte, fühlte ich mich gleichermaßen befreit wie nervös.

Es kam mir beinahe vor, als hätte ich eine ungesunde Menge unaufhörlich mit den Flügen schlagender Schmetterlinge verschluckt.
Wobei - Gab es überhaupt eine gesunde Menge unaufhörlich mit den Flügeln schlagender Schmetterlinge?

Glanzvoll bewies mein Gehirn aufs Neue seine völlige Unzurechnungsfähigkeit, sobald ich an Jeongguk auch nur flüchtig denken musste. »Und was sagst du?« Gespannt blickte ich zu meinem besten Freund, aus lauter Nervosität ein Kissen umarmend.

Yoongi hingegen lachte einmal kurz auf. »Ja, was soll ich dir noch sagen? Du bist verliebt bis über beide Ohren. Ich erkenne dich so gar nicht wieder.«

Beschämt schlug ich die Hände über meinem Kopf zusammen. »Was du zu ihm sagst, wollte ich wissen«, nuschelte ich in das Kissen.

Dass ich ein hoffnungsloser Fall bin, war mir nur schmerzlich bewusst.

Mein bester Freund runzelte die Stirn. »Das kann ich echt schwer einschätzen, Tae. Ich mein, ich kenne ihn nicht, vielleicht spielt er auch nur mit dir. Sein Verhalten wirkt auf jeden Fall irgendwie verdächtig.«

Dass mein bester Freund so über Jeongguk sprach, versetzte mir einen leichten Stich auf Herzhöhe. »Jeongguk würde niemals mit mir spielen!«, verteidigte ich den Jüngeren unmittelbar, nachdem diese Worte Yoongis Lippen verlassen hatten. »Vielleicht ist er sich nur, ich weiß nicht unsicher oder ... ach keine Ahnung.« Schmollend schob ich meine Unterlippe vor. »Er ist nur so verdammt zerbrechlich, weißt du? Ich will einfach nichts falsch machen. Obwohl er eine derart starke Ausstrahlung hat und oft sehr kalt oder desinteressiert wirkt, hat er mir schon ganz andere Seiten von sich gezeigt. Ich möchte einfach nichts kaputt machen zwischen uns. Wie könnte ich es mir verzeihen, wenn er durch mich seinen ersten richtigen Kumpel direkt wieder verliert, weil ich zu notgeil war?« Verzweifelt starrte ich Yoongi an, der mittlerweile etwas näher gerückt war.

»Junge, dich erkennt man ja wirklich kaum wieder. Seit wann sorgst du dich so um andere Leute?« Der Ältere lachte grimmig.

»Yoongi man. Ich brauche Hilfe«, rief ich verzweifelt. »Ich kann nicht mehr klar denken, egal was ich sage oder tue, er ist immer in meinen Gedanken und lässt mich verrückt spielen.«

Betreten betrachtete ich meine Hände, die im rötlichen Licht der untergehenden Sonne, welches spärlich durch unsere heruntergelassenen Jalousien drang, fast orange wirkten.

Seufzend ließ ich die Schultern sinken. »Ich vermisse ihn so«, murmelte ich, den Blick immer noch fokussiert auf meine Finger.

Mitfühlend legte Yoongi mir eine Hand auf die Schulter.

Auch dieser hatte es in den letzten Monaten nicht einfach gehabt. Und trotzdem war es gerade er, der mich tröstete.

»Komm, lass mich dich auf andere Gedanken bringen.« Aufmunternd lächelte er mir zu, ehe er mich an der Hand fasste und mit in mein Zimmer zog. »Trommel deine Jungs zusammen, heute Abend lassen wir die Sau raus, wie in den alten Zeiten.«

»Meine Jungs? Ich habe buchstäblich nur zwei Freunde in diesem Kaff!« Ehrlich gesagt war mir die Lust auf Feiern in den letzten Minuten des Gespräches mit Yoongi fast gänzlich vergangen.

»Sieht einer von denen gut aus?« Seine Augen begannen zu leuchten und es schlich sich ein anzügliches Grinsen auf sein Gesicht.

Entsetzt stöhnte ich auf. »Yoongi, nein! Du bist ja schon genauso wie früher mit den Weibern. Das sind meine Freunde, also Finger weg.«

Auf der einen Seite war es seltsam, Yoongi so reden zu hören, auf der anderen Seite hatte sich doch fast nichts verändert im Vergleich zu früher, nur, dass er es jetzt scheinbar auf Männer abgesehen hatte.

Ich betete, dass er Jimin und Hobi zufrieden lassen würde, sollten sie sich tatsächlich bereit erklären, heute Abend auch zu kommen.

Derweil wurde Yoongis Grinsen breiter und er entblößte seine kleinen, schmalen Vorderzähne. »Also ist einer von denen sogar schwul?«, fragte er angetan weiter.

Grimmig warf ich ihm einen warnenden Blick zu. »Yoongi, ich sagte nein.«

»Ja ja, ist ja schon gut«, winkte er beschwichtigend ab. »Jetzt wirf dich erstmal in Schale und dann geht's los.«

So enthusiastisch hatte ich ihn selten erlebt.

War es lediglich, weil er mich aufheitern wollte oder war er tatsächlich darauf aus, heute noch jemanden abzuschleppen?

Kopfschüttelnd öffnete ich meinen Kleiderschrank und wählte lustlos mein Outfit für den bevorstehenden Abend.
Meine Wahl fiel auf ein bordeauxrotes Hemd und eine schlichte, enge schwarze Jeans.

Während ich skeptisch meine Haare, die gerade unordentlich in leichten Wellen mein Gesicht herabfielen, betrachtete, zog ich mein Handy aus der Hosentasche.

Immer noch kein Lebenszeichen von Jeongguk.

Schwer schluckend ging ich auf den Chat mit Hobi und Jimin und tippte eine Einladung für den heutigen Abend in das winzige Textfeld.
Seufzend warf ich mein Handy danach aufs Bett und fuhr mir unsicher mehrfach durch die silbernen Haare.

Das könnte ja heiter werden.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt