~ 18.8 ~

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Alleine bei dem Gedanken, diese eine Person nicht vor mir selbst schützen zu können, begann mein Körper vollkommen verrückt zu spielen.

Mir wurde heiß und kalt bei dem Anblick, wie meine Hände ferngesteuert durch seine, im letzten schmählichen Sonnenschein, schimmernden Haare, strichen, mir drehte sich der Magen um, als sie unsanft über seine gerötete Gesichtshaut fuhren, herunter zu seiner Brust, und schließlich mit einem Ruck sein zerknittertes Hemd aufrissen, sodass die kleinen, runden Knöpfe in alle Himmelsrichtungen entflohen, und es fuhr ein unbändiger Schauder durch meine regungslosen Glieder, als ich mitansehen musste, wie mein Bein sich ungehalten zwischen seine schlotternden Knie presste, ehe meine Hand sich unaufhaltsam auf den Weg zu seinem Gürtel machte.

Angsterfüllt spürte ich seine Augen auf mich gerichtet, doch er schien mich nicht wirklich zu sehen.

„Ggukie.", hauchte Taehyung mehrfach, seine Stimme brach, die pure Verzweiflung schwang in ihr.

Immer noch war ich nicht in der Lage, irgendwas auszurichten. Meine Glieder fühlten sich an wie in Blei gegossen.

Fieberhaft überlegte ich, wie ich die Kontrolle über meinen Körper zurückerlangen könnte, da sah ich auch schon, wie meine Lippen sich fordernd auf die des Älteren pressten.

Ich glaubte, mein Selbsthass war in keinem einzigen Moment meines bisherigen, jämmerlichen, armseligen und unbedeutendem Lebens so groß wie in diesem einen Augenblick.

Am Allerschlimmsten nahm ich jedoch die Tatsache wahr, dass Taehyung immer noch nicht ansatzweise begonnen hatte, sich gegen mich zu wehren.

Scheinbar willenlos ließ er den tätlichen Übergriff über sich ergehen, lediglich einige unkontrollierte Schluchzer entwichen seiner Kehle.

Ich war an allem Schuld. Ich hatte ihn so eingewickelt, dass er wohl auf eine verdrehte, seltsame Art und Weise, mich zu beschützen versuchte.

Das von mir geblendete Lamm war freiwillig in die Höhle des Löwen getaumelt und ließ sich nun mit Freuden verspeisen.

Nein, das durfte alles nicht sein.

Ich sah doch die Angst in seinen Augen.

Ich spürte doch die lähmende Verzweiflung, die von seinen Gliedern Besitz ergriffen hatte und in unregelmäßigen Abständen zitternd durch seinen gesamten Körper fuhr.

Warum verdammt wehrte er sich nicht?

Der Druck in meinem Schädel nahm weiter zu, doch die Tränen kamen nicht, als würde jemand hämisch grinsend mit dem Fuß auf meinen Tränenleitern stehen und mir süffisant zuwinken.

Verzweifelt schrie ich dem Älteren nun meine sämtliche Frustration entgegen.

Während meine, sich nicht in meinem Besitz befindenden, Hände unachtsam das zerrissene Hemd von seinen Schultern streiften, brüllte ich mir die Seele aus dem Leib, dass er weglaufen sollte, weg von diesem Ort, weg von mir.

Dass er sich umdrehen und nie wieder zurückkehren sollte.

Und obwohl mein Hals wie Feuer brannte und ich nach einiger Zeit das Gefühl hatte, nicht unerhebliche Teile meiner Lungenflügel aushusten zu müssen, verklang meine Stimme tonlos im wandlosen Nichts wie flüchtige Fußabdrücke in feinem Sand.

Verzweifelt lief ich nun umher, jede Faser meines Körpers bis zum Äußersten gespannt, und ließ meinen Aggressionen freien Lauf.

Sinnlos schlug ich um mich, trampelte mit den Füßen ungehalten auf dem Boden, der kein Boden war in dem Raum, der kein Raum war und schrie mit der Stimme, die zurzeit keine Stimme war und das alles in einem Körper, der nicht ich war, obwohl ich in ihm war.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt