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Taehyung PoV

Sanft umspielte die frische Brise, welche durch die weit geöffneten Fensterläden in mein bereits ausgekühltes Zimmer wehte, meine hellen schlichten Gardinen, ehe die ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages zart über meine Haut kitzelten und mich schließlich so schmerzhaft aus dem Land der Träume rissen.

Stöhnend wälzte ich mich auf die andere Seite und zog mir genervt die Decke über den Kopf. Wer hatte überhaupt die Dreistigkeit besessen, mein Fenster ohne meine Befugnis zu öffnen?

Normalerweise wäre ich längst auf den Beinen gewesen; gerade bei diesem herrlichen Wetter hätte ich mir wahrscheinlich unmittelbar nach Sonnenaufgang meine Kamera geschnappt und wäre losgezogen, neue Fotomotive für mein Portfolio, mit welchem ich momentan leider Gottes sowieso schon nur sehr schleppend vorankam, zu suchen.

Jedoch fühlte ich mich seit der letzten Begegnung mit Jeongguk als wäre ich von sämtlichen guten Lebensgeistern verlassen worden.

Knapp eine Woche war mittlerweile ins Land gezogen. Eine Woche, in der ich in schier purem Selbstmitleid ertrunken war.

Launisch, dünnhäutig und genervt waren wohl nur einige beinahe euphemistische Begriffe, mit denen man mich und meine Handlungen in letzter Zeit hätte treffend beschreiben können.

Abermals begann mein Herz zu schmerzen, als würden sich feine, kleine Nadeln quälend langsam durch meine Brust bohren, sobald meine Gedanken erneut an den morgen danach zurückspulten, den ich am liebsten vergessen wollte.

Mein Gesicht zu einer Grimasse verzogen, schlang ich frustriert die Arme um meine Knie, immer noch unter der Bettdecke vergraben, als würde ich versuchen, die spärlichen Bruchstücke meines Herzens jämmerlich zusammenzuhalten und zurück in meine Brust zu pressen.

Ich selbst hatte kaum noch Erinnerungen an diesen Abend.

Das Erste, was ich am darauffolgenden Morgen wahrgenommen hatte, war Yoongis erregte Stimme gewesen, die offenbar hitzig mit jemand anderem zu diskutieren schien, gefolgt von unserer Haustür, die laut knallend ins Schloss gefallen war.

Wutschnaubend war Yoongi daraufhin zurück in mein Zimmer gestapft und hatte mich lediglich eines mitleidigen Blickes bedacht, während ich noch kaum in der Lage war, zu realisieren, wo ich überhaupt war, so sehr hatte mein Kopf gepocht.

Der Schweigsamkeit meines besten Freundes hätte ich bereits entnehmen können, dass etwas nicht stimmte, doch ich fühlte mich zu elendig, als dass ich mich bewusste hätte damit beschäftigen wollen.

Es interessierte mich um ehrlich zu sein auch herzlich wenig, welches Betthäschen ihm da nun eine Szene gemacht hatte.

Stumm hatten wir den Tisch gedeckt, meine Eltern waren zum Glück über dieses Wochenende in Seoul bei meinen Großeltern gewesen, bevor ich mich erschöpft auf einen der hellen Esszimmerstühle hatte fallen lassen.

Ich hatte mir mit schmerzverzerrtem Gesicht den dröhnenden Schädel gehalten, doch trotzdem hatte sich mein Herz um einiges geschundener angefühlt.

Mit zusammengekniffenen Augen hatte ich am Tisch gesessen und verzweifelt versucht, meine lückenhaften Erinnerungen mit den so dringend benötigten Informationen zu füllen;

Nachdem ich mich nach dem Erwachen allein in meinen zerknitterten Laken gewunden hatte, die schmerzenden Glieder gereckt, und meine Nase irritiert in mein noch warmes Kopfkissen gedrückt hatte, war es mir beinahe so vorgekommen, als wenn ich Jeongguks unwiderstehlichen Duft vernommen hatte.

War der Jüngere gestern etwa hier gewesen?

Nein, das war unmöglich, wahrscheinlich war ich einfach mittlerweile so besessen von ihm, dass ich mir sogar bereits seinen Geruch einbildete.

Soweit hatte ich zumindest geglaubt.

Was Yoongi mir daraufhin hingegen ohne Vorwarnung an den Kopf geknallt hatte, während ich mich gerade zwang, etwas von dem Essen, welches ich lustlos auf dem Teller vor mir hin- und herschob, herunterzuwürgen, sorgte dafür, dass mein Mageninhalt unmittelbar danach fast darauf bestand, noch einmal das Licht der Welt zu erblicken.

»Ich hatte Recht.«, hatte der Schwarzhaarige angesetzt, mit einem Blick, welcher zu gleichen Teilen unruhig wie mitleidig den meinigen gesucht hatte.

Sämtliche nachfolgenden Worte brannten sich dann endgültig schmerzhaft in mein Gedächtnis, als ich mit dem Kopf über der Kloschüssel gehangen und mich geräuschvoll übergeben hatte.

Beruhigend hatte mir der Ältere über den Rücken gestrichen, dabei sanft auf mich eingeredet, doch die Worte hatte es nicht rückgängig machen können.

Die Worte, die laut meines besten Freundes den Mund Jeongguks verlassen haben sollten, in der Zeit, in der ich noch geschlafen hatte.

In seinen Armen wohlgemerkt.

Ich spürte wie eine Welle konzentrierter Scham sich anbahnte und drohte mich gänzlich zu übermannen.

Wie hatte ich so dumm sein können?

Wie hatte ich mir nur in meinen kühnsten Träumen ausmalen können, dass Jeongguk auch nur den Anflug von Gefühlen für mich hegen könnte?

Kein Wunder, dass die Worte, die er meinem besten Freund gegenüber gewählt hatte, entsprechend hart ausgefallen waren.

Immer brachte ich ihm nur Ärger.

Wahrscheinlich war er lediglich aus Mitleid mit mir befreundet geblieben.

Mitleid, weil ich so schrecklich anhänglich und weinerlich gewesen war.

Beschämt vergrub ich mein heißes Gesicht in den vielen, weichen Kissen meines Bettes.

Sonntag Abend, der Tag von Yoongis Abreise, hatte mich der Ältere fast gar nicht alleine lassen wollen, zu groß war seine Sorge um mich gewesen.

Er würde mich so überhaupt nicht kennen. Es sei doch nur eine Schwärmerei gewesen.

Beinahe bohrend durchfuhr ein greller Schmerz abermals meine Brust und strafte ihn lügen.

Es war so viel mehr als eine Schwärmerei gewesen. Zumindest für mich.

Gerade wollte ich einfach nur meiner Lethargie vollkommen frönen und auf alles andere pfeifen, da riss mich das schrille Klingeln meines Telefons qualvoll zurück in die Realität.

Ohne den eingeblendeten Namen auf dem Display auch nur eines Blickes zu würdigen, lehnte ich den Anruf ab, bevor ich mich stöhnend erneut auf die Seite wälzte.

Es fühlte sich an, als hätte mich sämtliche Lebensenergie verlassen und nichts zurückgelassen außer grenzenloser Antriebslosigkeit.

Beinahe dröhnend, meldete sich mein Handy erneut zu Wort, jedoch beendete ich den Anruf abermals abrupt.

Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben und mich meinem Selbstmitleid hingeben, war das denn zu viel verlangt?

Jedenfalls bekam man nicht täglich von der Person, die einem noch bis vor kurzem so viel bedeutet hatte - ein Stechen in meinem Brustkorb schalt mich wiederholt, weshalb ich mich in Gedanken selbst korrigierte; von der Person, die einem selbst jetzt immer noch verdammt viel bedeutete, gesagt, dass man emotionaler Ballast sei und dass die Person einen am liebsten nie kennengelernt hätte.

War mir nichtmal nach einer derartigen Ansage zumindest eine kleine Ruhepause vergönnt?

Das elektronische Gerät machte sich zum dritten Mal durch seinen nervtötenden Klingelton bemerkbar, wutentbrannt packte ich es und drückte fest auf Annehmen. »Um Himmels Willen, was willst du, Yoongi?«, brüllte ich in den Hörer, ehe mir auch schon eine Träne stumm die Wange hinunterlief.

Ich wollte doch einfach nur mit meinen quälenden Gedanken allein sein.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt