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Langsam begann Lucindas Zunge vom Champagner ein wenig schwer zu werden und sie musste darauf achten, dass sie sich angemessen artikulierte. Obwohl sie wahrscheinlich niemand dafür verurteilen würde, dass sie an ihrem Hochzeitstag mit einem Glas zu viel feierte.

Oder sich Mut antrank für das, was sie in dieser Nacht noch erwartete.

Seit gefühlten Stunden lief sie an Bailians Arm durch den wundervoll dekorierten Saal, begrüßte und plauderte mit den Gästen. Sie hatte den ein oder anderen Tanz hinter sich gebracht und nun schmerzten ihre Füße und sie sehnte sich nach ihrem Bett.

Nach ihrem neuen Bett.

Mühsam versuchte Lucinda sich ein Gähnen zu verkneifen.

"Vielleicht sollten wir uns langsam zurückziehen", schlug Bailian mit einem prüfenden Blick auf Lucinda vor und diese nickte, obwohl sie am liebsten ewig von all diesen Menschen umgeben geblieben wäre, um nicht mit Bailian alleine zu sein.

Es war bereits spät und einige Gäste hatten sich schon verabschiedet und waren nach Hause gegangen. Bailian und Lucinda verabschiedeten sich von den letzten Gästen, von ihren Familien und Marie umarmte Lucinda zum Abschied fest und aufmunternd.

Lucinda ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie am liebsten Marie mit auf ihr Zimmer genommen hätte und nicht Bailian. Aber diese Zeiten waren seit heute endgültig vorbei.

Ihr Blick schweifte noch einmal zu Bailians Eltern, die sie vor ein paar Stunden zum ersten Mal gesehen hatte. Die Begrüßung war aufgesetzt höflich ausgefallen und Lucinda wusste noch immer nicht, wie sie die Whites einordnen sollte.

Sie wusste lediglich, dass Lord McLocklyn den höheren Titel inne hatte und deswegen offensichtlich die Entscheidungsgewalt über das gesellschaftliche Leben seiner Schwester und ihrer Familie hatte. Langsam verstand Lucinda immer klarer, weshalb Bailian sie hatte heiraten müssen und welche Zwänge hinter dieser Verbindung standen.

Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf zu den privaten Gemächern der Familie McLocklyn. In einem eigenen Seitenflügel hatte man für diese Nacht zwei Schlafzimmer für das frisch getraute Paar hergerichtet, bevor sie am nächsten Tag nach London aufbrechen würden.

Dort würde Lucinda ihr neues Heim beziehen, Bailians Familie mit der Zeit besser kennenlernen und endgültig ihr altes Leben hinter sich lassen.

In den vielen Gängen von Longwood Manor hätte sich Lucinda mit Sicherheit verlaufen, wenn Bailian sie nicht sicher am Arm geführt hätte.

Schließlich jedoch standen sie vor einer Tür, die Bailian öffnete und ihr den Vortritt ließ. Ihre Zofe war beim Öffnen der Tür von ihrem Platz auf einem Stuhl in der Ecke aufgesprungen und stand nach einem Knicks nun mit gefalteten Händen in der Ecke, um auf weitere Anweisungen zu warten. Lucinda hörte wie Bailian hinter ihr die Tür wieder schloss und drehte sich erleichtert um, in der Hoffnung, endlich einen Augenblick zur Ruhe kommen zu können.

Aber Bailian stand nun vor der verschlossenen Tür und betrachtete sie. War es nun schon soweit? Würde er ihr nicht einmal einen kurzen Moment Zeit geben, um sich auf die neue Situation einzustellen.

Panik kroch in Lucindas Adern hoch, bis sie ihren ganzen Körper erfüllte.

"Ich werde dich nun vorerst den Händen deiner Zofe überlassen", erklärte Bailian dann jedoch und marschierte zielstrebig auf eine Verbindungstür zu, die Lucinda bisher gar nicht aufgefallen war, da sie so geschickt durch eine Tapete verborgen war.

Gerade eben hatte dort noch ein Schlüssel gesteckt und Lucindas Gedanken hatten sich schon überschlagen, da steckte Bailian den Schlüssel ein und Lucindas Mut sank erneut.

Lucinda RoseWhere stories live. Discover now