Kapitel 3

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Neugierig begutachte ich die kleine silberne Schachtel in seiner unruhigen Hand. Ihm ist wohl aufgefallen, dass ich im Augenblick nur Augen für die Dose habe. Missbillig folgt er meinen Blicken und steckt daraufhin die Box in seine Jackentasche. Unsere Escorte versucht das Gespräch ins Rollen zu bringen, doch zweifelt daran kläglich: ,,Nun ja, wenn ihr beiden Hunger habt, greift ruhig zu." Auf den Tischen vor uns stehen die köstlichsten Spezialitäten aus dem Kapitol, doch keiner von uns berührt es auch nur. Lucious schaut kurz zur Escorte, die anscheinend auch langsam zu verzweifeln beginnt. ,,Wenn ihr erstmal nicht reden möchtet ist das nicht schlimm. Ich kann verstehen, wie ihr euch im Moment fühlt.", sagt Lucious. Das ist wohl wahr, denn er selbst musste das ganze ja auch schon mal durchmachen. Und so lang ist das nicht mal her. ,,Wisst ihr, mit 16 Jahren gewann ich die Spiele. Es waren die 78sten. Ich war wahrscheinlich genau so nervös und schüchtern wie ihr, aber ihr müsst euch eurem Mentor anvertrauen. Er bedeutet viel für euch. Zum Beispiel Leben und Tod.", erzählt er weiter. Er hat definitiv unsere Aufmerksamkeit gewonnen. ,,Wollt ihr mir jetzt vielleicht auch etwas sagen?" ,,Als unser Mentor, müssen Sie uns Tipps und Tricks für die Arena geben, richtig?", fängt Levi an. ,,Ja, das stimmt. Ich wiederhole einfach das, was mein Mentor damals zu mir sagte, als ich so alt war wie ihr." Ich weiss nicht, ob ich nun auch etwas sagen soll, denn immerhin hat Levi auch mit dem Reden begonnen. Lucious hätte wohl gern ein wenig weiter erzählt, doch unsere Escorte unterbricht seinen Gedankengang: ,,Ich denke ihr solltet euch nun erstmal frisch machen. Da hinten befinden sich eure Wagonabteile." Sie zeigt auf einen breiten Gang. Ich erhebe mich vom Sofa und nehme erstmal mein Abteil unter die Lupe. Es ist groß und, wie alles hier, luxuriös. Ein schmales Bett steht in der Mitte. In dem Raum riecht es wunderbar, nach frischer Luft. Ich weiss, dass das seltsam klingen mag, aber frische Luft ist selten in den Straßen von Panem. Es gibt nicht viele Orte, an denen die Luft auszuhalten ist. Dennoch gibt es einige: Am Ende des Strandes in Distrikt 4 ist die Luft zum Beispiel traumhaft. Man riecht nur die Brise des Meeres. Wahrscheinlich gibt es noch weitere Orte, die ich nur noch nicht kenne.
Ich setze mich auf das Bett. Es ist weich und hätte ich die Wahl, würde ich jetzt sofort darauf schlafen. Doch das geht leider nicht. Es muss noch viel besprochen werden, bevor wir das Kapitol erreichen. Außerdem lässt mich die Aufregung sowie so nicht zur Ruhe kommen.
Ich schleiche aus meinem Abteil zurück in den Raum, den wir als erstes betreten haben. Ich höre Stimmen und halte kurz Inne. Es sind die Stimme von Lucious und unserer Escorte: ,,Ich sag es dir, Saphira, sie sieht ihr zu ähnlich.", höre ich Lucious sagen. Saphira? Ist das der Name unserer Escorte? Ich vermute es, denn sie antwortet daraufhin: ,,Na und? Du machst diesen Job nicht zum ersten mal. Beruhige dich jetzt und benehme dich professionell!" Ich hätte dem Gespräch gerne weiter gelauscht, doch als ich einen Schritt vor ging, um besser hören zu können, stolpere ich über den Teppich und falle auf den Boden. Das Gespräch verstummt. ,,Ist dir etwas passiert?" Hinter mir vernehme ich die Stimme von Levi. Ich sehe zu ihm auf und bemerke, dass er mir die Hand hinhält, um mir auf zu helfen. Ich nehme seine Hand entgegen. Lucious und Saphira haben das natürlich mitbekommen und rufen uns nun zu sich. ,,Jane, Levi? Es gibt gleich Essen. Ich hoffe ihr habt euch schon dafür fertig gemacht.", entgegnet Saphira. Eigentlich habe ich mir nur ein hellblaues T-Shirt angezogen und eine kurze schwarze Hose, aber ich glaube das muss reichen.
Das Essen steht bereits auf dem Tisch, als wir das Speiseabteil betreten. Diese Auswahl, unglaublich. Ich greife mir ein paar Frühlingsrollen und ein bisschen Lachs. Sehr viel Hunger habe ich nicht, denn ich bin noch ziemlich durch den Wind wegen des gesamten Tages. Beim Essen lockert sich die Atmosphäre ein wenig und es entstehen Unterhaltungen zwischen uns allen. Mal wird von unserem Heimatdistrikt geredet, dann wieder von den Spielen und Lucious erzählt uns eine kurze Zusammenfassung seiner Spiele. Im Moment ist er ja ganz freundlich, aber irgendwas ist an ihm seltsam. Zum einen, bin ich mir sicher, dass das belauschte Gespräch vorhin um mich ging und zum anderen, weiss ich immer noch nicht, was es mit dieser Dose auf sich hat.
Nach dem Essen verschwinde ich wieder in meinem Abteil. Ich lege mich auf das Bett. Lang wird es nicht mehr dauern, bis wir das Kapitol erreichen. Ich würde alles geben um jetzt doch daheim bei meiner Familie zu sein und dem Meeresrauschen vor der Tür zuzuhören.

Die 90. Hungerspiele- Rückkehr eines OdairsWhere stories live. Discover now