Kapitel 17

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,,Da waren's nur noch vier.", meint Willow. ,,Wie mitfühlend.", erwidere ich darauf nur. ,,Was? Wir sind hier immer noch in den Hungerspielen. Vergiss das mal nicht.", antwortet sie. Nach einigen Sekunden der Stille, fing Willow wieder an zu reden: ,,Können wir jetzt den eigentlichen Plan durchführen?", fragt sie. Ein leichtes Nicken mit dem Kopf von mir genügte ihr als Antwort. Ich gehe hinüber zu dem Baum, an dem mein Dreizack lehnt, und nehme ihn mir. Dann sehe ich zu Willow. Sie hält das Schwert in der Hand, mit dem sie Nick getötet hat. ,, Willst du das etwa mitnehmen?", will ich von ihr wissen. ,,Ja, warum nicht? Er kann es ja nicht mehr gebrauchen.", meinte sie und zeigte mit dem Schwert leicht auf Nick. ,,Lass es hier.", fordere ich. ,,Nein, wieso sollte ich? Es ist ein gutes Schwert.", gibt sie als Antwort. Ich bin gerade einfach nicht in der Stimmung, um mit Willow zu diskutieren, deshalb lasse ich sie das Schwert mitnehmen. Nick's Rucksack verstecke ich in einem Gebüsch. Man weiss ja nie, ob man den mal braucht.
Dann machen wir uns auf den Weg, um die verbliebenen zwei Karrieros zu finden. Die Sonne steht gerade ca. im Zenit, also deute ich, dass es mittags ist.
,,Was denkst du, wo sie sich aufhalten?", fragt Willow. ,,Keine Ahnung. Ich vermute bei den Felsen oder am Füllhorn.", antworte ich. ,,Für unseren Plan wäre das Füllhorn am besten.", ergänzt sie. Damit beschließen wir uns auf den Weg zum Füllhorn zu machen. Wir klettern an der Felswand hinauf. Einige Male rutsche ich ab, denn die Steine unter meinen Füßen geben ständig nach und bröckeln ab. Willow scheint kaum Schwierigkeiten beim Klettern zu haben. Sie besteigt den Felsen wie ein Eichhörnchen. Ihre kleine Größe macht sich dafür gut. Oben angekommen halten wir uns ziemlich geduckt. Ich sehe niemanden. ,,Ich schätze, dass sie doch nicht hier sind.", flüstere ich. Doch schon im nächsten Moment erübrigt sich dieser Verdacht. Auf der anderen Seite des Füllhorn kommen, nicht gerade leise, Stimmen immer näher. ,,Das ist alles dein Verdienst!", höre ich Lucilia rufen. Ich hatte gehofft, dass es ihre Kanone war, die vorhin ertönte, doch vermutet hatte ich es eigentlich nicht. ,,Komm mal runter! Wer hat denn seine Axt nach ihm geschleudert?", antwortet eine männliche Stimme daraufhin. ,,Wer ist es?", flüstert Willow leise. ,,Ohne Zweifel, Levi.", erwidere ich.
Damit war es der Junge aus Distrikt 3, den es erwischt hat. Er war wahrscheinlich der Einzige, der es auch nur ein bisschen verdient hätte, diese Spiele zu gewinnen. Er wäre schlau genug dazu gewesen. Doch Lucilia's Axt hat ihm einen Strich durch den Plan gemacht. ,,Was wollen wir jetzt überhaupt hier?", brüllt Lucilia. ,,Wir müssen unsere Vorräte aufbessern und ich möchte nach Verbandszeug schauen.", erklärt Levi. ,,Als ob du so etwas hier findest.", sagt Lucilia lachend. Ich erinnere mich, dass es sich im meinem Rucksack etwas Verbandszeug befand, deshalb müsste es doch auch etwas davon im Füllhorn geben.
Wir beobachten Levi und Lucilia wie sie im Füllhorn verschwinden. Lucilia kommt prompt wieder hinaus. Kurz danach folgt Levi. Er hält eine Rolle Verband in den Händen. Lucilia fuchtelt bloß wild mit ihrer Axt in der Luft herum. ,,Der Plan steht noch, richtig? Oder willst du jetzt kneifen wegen deines Distriktpartners?", fragt Willow und sieht mich vorwurfsvoll an. ,, Ganz bestimmt nicht. Der Plan wird durchgezogen und er wird gelingen.", gebe ich daraufhin als Antwort.
Willow nickt leicht und macht sich, wie ausgemacht, auf den Weg zur anderen Seite des Füllhorns.
Ich bleibe wo ich bin und beobachte Levi und Lucilia. Ich frage mich, ob Levi weiss, dass dieses Mädchen ihn bloß ausnutzt. Sie benutzt ihn als Schutzschild gegen uns. Besonders gegen mich. Sie hat ja das Interview im Capitol von Levi ebenfalls mitbekommen und hat sich damit irgendwas zusammengereimt. Vielleicht hat Levi ihr noch irgendwas erzählt damit sie ihn verschont und bis zum Schluss ,,aufbewahrt".
Willow gibt von der anderen Seite das Handzeichen, damit mit wir mit dem Plan beginnen können. Meine einzige Aufgabe ist es, die beiden abzulenken und sie auf mich zukommen zu lassen. Ich habe geplant so zu tun, als ob ich auch gestochen wurde und mich völlig anders zu verhalten, als ich eigentlich bin. Ich reiße mir den Ärmel an meiner Jacke ein, damit sie von selbst darauf kommen, dass ich gestochen wurde. Jetzt oder nie..
,,Hey!", brülle ich, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. ,,Jetzt sind nur noch wir drei übrig!", füge ich hinzu. ,,Was will die denn jetzt?", höre ich Lucilia zu Levi sagen. ,,Ich will gewinnen!", rufe ich. ,,Der zeige ich, wer hier gewinnen wird!", antwortet Lucilia und stampft auf mich zu. Perfekt, der Plan geht auf. Levi trottet ihr ruhig hinterher. Er hegt keine Zweifel daran, dass Lucilia den Kampf für sich gewinnt. ,,Na, komm doch her!", sage ich, um sie noch mehr zu provozieren. Jetzt steht sie direkt mir gegenüber. Es ist einzig und allein der Kreis aus Wasser, der die komplette Fläche, mit dem Füllhorn in der Mitte, umgibt, der uns trennt. ,,Komm doch her!", fordere ich sie auf. Sie zögert und somit weiss ich jetzt hundertprozentig, dass sie nicht schwimmen kann. Hinter ihr sehe ich,wie sich Willow langsam anschleicht. Das Problem ist nur, dass Levi stehen geblieben ist und sich das ganze aus der Entfernung ansieht. Plötzlich bekomme ich die blöde Vermutung, dass Willow vorhat ihn zu töten, um an ihm vorbei zu kommen.
,,Jane Odair, so unschuldig... und so was von erledigt!", schreit Lucilia auf einmal. Dann holt sie mit ihrem Arm aus und wirft ihre Axt nach mir. Ich weiss, dass sie sonst nie ihr Ziel verfehlt. Ich versuche in Sekundenschnelle zu überlegen zu welcher Seite ich mich wegducke, doch da ist es schon zu spät. Ich schaffe es noch einen kleinen Schritt nach links zu machen, doch die Axt streift mich am Bauch und fällt dann den Berg hinab. Ich sehe an mir herunter und erblicke die klaffende, blutende Wunde. Sofort packe ich meine Hand kräftig darauf, um das Blut zu halten. ,,Tja, den Mund wohl zu voll genommen, he?", höhnt Lucilia und freut sich über ihren kleinen Triumph. Ich blicke weiterhin zu Boden. ,,Sieh mich an, Jane!", verlangt Lucilia. ,,Ich soll das letzte sein was du erblickst, bevor du jämmerlich verreckst!", erklärt sie. Ich sehe ihr also in ihr Gesicht. Ihr schadenfrohes Grinsen gibt mir die letzte Kraft, um ihr diesen Spruch noch an den Kopf zu hauen: ,,Hey Lucilia, der letzte lacht am besten.".
,,Wie meinst du das, Odair?!", fragt Lucilia verwirrt. Ich muss ihr nicht antworten, denn im nächsten Moment erklingt ein schriller Schrei und ein lautes Aufprallen auf dem Wasser ist zu hören. Ich sehe nochmal leicht auf und sehe, wie Lucilia wild mit den Armen herumwirbelt. Willow steht tropfnass auf der anderen Seite, wo zuvor noch Lucilia stand und nickt mir zu. Das ist mein Zeichen dafür, dass ich endlich einen Schlussstrich setzten kann. Ich nehme das Wurfmesser aus meinem Jackeninneren und werfe es ohne langes zögern in ihren Nacken. Kurz hielt sie sich noch rudernd an der Oberfläche, doch nach wenigen Sekunden erklang die Kanone und sie regte sich nicht mehr.
Im ersten Moment bin ich ziemlich froh, sie endlich losgeworden zu sein, doch dann fällt mir ein, was jetzt folgt. Willow und ich starren uns an. Ich weiss, dass ich im Moment sehr verwundbar bin, denn ich kann weder weglaufen, noch schwimmen oder mich großartig geschickt im Nahkampf schlagen kann. Das hat Willow sich so gut zurückgelegt. Deshalb hat sie noch einige Sekunden hinter Lucilia gewartet, bevor sie sie ins Wasser stieß. Sie wusste, dass Lucilia alles geben wird, um mich zu verletzen oder zu töten. Warum hab ich das nicht schon eher erkannt? Ich hätte das sofort durchschauen müssen. ,,Du hast das so geplant, hab ich recht?", hauche ich in ihre Richtung. ,,Es kann nur einen Gewinner geben, das weisst du doch.", antwortet sie ohne jeglichen Ausdruck in ihrem Gesicht. ,,Und das wirst ganz sicher nicht du sein.", hört man auf einmal eine weitere Stimme hinter Willow. Eine bekannte Stimme. Levi steht direkt hinter ihr und als sie aus Reflex herumfährt, rammt er ihr sein Schwert mitten in den Bauch. Sie krümmt sich und sinkt zu Boden. ,,Du dachtest doch nicht wirklich, dass Betäubungspfeile viel ausrichten?", fragt er Willow. Sie presst sich die Hände auf den Bauch und sieht zu Boden. Dann sehe ich in Levi's Gesicht und erkenne sofort, dass er dem ganzen noch den Rest geben will. Er hebt sein Schwert mit beiden Händen in die Höhe und schlägt es ihr direkt auf das Genick. Das letzte was ich sehe bevor ich die Augen zusammen kneife, ist Willow's Kopf der in das Wasser rollt. Das er zu solchen Mitteln fähig ist hätte ich nie von ihm vermutet. Ich gehe plötzlich jede mögliche Art durch, wie er mich umbringen könnte. Eigentlich sollte ich schauen was er macht und ob er sich mir nähert, doch mir fehlt die Kraft mich aufzurichten. Mein gesamter Körper ist verkrampft und es scheint so als ob die Hoffnung auf den Sieg vergangen sei, doch dann berührt sie mich an der Schulter. Seine Hand.

Die 90. Hungerspiele- Rückkehr eines OdairsWhere stories live. Discover now