I.

238 19 4
                                    

CHAPTER ONE
even though your smile made me smile too
---

Alles begann Mitte April. Wie üblich in diesem nasskalten Monat, schüttete es wie aus Eimern.
Das lautstarke Prasseln der etlichen Tropfen, die auf dem Boden aufkamen, glich einer kaputten Schallplatte, welche immer und immer wieder die gleiche Tonspur von sich gab.

Die Welt schien durch die aber tausenden Pfützen immer mehr und mehr zu verschwimmen. Es wirkte alles so bleich, gar gräulich und wie in diesen 0815 Dramen.
Überall hatten sich die kleinen Wasserstellen gesammelt. In jedem Makel, in jedem Löchlein des mittlerweile sehr veralteten Sandweges des heruntergekommenen Parkes, in dem ich mich, um meinen Weg zu verkürzen, seit einigen Minuten befand.

Dicke, graue Wolken verdeckten den gesamten Himmel, der in letzter Zeit ganztägig in einen wunderschönen Blauton getaucht war. Es wirkte alles so, als wäre jemand gestorben. So emotionslos, trocken und verlassen.
Die sonst so hell strahlende Sonne schaffte es noch nicht mal einige Lichter durch die dircke Wolkendecke hindurch zu schummeln.
Trauerte das Wetter etwa? Trauerte es über diese hoffnungslos kaputte Welt, die niemand mehr retten konnte?

Mein Umfeld schien so, als hätte man einen dunklen Filter über die Atmosphäre gelegt.
Alles war in eine abgeschwächte Farbe getaucht, so, als wäre es schon spät abends und die Sonne wäre gerade voll und ganz dabei, hinter den nahe gelegenen Hügeln zu verschwinden.

Es war jedoch erst knapp 14 Uhr. Normalerweise würde ich um diese Zeit in meinem Bett verschwinden und meine Augen erst am späten Nachmittag wieder mit der Außenwelt bekannt machen.
Doch meine Verwandten, von denen ich noch nicht mal die Hälfte kannte, hatten ausgerechnet heute, an einem verregneten, einfach nur unschönen Samstag, ganz andere Pläne.
Auf einer Geburtstagsfeier solle ich vorspielen, auf dem Piano.
Letzten Endes fiel mir dann aber ein, dass ich den mittlerweile siebzig jährigen Mann noch nicht mal kannte, welcher meine jahrelange Übung ausnutzen wollte.

Ebenso fiel mir ein, dass diese Feier in weniger als zehn Minuten stattfinden solle und ich Idiot wiedermal zu spät war. Mit dem Regen hatte ich natürlich auch nicht gerechnet und dem Wetterbericht, der normalerweise immer versprach, unglaublich genau zu sein, erging es wohl auch nicht anders.
Meine Dummheit hatte mich malwiedrt eingeholt, weshalb ich nicht mal die Möglichkeit hatte, mir eine Jacke überzuwerfen oder einen dieser verstaubten Schirme aus meinem unordentlichen Schränken zu kramen.

"Verdammte Scheiße.", flüsterte ich heiser, als mein Blick auf die silberne Armbanduhr an meinem rechten Handgelenk fiel. Prompt presste ich meine Zähne zusammen, knirschte mit diesen und starrte regelrecht auf den fortlaufenden Weg vor meiner Wenigkeit.
Meinen Plastikhefter, worin sich so gut wie alle Notenblätter befanden, fester an mich drückend, sprintete ich weiter, versuchend nicht in jede Pfütze vor mir zu treten.

Das Plätschern und Prasseln der eiskalten Regentropfen wurde immer lauter, ich könnte sogar meinen, dass es sogar mittlerweile begann, in meinem Kopf widerzuhallen.
Auch die tapsenden Schritte meinerseits, die im Sekundentakt auf dem matschigen Boden aufkamen, schienen wie auf einer kaputten Schallplatte immer und immer wieder abgespielt zu werden.

Die teuren Lackschuhe meines Vaters, welche er mir vor Jahren überreicht hatte, würden mit dieser Aktion ein für alle Mal hinüber sein – da war ich mir komplett sicher.
Auch der Stoff meines schwarzen Anzuges, der mich eine gefühlte Millionen gekostet hatte, würde nach diesem Schauder drei Nummern zu klein sein.

Ich hasste den Regen einfach.
Noch nie konnte ich diese Menschen verstehen, die Gefallen daran hatten, den trillionen Tröpfchen beim herabfallen zuzusehen oder zuzuhören.
Für mich war Regen eine dieser Sachen, auf die ich unglaublich gerne verzichten würde.

petrichorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt