VIII.

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CHAPTER EIGHT
late night messages
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Hey. Ich kann schon die ganze Nacht nicht schlafen. Es gewittert...Lust vorbeizukommen?
Das grelle Licht des Displays meines Handys war wie ein Scheinwerfer auf mein Gesicht gerichtet. Doch trotz des stechenden Schmerzes, welcher mein dunkles Augenpaar wie ein Blitz durchzog, konnte ich ganz genau erkennen was da in schwarzer Schrift vor mir stand.
Hoseok hatte mir geschrieben, es konnte auch nur er gewesen sein. Er war immerhin der Einzige, mit dem ich schrieb, was den Chat zwischen mir und dem Schwarzhaarigen in den letzten fünf Monaten ziemlich voll werden ließ.
Erst durch seine Nachricht spitzten sich meine Ohren und konnten das laute Trommeln des Regens wahrnehmen, was manchmal von einem Grummeln oder einem Donnern begleitet wurde.

Er hatte mir schon oft erzählt, dass ihm Gewitter Angst machten, so gut wie immer schlaflose und angsterfüllte Nächte mit sich brachten.
Eigentlich wollte ich weiterhin auf meinem bequemen Schreibtischstuhl sitzen, leise Musik durch die Kopfhörer in meinen Ohren auf mich einklingen lassen und die Wärme der dicken Wolldecke durch meine Glieder fließen lassen. Doch der Gedanke an Hoseok, der zitternd mit einem angstvollen Glitzern in den Augen in seinem Bett lag und seine Decke scheu bis hoch zu seiner zog, stimmte mich sofort um.

Natürlich. Bin sofort da.

"Weißt du, Hyung?", erklang die sanft murmelnde Stimme meines Nebenmannes und brach die angenehme Stille, die im Raum lag. Ich grummelte nur kurz auf, um ihm zu versichern, dass ich ihm zuhörte und noch nicht im Land der Träume versunken war.
Meine Augen waren dennoch geschlossen, ruhig vor mir hinatmend verfolgte ich jeden kleinen Lichtpartikel, der in meiner Sicht auftauchte und nach einigen Sekunden wieder verblasste.
Schon seit einigen Minuten lagen wir stumm in dem riesengroßen Bett Hoseoks, trotz alledem waren wir ziemlich nah aneinander gerückt – wenn man das nennen konnte.
Über unseren Köpfen hatte ein Klappfenster Platz gefunden, er hatte mir schon oft erzählt, dass er oft die Sterne durch dieses beobachtete.

"Man kann das Leben perfekt mit dem Regen vergleichen. Ich würde sogar behaupten, dass es eins-zu-eins dasselbe ist.", erzählte er weiter und erinnerte mich schwer an meimen Großvater, der es liebte mich mithilfe einer Geschichte und seiner sanften und dennoch rauen Stimme zum einschlafen zu bringen.
Kurz runzelte ich die Stirn, nicht wissend was er mir damit sagen wolle.

Doch bevor ich auch nur etwas von mir geben konnte – sei es ein verwirrtes Geräusch oder ein ungläubiger Blick – sprach er nach einem kurzen Lachen weiter, so als wäre ihm bereits bewusst, dass ich keinen geringen Plan von seinen Erzählungen hatte.
"Es gibt viele, die den Regen lieben, ihn wertschätzen und ihn gerne haben. Genau so ist es eben mit dem Leben.", fuhr er fort, was meine Augenlider aufschnellen und mich wieder zu dem Klappfenster genau über mir schauen ließ. Der Mond schien hell in das aufgeheizte Schlafzimmer, trotz der dicken Wolkendecke, die auf dem Himmel lag.
Manchmal zuckte ein Blitz durch den schwarzen Nachthimmel.
"Dann gibt es jedoch auch Leute, die den Regen abgrundtief hassen und lieber darauf verzichten.". Seine Stimme wirkte aufeinmal anders, so als würde er immer mehr in seinen Gedanken versinken.
Etwas besorgt drehte ich meinen Kopf nach rechts, langsam, um auch keinerlei Geräusche zu machen.

Ich konnte genau erkennen wie Hoseoks Augen glitzerten, sein Seitenprofil wurde perfekt von dem bläulichen Mondlicht angestrahlt und wie durch einen schwachen Filter in Szene gesetzt.
Es dauerte eine Weile bis er weiter sprach, sein Gesicht bewegte sich ebenfalls in meine Richtung. Niemand von uns bewegte auch nur einen Muskel, unsere Augen fokussierten sich stumm.
"Und in einigen Köpfen von den Menschen...da zieht eben manchmal ein Gewitter auf.", beendete er seine Sätze.

"Was willst du mir damit sagen?", fragte ich. "Geht es dir gut?".
Doch er blieb nur stumm. Im nächsten Moment konnte ich auch schon wahrnehmen, wie seine Augen über mein Gesicht tanzten, sie schienen jeden Millimeter für einige Sekunden zu fokussieren und sich bis hin zu meinen Lippen bewegten.
Augenblicklich musste ich schlucken. "Hobi...irgendetwas ist doch. Ich kenn dich immerhin schon fast seit einem halben Jahr.", hauchte ich, man konnte genau den besorgten Unterton  in meiner Stimme hören. Obwohl ich bereits leicht panisch war, was wohl als nächstes passieren könnte blieb ich stumm, immer noch auf eine Antwort meines Gegenübers wartend.

Mir kam es im nächsten Moment so vor, als würde er sein Gesicht um einige Zentimeter nach vorn bewegen, in Zeitlupe, immer noch nichts von sich gebend.
Seine Augen schlossen sich daraufhin, unsere Gesichter bereits so nah, dass es nur noch eine winzige Bewegung brauchen würde, um unsere Nasen in Berührung zu bringen.
Doch genau als ich einen leicht zittrigen Atem auf meinen Lippen spüren konnte brach ich das Eis.

"Hobi?", gab ich etwas deutlicher von mir, bewegte meinen Kopf in genau die entgegengesetzte Richtung und ließ meinen Gegenüber schwerstens zusammenzucken.
"Ehh ich...", stotterte er, seine Augen schienen beinahe so groß wie Golfbälle, trotz des schwachen Lichtes konnte ich erkennen wie seine Gesichtsfarbe immer weiter ins Rote anstieg. "Nichts! Nichts...du kennst mich doch. Nur ein Hirngespinst. Immerhin ist es drei Uhr morgens. G-gute Nacht!", gab der Schwarzhaarige hastig von sich und drehte sich um, die Decke bis zu seinen Ohren ziehend, um wahrscheinlich die Röte in seinem Gesicht von der Außenwelt fernzuhalten.

Mir entwich nur ein leises Kichern, auch ich zog die besagte Decke etwas mehr über meinen Körper.
"Dir auch eine gute Nacht."

Eigentlich beschloss ich meine Augen zu schließen, einfach einzuschlafen, immerhin hatten wir schon so unglaublich oft im selben Bett geschlafen.
Doch so, wie ich da neben ihm lag, so eng aneinander gerückt, dass meine Schulter und sein Rücken miteinander machten, wurde mir um einiges wärmer.
Ich wusste dabei jedoch, das es nicht wegen der angenehmen Wärme der Decke war, die uns beide wie ein Kokon umwickelte. Es war eine Wärme, die ein grässliches, aber gleichzeitig ein wundervolles Kribbeln durch meine Brust jagte. Ein Kribbeln, was mein Herz deutlich schneller und fester gegen meinen Brustkorb hämmern ließ, mir den Speichel wegnahm und meine Ohren erglühen ließ.
Und durch dieses eine Mädchen, was mir vor langer Zeit, ich glaube es war in der siebten Klasse, das Herz gestohlen hatte, wusste ich ganz genau was dieses Kribbeln bedeutete.

petrichorWhere stories live. Discover now