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CHAPTER FIVE
just forget another thing
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Ein lautes Klingeln durchschnitt die Luft und ließ meinen ganzen Körper wie auf Knopfdruck inne halten. Meine Finger, die zuvor noch auf den Tasten des Pianos vor mir gelegen haben, erstarrten und ließen somit die sanften Klänge des Instrumentes in der Luft verklingen.
Meine müden Blicke flogen nur so durch den halbdunklen Raum, in dem stickige Luft schlief und sich das Sonnenlicht von draußen schwer tat sich durch die dicken Vorhänge an den Fenstern zu kämpfen.
Ich wusste bei Gott nicht welche Zeit es mittlerweile schlug, war die ganze Nacht wach und hatte noch nicht einmal eine Ahnung davon, was mich die wach hielt.

Es dauerte gefühlte fünf Minuten bis ich dann realisierte, dass es nur Hoseok sein könnte, der da an meiner Tür stand – weshalb ich meinen Plan, den Besucher einfach zu ignorieren, schnell wieder einstecke.
Schnell stand ich auf, vielleicht auch etwas zu schnell, da meine Sicht kurzzeitig kleine Sternchen zeigte und ich mein Gleichgewicht an dem Hocker, auf dem ich viele Stunden zuvor saß, wiederfinden musste.
Ich kam mir so unglaublich dumm vor, nicht nach der genauen Zeit gefragt zu haben. Der Satz "Ich hole mir den Schirm dann morgen bei dir ab." brachte immerhin nicht allzu viele Informationen mit sich.

Ich stolperte beinahe über jeden einzelnen Schritt den ich daraufhin tat, schaffte es dennoch irgendwie zu meinem Fenster, wo ich erst einmals die dicken Vorhänge zur Seite schob.
Warmes Licht, welches in meiner Nase kitzelte, lag nun in der Luft. Man konnte sogar einzelne Sonnenstrahlen erkennen, die auf den Boden fielen in mithilfe ihres starken Lichtes die unzähligen Staubkörnchen in der Luft geheimnisvoll zum Glitzern brachten.

Dann flog mein Blick durch meine Wohnung, die unordentlicher nicht hätte sein können.
Man konnte noch nicht einmal den sonstig dunkelbraunen Parkettboden erkennen, so vollbepackt war er mit etlichen Notenblätern, zerknülltem Papier und aber tausenden Shirts und Hoodies.

Einen von diesen Pullovern schnappte ich mir, zog ihn mir über das weiße Shirt welches ich trug.
Ich musste noch nicht einmal in den Spiegel schauen um mir ausmalen zu können, wie fertig ich sicherlich aussah. Dunkle Ringe würden unter meinen Augen entstanden sein, die meine Augen nur einen Spalt groß erscheinen ließen. So blass wie eine Leiche müsste ich sein, obwohl ich wusste, dass mich auch sonst schon viele genau so beschrieben – so weiß wie ein Stück Papier.
Wie spitzte Zahnstocher müssten meine silberfarbenen Haare in alle erdenklichen Richtungen abstehen.
Ich müsste totkrank aussehen, obwohl mich nur ein leichter Husten plagte.

Es blieb mir keine Zeit mehr die gerade erwähnten Blätter auf dem Boden einzusammeln, geschweige denn mich herzurichten. Weshalb ich einfach die Kapuze des tintenfarbenen Pullovers aufsetzte und hoffte, dass dieser wenigstens einige Strähnen meiner Haare verdeckte.
Kurz räusperte ich mich, da ich genau wusste wie rau meine Stimme doch sein konnte und stolperte in schnellen Schritten zur Haustür.

Hoseok stand somit gegenüber von mir, der petrolblaue Sweater den er trug schien seine glänzenden Zähne, die sich durch das breite Lächeln seinerseits zeigten, noch viel heller erscheinen.
Seine Augen glitzerten mich an, woraufhin ich nicht anders konnte als zurückzulächeln.
"Das hat sich wunderschön angehört.", gab er anstatt einer Begrüßung von sich und wollte damit auf die Pianoklänge von vor ein paar Minuten aus.
Dann wurde ich auch schon in eine kurze Umarmung gezogen, meine Nase wurde dann in binnen von Sekunden wieder mal von dem Lavendelduft gekitzelt.

"Danke..", erwiderte ich. Meine Stimme klang heiser, ausgelaugt würde man meinen. So als hätte ich die letzten paar Stunden mit Schreien verbracht.
Mein Gegenüber schien dies sofort zu merken. "Geht es dir nicht gut?", wollte er wissen, seine Miene verdunkelte sich prompt, etwas besorgt sah er mich an. Ich schüttelte mit dem Kopf, nicht wollend, dass er wusste wie lange ich bereits schon wach bin.

Doch es war so als hätte er meine Gedanken gelesen. "Du hast die ganze Nacht nicht geschlafen, hab ich recht?", fragte er vorsichtig, sein Blick wie ein Speer auf die nachtschwarzen Ringe unter meinen Augen gerichtet.
Ein einfaches Grummeln verließ meine Lippen, nicht wissend was ich sagen solle blieb ich stumm, in irgendeine Ecke des Türrahmen starrend.
"Schlaf ist wichtig.", meinte er. "Gib mir schnell meinen Schirm und versprich mir, dass du sofort schlafen gehst sobald ich weg bin.", befahl er mir schon fast und lachte daraufhin kurz auf.

Schnell griff ich nach dem gerade benannten Schirm, der etwa einen Meter vor dem Türrahmen an die Wand lehnte und spürte in den paar Sekunden die Blicke des Braunhaarigen förmlich auf mir brennen.
Dann drückte ich ihm den Schirm auch schon in die Hand, meine Lippen etwas zusammenpressend. "Tut mir Leid, dass ich den gestern vergessen habe-" – "Ist schon okay.", kam es wie aus der Pistole geschossen von ihm, wir beide lachten daraufhin.

"Also...", kam es nach kurzes Stille von uns beiden, es war fast so als hätten wir es beide genau gleichzeitig von uns gegeben. Ein peinlich berührtes Lachen kam von der Seite des Jüngeren, etwas verlegen aussehend kratzte er sich am Hinterkopf.
"Du versprichst mir, dass du jetzt schlafen gehst?", wollte er wissen und hielt mir seinen kleinen Finger hin.

Es schlich sich daraufhin nur ein weiteres Lächeln auf meine dünnen Lippen, das was immer passierte, sobald er genau so zu mir war.
Ich verschenkte den meinen keine Sekunde später mit dem kleinen Finger von meinem Gegenüber. Zwei Minuten später verabschiedete er sich auch schon, Termine standen an, meinte er.
Eine Weile blieb ich in der immernoch geöffneten Tür stehen, seufzte leise und kümmerte mich gar nicht um den frostigen Windzug, der in sich in meine Wohnung schlich.
Ein Gedanke flog durch meinen Kopf, bei dem ich mir hätte selbst vor die Stirn hauen können:

Hätte er nicht wieder etwas vergessen können?

petrichorWhere stories live. Discover now