XII.

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CHAPTER TWELVE
another thunderstorm
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Ein tiefschwarzer Raum baute sich vor mir auf. Keine Fenster, keine Türen, keine Wege aus diesem zu fliehen. Ich war allein, ganz allein und auf mich gestellt.
Die Luft war eiskalt und prickelte auf meiner erhitzten Haut, erschaffte eine kribbelnde Gänsehaut, die sich über meinen ganzen Rücken zog.
Einige Male drehte ich mich um meine eigene Achse, in der Hoffnung irgendjemanden oder irgendetwas zu finden. Doch meine Augen konnten nichts erfassen, jedenfalls nichts außer unendlicher Schwärze.
Ich konnte genau mitbekommen wie mein Herz mit jeder einzigen Sekunde kräftiger gegen meinen Brustkorb hämmerte. Mir kam es so vor als könnte man die Töne von diesem schon hören. Meine Venen drückten kräftig gegen meine Arme und brachten diese mit jedem Herzschlag deutlich zum Zucken.

Ich wusste nicht weshalb sich mein Körper gerade in einer solchen Phase befand, wieso mein Herz so schnell pochte als hätte ich einen Marathon hinter mir oder weshalb ich auf einmal den Drang hatte zu rennen. Dabei war mir jedoch nicht bekannt ob ich vor etwas wegrennen oder eben gerade dieses etwas finden wollte.
Mein Verstand setzte aus, was meine Beine wiederum dazu brachte sich in schnellen Schritten nach vorn zu bewegen.
Mir war nicht bekannt wohin und ebenso nicht, ob ich noch etwas anderes außer pure Dunkelheit finden würde.

Nach einigen Schritten, die wie ein endloses Echo durch die Umgebung hallte, konnte meine Nase jedoch etwas wahrnehmen.
Es roch auf einmal verdammt stark nach Lavendel.
So stark, dass es fast schon in meiner Nase zu kribbeln begann und ich den Drang hatte diese mit meiner Hand zu verdecken.

Mir kam der Geruch so bekannt vor, jedoch konnte ich in diesem Moment nichts anderes tun außer zu rennen, immer und immer weiter.
Vor mir baute sich nach einer gefühlten Ewigkeit ein grelles Licht auf, was einer Straßenlaterne glich. Diese fing in wenigen Sekunden an zu flackern und ich hätte schwören können, dass ich ab diesen Moment an eine dunkle Gestalt in dem Lichtkegel entziffern konnte.

Je näher ich kam desto klarer wurde die Gestalt. Ebenso konnte ich erkennen wie das Flackern immer stärker wurde.
"Hobi..?", flüsterte ich leise als ich nun genau erkennen konnte wer da knappe zehn Meter vor mir stand und von dem Lichtkegel bestrahlt wurde.
Doch er antwortete nicht, sein Kopf war gesenkt, was seine schwarzen Haare beinahe perfekt über sein ganzes Gesicht fallen ließ.
Ich beschloss einige Schritte nach vorn zu machen, mich ihm zu nähern und zu fragen was los seie. Doch aufgehalten wurde ich von einem plötzlichen Regen, der wie aus Eimern auf mich und den Jüngeren herabschüttete. In Sekundenschnell war all meine Kleidung aufgeweicht und auch meine Haare hangen in klitschnassen Strähnen über meiner Stirn.

"Hobi!", versuchte ich zu rufen, doch er verstand nicht. Ebenso wurde meine Stimme fast komplett von dem lauten Prasseln des plötzlichen Schauers übertönt.
Ich versuchte weiterzurennen, immer wieder nach ihm zu rufen, doch es kam mir so vor, als würde er sich mit jedem Schritt noch ein Stückchen weiter von mir entfernen.

Weshalb ich stehen blieb. Wie angewuzelt, mich keinen Millimeter bewegend.
Ich betrachtete das Spektakel stumm, kein einziges Wort floss über meine Lippen.
Der Schwarzhaarige hatte inzwischen seinen Kopf gehoben, sah mich mit leeren Augen an, welche selbst von hier aus ziemlich rot und geschwollen aussahen.
Es wirkte alles so verschwommen, so wie Wasserfarbe, wenn man diese mit zu viel Wasser vermischte. Dennoch kniff ich meine Augen zusammen, mich nur auf ihn konzentrierend.

Wenig später konnte ich erkennen wie er tatsächlich einen verzweifelten Gesichtsausdruck aufsetzte und nicht mehr nur verweint aussah, sondern dies mittlerweile auch tat.
Es war durch den Regen schwer zu erkennen, dennoch konnte ich sehen, wie dicke Tränen aus seinen Augen kullerten und sich allesamt auf seinen Wangen sammelten.
Seine Hände wanderten zu seinen nassen Haaren, an diesen zog er kräftig und hielt sich ebenfalls daran fest. Mittlerweile übertönte sein ohrenbetäubendes Schluchzen die lauten Geräusche des Regens. Sie waren so unglaublich laut, so als würde jemand den Lautstärkeregler immer und immer lauter drehen.
Er begann auf und ab zu laufen, anscheinend dachte er verzweifelt und kränklich über etwas nach, für was es keine Lösung gab oder diese eben zu schwer zu finden war.

"Hobi, hör auf!", schrie ich. Und wie aus dem nichts verstummte alles. Der Regen hörte auf, sein Schluchzen stoppte. Es waren höchstens die leicht angetrockneten Tränen auf seinem Gesicht, die nicht verschwunden waren.
Mein Kopf legte sich wie automatisch in die Schräge, fragend sah ich meinen Gegenüber einige Meter vor mir an.
Hatte ich nun etwa magische Kräfte?

"Was ist denn bloß los?", wollte ich mit besorgter Stimme wissen, mein Blick fokussierte ihn bis aufs Kleinste. "Ist...ist etwas passiert? Kann ich dir helfen..?"
Doch er schüttelte den Kopf, antwortete daraufhin eine ganze Weile nicht. Er stand einfach da, mich ansehend. Ein immer weiter wachsendes Lächeln hatte sich auf sienen Lippen gebildet, ich verstand somit rein gar nichts mehr.

"Erst wenn der Regen ein Ende hat.", flüsterte er jedoch nach einiger Zeit, ich verstand dabei erst recht nicht warum ich seine Stimme bei solch einer großen Entfernung dennoch so perfekt verstehen konnte.
Sie hörte sich so an als würde er direkt vor mir stehen, leise in mein Ohr flüstern.

Eigentlich wollte ich noch etwas von mir geben, ob es nun ein verwirrter Blick oder weitere Fragen waren, doch ich konnte nicht, da etwas anderes meine Sinne berauschte.
Es war ein Geruch, der diesmal rein gar nichts mit Lavendel zu tun hatte.
Meine Nase wurde von etwas ganz anderem gekitzelt, etwas, was mir so verdammt bekannt vorkam und dennoch so unfassbar neu wirkte.
Es roch nach nasser Erde, die aber eine stark metallischen Ader in sich trug. Irgendwie wirkte die Luft so frisch, so neu und so anders.

Petrichor? War es dieser Geruch, von dem Hoseok immer erzählt hatte?

Mein Blick glitt wieder auf die Person vor meiner Wenigkeit. Hoseok stand immer noch wie angewurzelt da, nichts sagend und mich nur mit einem Lächeln anschauend.
Ich verstand nicht, wie konnte jemand, der vor einigen Sekunden noch so bitterlich weinte nun wie ein Honigkuchenpferd vor sich hin schmunzeln.

Ich konnte einige Sekunden später erkennen wie mein Gegenüber immer blasser wurde, mit jedem einzelnen Flackern der Laterne schien sein Körper immer unsichtbarer zu werden.
Er verschwand, genau vor meinen Augen und ohne jeglichen Kontext.

Ich schreckte auf, geweckt wurde ich von einem lauten Knall und einem daraufhin folgenden Grummeln, was durch den Himmel bebte. Prompt war mir bewusst, dass es wohl schonwieder draußen gewitterte.
Wie als wäre nichts gewesen saß ich in meinem Bett, meine Stirn leicht feucht von einer dünnen Schweißschicht, meine Atmung deutlich angehoben.
Mir war bereits am Anfang, als ich in diesem dunklen Raum stand, dass das alles nur ein Traum war und ich in einiger Zeit wieder in meinem Zimmer aufwachen würde.

Doch etwas verpasste mir ein mulmiges Gefühl, was meinen ganzen Körper zum Beben brachte.
Instinktiv griff ich nach meinem Handy, welches seelenruhig unter meinem Kopfkissen lag und wollte meinem Freund Hoseok schreiben. Obwohl wir schon seit zwei Monaten zusammen waren wohnten wir noch nicht zusammen, da ich meinen Vermieter immernoch weißmachen musste nun doch unzuziehen.

Doch der Jüngere war mir schon vor ungefähren fünf Minuten zuvor gekommen, da ich bereits eine Nachricht von ihm hatte.
Diese Nachricht bestand jedoch nicht aus vielen Herzen oder einer Gute-Nacht-Nachricht. Die wenigen Sätze, die dort in schwarzer Schrift auf meinem Display standen alarmierten mich sofort und ich wusste, dass da etwas ganz und gar nicht stimmte:

Es gewittert gerade und das nicht nur da draußen. Sehr stark sogar. Bitte denke nicht, dass es wegen dir ist. Es tut mir Leid, ich liebe dich und das auch noch nach dem Regen.

petrichorحيث تعيش القصص. اكتشف الآن