34 | ~Verzeih mir~

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Sophies Sicht:
Gerade laufen wir durch die Gänge zu meinem Schließfach. Mein Babybauch ist mittlerweile schon sichtbar, deswegen bekomme ich ab und zu ein paar verstörte blicke meiner Mitschüler, doch ich habe schon alles mit dem Direktor abgesprochen.
Meine Prüfungen werde ich ganz normal, wie jeder andere auch antreten und meinen Abschluss machen.
Ich verstecke meinen Bauch nicht, mir ist es auch nicht mehr peinlich.
Meine Eltern waren zwar alles andere als erfreut, als ich in zu Weihnachten die Neuigkeit erzählt habe.
Tja, sie werden Großeltern.
Von einem gesunden Jungen.
Jap. Es ist ein Junge.
Als ich das Erfahren hab, war ich ganz aus dem Häuschen.
Ich wollte schon immer, dass mein erstes Kind ein Junge wird. James hab ich vor ein paar Wochen versuch zu erreichen, doch sicher bin ich nicht, ob er es auch war. Es ist zwar jemand dran gegangen, aber derjenige hat kurz danach gleich wieder aufgelegt. Ich habe sehr mit mir gerungen, ob ich ihn nochmal anrufen sollte oder nicht, schließlich hat mich Marie regelrecht dazu gezwungen. An sich hat sie ja recht.
Er hat jedes recht von ihm zu erfahren.
Marie und ich haben beschlossen am Wochenende zu James zu fahren.
Nach etlichen Nachforschungen weiß ich jetzt wo genau er wohnt. Irgendwie kam ich mir dabei echt stalkerhaft vor, doch mittlerweile finde ich auch, dass er es erfahren sollte. Logan war von der ganzen Baby-Sache nicht besonders begeistert.
Besonders fand er es nicht toll, dass ich ihm nicht gesagt hab, von wem es ist.
Mittlerweile hat er es aber akzeptiert und freut sich für mich. Einige denken das Baby ist von ihm, egal wie oft ich beteuere das es nicht von ihm ist.
Logan und ich sind Freunde und vor einem Monat hat er mir auch gestanden, dass er schwul ist.
Er ist mit einem aus einer anderen Schule zusammen.
Ich habe mich wirklich für ihn gefreut. Er hat mir gesagt, dass er zwar am Anfang Gefühle für mich hatte, aber er schnell gemerkt hat, dass er vom anderen Ufer ist. Übrigens fragt mich gefühlt jeder von wem das Baby ist und ob sie ihn kennen.
Mich hat doch tatsächlich mal jemand gefragt, ob ich vergewaltigt wurde.
Sowas fragt man einfach nicht, wie bescheuert kann man sein? Und wer hätte es gedacht, diese Frage kam von Chanel.
Sie denkt wohl, mich würde nicht mal jemand mit der Kneifzange anfassen.
Der Ersatz Lehrer von James ist ziemlich alt und ziemlich gruselig. Sein Unterricht ist echt extrem langweilig, aber was soll man machen.
Mrs. Schmidt ist ganz schön traurig das James nicht mehr da ist, immerhin ist sie jetzt die einzige, die einigermaßen jung ist. Ob sie was von ihm gehört hat? Ob er sich bei ihr gemeldet hat? Wie es ihm wohl geht?
Was er wohl gerade macht?
Ob er manchmal an mich denkt? Ob er mich genauso sehr vermisst wie ich ihn?
Ob er mich noch genau so sehr liebt wie ich ihn?
Vielleicht liegt es an den Hormonen, aber manchmal habe ich das Gefühl ihn noch mehr zu lieben als sonst und dann gibt es wieder Momente, an den ich ihn hasse, dass er uns alleine gelassen hat.
Beruhigend streiche ich über meinen runden Bauch.
Schwanger zu sein ist echt beschissen.
Eigentlich freue ich mich echt total auf den kleinen Racker, aber der Weg dort hin ist anstrengend und mühsam.
In weniger als einem halben Jahr wird er bei mir sein.
Was aus Oxford wird?
Ich war dort und es war toll.
Ich habe dort mit ein paar Leuten geredet, damit ich dort mein Studium erst in einem Jahr beginne.
Dadurch, das meine Noten so herausragend sind und ich von allen Lehrern Empfehlungen bekommen habe, gab es da keine Probleme.
Jetzt zählt erstmal der kleine Racker, der in meinem Bauch heranwächst.
Verträumt lächel ich vor mich her und streiche unterbewusst meinen Bauch, während Marie mir irgendwas über den Abschlussball erzählt.
Die Blicke der anderen im Flur nehme ich kaum noch wahr. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, Gesprächsthema Nummer 1 zu sein.
„Hörst du mir überhaupt zu?", fragt sie mich.
„Hm? Was?"
„Sophie! Der Abschlussball? Das Ereignis des Jahres? Mit wem gehst du hin? Noch 2 Monate.
Wir müssen dir unbedingt ein Kleid holen, wo deine Murmel reinpasst.", sagt sie grinsend. „Haha. Sehr witzig."
Wir beide fangen an zu lachen. „Sophie!", ruft jemand meinen Namen. Suchend sehe ich mich um, als Marie an meinem Ärmel zieht und Richtung Eingang deutet.
Ihre Augen sind geweitet und ihr Mund steht leicht offen.
Ich drehe mich um und sehe wie niemand geringeres als James auf mich zu rennt.
Vorbei an den bescheuert glotzenden Schülern.
Was macht er hier?
Ihm folgt ein großer gut aussehender Mann. Beide tragen Anzüge.
Vor mir bleibt er stehen und auf dem Flur ist es Mucksmäuschenstill.
„Was machst du hier?", frage ich ihn und ja, ich bin mir bewusst, dass ich ihn duze.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen und ich-...", er schaut auf meinen Bauch und schiebt verwirrt seine Augenbrauen zusammen.
„D-Du bist... schwanger?", fragt er mich.
Ich nicke und schaue ihm dabei in die Augen.
„Welcher Monat?", leicht panisch sieht er wieder auf mein Bauch zurück in meine Augen.
„Vierter.", sage ich zögerlich.
Wird er eins und eins zusammen zählen?
„Wer ist der... Vater?", fragt er mich jetzt deutlich sicherer.
„Du.", sag ich schlicht und ein paar Schüler ziehen scharf die Luft ein.
„Aber warum hast du denn nichts gesagt?"
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Sein Ernst?
„Dein Ernst? Ich habe dich zig mal angerufen. Und... das letzte Mal vor ein paar Wochen.
Ich wollte es dir ja sagen doch du... du bist nicht rangegangen. Du warst weg. Einfach so.
Was sollte ich denn deiner Meinung nach machen?", frage ich ihn und streichel meinen Bauch, um nicht all zu wütend zu werden.
„Es tut mir leid. Ich war so ein Idiot. Ich habe die falschen Entscheidung getroffen, ich wollte dich doch nur beschützen und habe damit alles nur noch schlimmer gemacht.", er kommt ein schritt auf mich zu und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Eine kleine Träne kullert aus meinem Augenwinkel.
Scheiß Hormone.
„Ich liebe dich. Bitte verzeihe mir.", flüstert er gegen meine Stirn und setzt dort ein Kuss hin. In diesen drei Wörtern liegt so viel Gefühl, dass ich nicht anders kann, als ihm zu verzeihen. Vorerst.
„Mach sowas bitte nie wieder.
Gib mich nie wieder so einfach auf. Bitte.", sage ich und schaue zu ihm hoch. „Nie wieder.", und schon berühren sich unsere Lippen.
Gott, wie sehr ich die vermisst habe.
„Was ist denn hier los?", fragt eine tiefe männliche Stimme.
Wir lösen uns voneinander und sehen direkt in die Augen des Direktors.

TEACH MEWhere stories live. Discover now