Love is a losing game

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Unsicher sah er zu seinem Mitbewohner hinüber, der nun das schwere Buch weglegte und ihn jetzt schon etwas sanfter ansah. „Komm erst mal rein, steh nicht da wie angewurzelt", forderte ihn Jimin mit einem winzigen Lächeln auf den Lippen auf. Kurz nickte der Jüngere und ging hinüber zu seinem Bett, setzte sich und bemerkte sofort, wie wenig Komfort es bot im Gegensatz zu dem, was sich zwei Türen weiter befand. Langsam winkelte er seine Beine an und umschlang sie mit seinen Armen, um sich irgendwie vor dem, was sein Gegenüber ihm sagen wollte, zu schützen.

„Guck doch nicht so, was wolltest du mir erzählen?", fragte der Ältere freundlich und versuchte Jungkook so etwas die Angst zu nehmen. Mit einem neugierigen Ausdruck auf dem Gesicht, setzte sich der junge Mann mit dem hellbraunen Haar in den Schneidersitz und blickte auffordernd zu seinem Mitbewohner hinüber. Dieser erwiderte, wie ein Welpe, schüchtern den Blick seines Sunbaes und atmete tief durch, bevor er nach den richtigen Worten in seinem Kopf kramte. Zögerlich begann Jungkook zu erzählen und sparte dabei zu explizite Details aus, doch konnte er nicht verbergen, wie unglaublich es sich angefühlt hatte. Er beschrieb den ersten gemeinsamen Morgen mit Taehyung und die Schmetterlinge kamen in einem Schwall, wie ein Schwarm, zurück in seinen Bauch, als er daran dachte.

Verträumt lächelte der Jüngere, als er aufhörte zu sprechen, sah einfach nur aus dem Fenster und beobachtete die bunten Blätter, die sich leicht mit dem Wind bewegten. Als er seinen Blick wieder auf Jimin richtete, erwartete er so etwas wie Freude, dass er mit ihm glücklich war, doch nichts davon konnte er ausmachen. Mit ernster Miene sah dieser hinab auf den kleinen Vorleger zwischen ihnen und schwieg. Skeptisch versuchte Jungkook den Blick des anderen einzufangen, in dem er seinen Kopf schief legte und etwas weiter hinunter in den Fokus von Jimins Aufmerksamkeit rückte.

„Was bedrückt dich Hyung?", fragte er sorgevoll mit leiser Stimme, „Es tut mir leid, dass ich gestern einfach gegangen bin. Ich hatte nicht geplant mich mit Taehyung zu treffen, ich wollte wirklich das tun, was du gesagt hast." „Ist schon gut, wenn es dich glücklich gemacht hat, ist es okay für mich", erwiderte Jimin mit belegter Stimme und sah langsam auf.

Traurigkeit, aber auch Erleichterung erfüllten Jungkook, doch die Sorge vor dem, was ihm sein Freund sagen wollte, ließ ihn nicht los. Lange sahen sie sich einfach nur an und die Luft um sie herum bebte förmlich vor Anspannung, was die nächsten Worte bringen würden.

„Hat er es dir wirklich nicht erzählt?", durchbrach der Ältere die Stille und sah finster drein. Ein Knoten bildete sich unangenehm in Jungkooks Hals und er musste hart schlucken, bevor er zu sprechen begann. „Was erzählt?"

Frustriert stöhnte Jimin auf und wuschelte sich verzweifelt mit beiden Händen durch das Haar. „Verdammt, er hat es mit Sicherheit nicht erzählt. Dieser Bastard", fluchte sein Kommilitone und versetzte Jungkook damit einen Stich ins Herz. Tausende Dinge überfluteten dessen Gedanken mit einem Mal. Was hätte Taehyung ihm erzählen sollen? Die Überlegung, dass der Mann, in den er verliebt war vielleicht einen Freund hatte, ließ Jungkook seine Nägel schmerzhaft in seine Oberarme krallen.

„Er haut ab", fuhr Jimin fort und sah dabei nicht mehr zu seinem Gegenüber, sondern an einen Punkt an der Wand neben dessen Kopf, „Taehyung hat ein Stipendium fürs Ausland. Nach dem Semester ist er weg."

Nach dem Jimins Stimme verklungen war, hallte nur noch ein dumpfes Rauschen in Jungkooks Ohren nach. Als wäre er tief unter Wasser, gefangen in etwas Unwirklichem, fiel es ihm plötzlich schwer zu atmen und er spürte die Leere, die nun in ihm aufzuklaffen begann. Sein Mund war auf einmal staubtrocken und alles fühlte sich taub an, nichts war in diesem Moment noch so, wie es noch auf dem Weg zu seinem Zimmer gewesen war.

Er musste sich Räuspern, bevor er einen Ton herausbrachte und es tat unwahrscheinlich weh auch nur ein Wort über seine Lippen zu bringen. „Das kann nichts sein, er hätte es mir gesagt, du musst dich verhört haben", leugnete Jungkook das zuvor Ausgesprochene. Kaum hatte er seinen Mund wieder geschlossen, wusste er auch schon, dass er gelogen hatte, sich selbst zum Narren hielt. Hätte Taehyung es ihm wirklich gesagt, wenn es so wäre? Standen sie sich wirklich so nah, wie es sich angefühlt hatte, dass er bedingungslose Ehrlichkeit erwarten konnte?

„Glaubst du das wirklich?", erinnerte ihn Jimin an den Irrtum, den er sich gerade selbst eingestehen musste. „Ich muss zu ihm", sagte der junge Mann mit dem dunklen Haar und den Tränen in den Augen, bevor er aufsprang und aus der Tür lief. Er konnte noch da sein, es war noch nicht zu viel Zeit vergangen, redete sich Jungkook ein, als er vor der Wohnung unweit seiner eigenen stand und die Klinke hinunter drückte.

Allein der Widerstand, den das verschlossene Metall hinterließ, schien all seine Hoffnungen zurückfallen und sein Herz erneut schmerzen zu lassen. Als er sich aus der Starre lösen konnte, begann er zu rennen. Rannte, als würde es um alles gehen, was er hatte, was er nicht mehr hergeben wollte, wo er es doch gerade bekommen hatte. Seine Füße trugen ihn über den Asphalt der Straßen, über das sich häufende Laub hinweg, auf dem er manches Mal beinahe auszurutschen drohte, hin zu dem Proberaum, in dem er Taehyung vermutete. Als er davor stand und die Musik in seine Ohren drang, öffnete Jungkook die schwere Tür vor sich und stürmte hinein.

Sofort hörten alle auf zu spielen und starrten mit gefühlt tausend Augen auf den verschwitzen Erstsemester, der keuchend da stand und den Raum nach Taehyung absuchte. Als er ihn entdeckte, bemerkte er gleich an den aufgerissenen Augen und dem starren Blick, dem energischen Kopfschütteln, dass es ein Fehler gewesen war herzukommen.

„Suchen sie jemanden?", dröhnte laut die strenge Stimme des Professors durch den Raum, der neben einigen anderen wichtig aussehenden Männern stand und Jungkook skeptisch beäugte, „Sie sind keiner meiner Studenten."

„Ich, ich-", begann Jungkook stotternd und ließ seinen Blick noch einmal zu Taehyung schnellen, dem die Panik ins Gesicht geschrieben stand, „Ich habe mich im Raum geirrt, entschuldigen Sie, Professor." Kaum ausgesprochen stolperte er zurück und tastete nach der Klinke, er musste weg, bevor er in Tränen aufgelöst vor allen hier im Raum begann, sich seinen Gefühlen hinzugeben. Er brauchte Luft.

Als er ins Freie hinaus trat, weinte er bereits und biss sich schmerzhaft auf die Unterlippe, um ein klägliches Wimmern zu unterdrücken. Angst, dass seine Übersprunghandlung alles zerstört haben konnte, was doch noch so fragil zwischen ihm und Taehyung war, ließ ihn nicht mehr klar denken. Wenn es nur ein Missverständnis war, Jimin sich täuschte, dann hatte spätestens diese Aktion eine Kluft zwischen ihn und den Mann den er liebte getrieben.

Trost suchend lehnte Jungkook seine Stirn an die spröde Rinde des großen Baumes, der einsam vor dem Musikgebäude stand und riesige Laubberge um sich scharte. Er würde hier warten, wo sollte er auch hin? Verzweifelt und vor Kummer zitternd stand er einfach nur so da und ließ den kühlen Wind seine Tränen trocknen.

Nach einiger Zeit gaben seine Beine nach und er drehte sich um, um sich an der schmerzhaft kratzenden Rinde mit dem Rücken hinunterrutschen zu lassen. Er spürte es gar nicht mehr, wie sich die roten Striemen unter seinem kaputten Shirt abzuzeichnen begannen. Jungkook saß einfach nur da, wartend, verzweifelt.

Die verschiedenen Stimmen, die später zu ihm durchdrangen, holten ihn langsam aus seiner eigenen trostlosen Welt heraus und ließen ihn den Blick heben. Nach einiger Zeit kamen auch Taehyung, der Professor und die ernst dreinblickenden Männer in ihren Maßanzügen aus dem Gebäude. Er beobachtete, wie sich der blonde Mann höflich verbeugte und in die entgegengesetzte Richtung lief, die der Rest ansteuerte. Kaum konnte er die anderen Personen nicht mehr sehen, folgte er mit taubgewordenen Beinen dem Mann, in den er sich Hals über Kopf verliebt hatte.

Ungeschickt griff Jungkook nach dem Arm seines Kommilitonen und drehte ihn zu sich, sofort bemerkte er den wütenden Ausdruck in dessen Gesicht. „Was sollte der Scheiß", schrie ihn Taehyung an und schubste ihn grob von sich weg, „Was hast du nicht verstanden, als ich dir sagte, dass das wichtig für mich ist? Was ist dein verdammtes Problem, Jeon Jungkook?" Er musste hart schlucken, doch dann fand er den Mut, durch seine erneut aufkommenden Tränen hindurch, die entscheidende Gegenfrage zu stellen.

„Stimmt es, dass du nach dem Semester das Land verlässt?", platzte es geradezu aus ihm heraus und er fühlte, wie seine Wangen feucht wurden. Seine Lippen bebten und er musste schniefen, er hatte keine Kontrolle mehr darüber.

Taehyung verlor mit einem Mal all die Wut aus den Augen und plötzlich weiteten sich dessen Pupillen, da ihn klar wurde, dass das, was er unter keinen Umständen offenbaren wollte, nun ausgesprochen war. „Wer hat es dir gesagt?", fragte er schwach und sah schmerzlich zu Jungkook. „Jimin hat es von irgendwem, ich weiß es nicht", antwortete dieser, eine Oktave hoher, als er sonst sprach.

„Ich wollte nicht, dass du es so erfährst, ich wollte auf den richtigen Zeitpunkt warten", flüsterte Taehyung nun nur noch und legte seine Hand auf die Wange des Jüngeren, der kurz darauf zusammenzuckte, „Es tut mir leid."

Cupidity ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now