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! Titeländerung von "Noemi" !

Was sollte man wohl fühlen, wenn einem die Eltern eröffnen, dass sie sich trennen? Trauer, Wut, Enttäuschung oder vielleicht Erleichterung? Egal, welche Emotionen ich haben sollte, ich habe sie nicht. Ich fühle überhaupt nichts und sitze nur still da. Das einzige, was in mir aufkommt, ist Panik, weil ich realisiere, dass ich anscheinend nicht zu so einer Gefühlsregung fähig bin. Was stimmt nur nicht mit mir?

Ich stürme aus der Kleinen Pizzeria und ignoriere dabei gekonnt die Rufe meiner Eltern. Ich versuche zu rennen, aber es macht sich schnell bemerkbar, dass ich in den letzten Monaten keinen Wert darauf gelegt habe mit dem Bein zu üben. Deswegen humple ich eher schnellen Schrittes vorwärts und verstecke mich schließlich in einer Gasse, als ich bemerke, dass Natalia ebenfalls raus gestürmt kommt. Ich drücke mich weiter in die Dunkelheit und versuche, meinen angestrengten Atem zu beruhigen.

Sie trennen sich und ich spüre nichts. Es ist mir vollkommen egal.

Dieser Gedanke wirbelt die gesamte Zeit durch meinen Kopf. Ich muss irgendetwas fühlen, ich darf nicht so enden wie meine Mutter; tot und abgestumpft.

Schnell fische ich das Handy zusammen mit einem Joint aus der Jackentasche und tippe eine Nummer ein, von der ich nicht gedachtet hätte, dass ich sie tatsächlich jemals benutzen würde.

„So, wo willst du hin?", fragt mich Darius, nachdem ich mir so viel Mut angeraucht habe, dass ich in sein Auto gestiegen bin. Bei meinem grandiosen Plan habe ich natürlich nicht daran gedacht, dass ich von einer fremden Person gefahren werden würde, aber ich übergehe meine Panik.

„Ist egal. Hauptsache weg.", antworte ich und schnalle mich fest.

Er lacht leise und fährt los.

Während ich aus dem Fenster blicke denke ich über nichts nach. Ich habe mir so den Kopf verqualmt, dass kein einziger Gedanke mehr durchkommt. Es ist wie eine Nebelwand.

Nach fünfunddreißig Minuten bleibt das Auto stehen und nur langsam verstehe ich, dass wir anscheinend angekommen sind. Wo auch immer wir überhaupt sind.

Wir steigen aus und ich blicke mich so gut wie es geht um, aber durch die bereits aufgekommene Dunkelheit ist es schwer, etwas auszumachen. Ein paar Laternen beleuchten einen Weg, der ins Nichts führt.

„Ist das der Moment, wenn ich bemerke, dass du mich umbringen willst?", frage ich, während er eine Decke aus dem Kofferraum holt. Er grinst mich an.

„Vielleicht. Komm mit."

Ich folge ihm, ohne groß weiter darüber nachzudenken und versuche, irgendetwas in der Umgebung festzustellen. Der Weg, auf dem wir gehen, ist eher ein Trampelpfad und ist umsäumt von hüfthohem Gras. Große Bäume stehen in der Ferne und wiegen sich langsam im Wind. Es ist noch erstaunlich warm, obwohl es schon Abend ist.

Durch Darius' breiten Rücken kann ich nicht wirklich erkennen, wohin wir gehen, aber ich muss mich eh darauf konzentrieren, nicht über irgendwelche Wurzeln zu stolpern.

Mein Handy vibriert erneut in meiner Hosentasche und ich weiß, dass es irgendjemand sein wird, der mit mir über alles reden möchte. Ich ignoriere es.

Schließlich bleibt mein Begleiter stehen und offenbart mir unser Ziel: ein kleiner See, eingekesselt von Bäumen. Der Mond spiegelt sich auf der Oberfläche des Wassers und erst jetzt bemerke ich, wie laut es eigentlich ist. Das Gras raschelt, Grillen zirpen und der See ist auch dauerhaft in Bewegung.

„Es ist schön hier.", sage ich, als er die Decke auf einem Stückchen Gras ausbreitet, welches nicht so hoch ist wie das andere und somit eine Art Lichtung bildet. Etwas umständlich setze ich mich darauf und er nimmt neben mir Platz. Unsere Beine berühren sich und in diesem Moment ist es mir sogar egal, dass er wahrscheinlich fühlt, dass es nicht echt ist.

Wie die tote Morgenröte mich verschluckteWhere stories live. Discover now