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„Aufwachen, meine Hübschen!"

Mit einem Ruck werden die Gardinen auseinander gezogen und Sonnenlicht bestrahlt mich. Ich kneife die Augen zusammen und vergrabe mein Gesicht im Kopfkissen. Neben mir stöhnt jemand auf. Erst langsam frage ich mich, wer mich gerade verdammt nochmal aufgeweckt hat und vor allem, mit wem ich mir ein Bett teile. 

„Kommt schon, es ist gleich um 9. Frühstück ist fertig", erklingt die gleiche Frauenstimme von gerade eben und eine Tür wird geschlossen. Vorsichtig rapple ich mich auf und schirme meine Augen vom Sonnenlicht ab. Dann stöhne ich auf, als ich das kahlköpfige Mädchen neben mir im Bett sehe. 

Richtig, ich habe bei Yuna übernachtet. Diese versteckt gerade ihren Kopf unter der Bettdecke. Ich blicke mich verschlafen in ihrem Zimmer um, da ich bei unserer Ankunft vor einigen Stunden nicht dazu gekommen bin. 

Es steht noch nicht vieles da, gerade mal das Bett, in dem wir geschlafen haben, und ein Kleiderschrank. Ansonsten ist das Zimmer überfüllt mit Kartons, die noch aufs Auspacken warten. Mein Blick fällt auf die Fensterfront, welche sich auf  Yunas Seite erstreckt und einen Ausblick auf unglaublich viele Bäume gewährt. Und dann erinnere ich mich auch wieder. 

An Yuna, die mir vorgeschlagen hat, dass ich bei ihr schlafen kann, aber nicht daran gedacht hat, dass das neue Haus ihrer Großeltern mitten in einem Wald steht und dass dorthin kein Bus mehr um die Uhrzeit fährt. Wie wir beide dann im Stockdunklen zuerst durch die Innenstadt gewandert sind und uns dann einen Weg durch die Bäume gebannt haben. Wie Yuna laut und schief ein Lied gesungen hat, um die Spannung abzubauen. Und wie dann ein Ast geknackt hat und wir um unser Leben gerannt sind – Ich und Rennen, immer noch keine gute Kombination.

Ich strecke meine Beine aus und spüre bereits jetzt einen Muskelkater.

„Komm schon, Yuna", sage ich und rüttle sie an der Schulter, doch es kommt nur ein gedämpftes Grummeln von ihr. Normalerweise würde ich erst darauf warten, dass sie aufwacht, aber ich merke, dass ich langsam auf Toilette muss. Also stehe ich auf und schätze ab, ob ich für diesen Weg meine Jeans anziehen muss oder ob ich die knappen Shorts anbehalten kann, die mir Yuna zum Schlafen gegeben hat. Ich wage es einfach und verlasse ihr Zimmer.

Sobald ich jedoch leise die Tür hinter mir geschlossen habe, bereue ich meine Entscheidung. Ich stehe in einem großen Raum, der offensichtlich als Wohn- und Esszimmer dient. Ein älteres Paar sitzt an einem Tisch und blinzelt mich freundlich an. 

Verdammt. „Hallo", sage ich langsam und versuche, mit meinem Bein das Bein zu verdecken, welches durch die Shorts perfekt zur Geltung kommt. Doch die beiden achten gar nicht darauf.

„Ah, du bist bestimmt die Emmy von der Selbsthilfegruppe, oder nicht? Yuna hat uns von dir erzählt", meint die ältere Frau, steht auf und kommt auf mich zu. Plötzlich werde ich in eine Umarmung gezogen und augenblicklich verkrampfe ich mich.

„Wir freuen uns so sehr, dich kennen zulernen, nicht wahr, Willy? Dass unsere Yuna schon so schnell eine Freundin gefunden hat, da fällt mir ein riesiger Stein vom Herzen." Die Frau hält mich eine Armeslänge von sich weg und strahlt mich an.

Sie zieht mich zu dem Esstisch, an dem der Mann sitzt. Beide haben braune Haare, die von ein paar grauen Strähnen durchzogen sind. Sie sehen noch erstaunlich jung aus, dafür, dass das angeblich Yunas Großeltern sein sollen. Sie sind vielleicht nur fünf Jahre älter als meine Eltern.

Ich setze mich hin und lächle beide etwas gezwungen an. Der Mann reicht mir einen Korb mit Brötchen und da ich nicht unhöflich sein will, nehme ich mir eins.

„Wo kommst du her, Liebes?", fragt die Frau mich.

„Mayfair. Das liegt im Süden", erkläre ich und beschmiere etwas widerwillig mein Brötchen mit Marmelade. „Yuna hat erzählt, dass Sie erst vor Kurzem hergezogen sind?"

Wie die tote Morgenröte mich verschluckteWhere stories live. Discover now