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Ich fühle mich, als wäre ich in einem coolen Musikvideo. Natürlich muss es cool sein, denn wer will schon in einem uncoolen mitspielen?

Mit einer Sonnenbrille auf der Nase schlendere ich durch die Straßen. Der Ohrwurm in meinem Kopf ist so laut, dass ich die Musik fast greifen kann. Obwohl ich beim besten Willen nicht sagen kann, welches Lied sich bei mir eingenistet hat. Die Sonnenstrahlen beleuchten mich und ich würde am liebsten stehen bleiben und das einfach nur genießen. Erst als ein Auto an mir vorbeifährt fällt mir auf, dass ich tatsächlich stehen geblieben bin und ich versuche, mich auf den Weg zu konzentrieren. Mein Kopf ist so vernebelt, dass es eine richtige Anstrengung darstellt, nach Hause zu kommen und ich muss kichern, weil die Pfütze vor mir aussieht wie eine Blume. Eine wunderschöne Blume. Ich hocke mich hin, fasse hinein und lache, als sie bunte Farben ausspuckt. Ich fühle mich wie im Himmel.

„Hey!"

Ungeschickt lasse ich mich neben diese Blume plumpsen und starre in den Himmel hinauf, der all mögliche Farben annimmt und aussieht wie ein Regenbogen. So wunderschön. Ich könnte weinen, weil all das so schön aussieht und gleichzeitig lachen, weil so eine riesige Heiterkeit in mir herrscht, die ausbrechen möchte.

„Hey, du.. Lia?" Plötzlich verschwindet der Himmel vor meinen Augen und ein Schatten versperrt mir die Sicht. Ich fuchtle mit den Händen, um den Schatten zu vertreiben, aber er bleibt trotzdem stehen und stellt sich als Mensch heraus. So geht das aber nicht.

„Was ist denn mit dir passiert?" Der Schatten hockt sich nun vor mich hin und ganz vorsichtig streckt dieser seinen Arm aus und mir wird die Sonnenbrille abgenommen, die mir Weed gegeben hat. Ich kneife die Augen zusammen.

„Gib die mir wieder", sage ich bockig und versuche, sie mir wieder zu besorgen, doch ich greife nur in die Luft.

„Du bist gar nicht Lia", stellt mein Gegenüber fest, der vor meinen Augen verwackelt.

„Herzlichen Glückwunsch, Sherlock. Was bist du, etwa ein Spion?" Misstrauisch mustere ich die Person vor mir, aber es dreht sich alles und ich verfalle wieder in Gelächter.

„Komm, steh' erst mal auf." Die Person greift mir unter die Arme und zieht mich trotz meiner Proteste hoch. Sehnsüchtig blicke ich zurück auf die Blume, doch sie ist inzwischen einfach nur noch eine dreckige Pfütze. Ich kichere.

„Mein Name ist Kurt und-"

„Oh mein Gott, bist du etwa Kurt Cobain?" Ich kneife die Augen zusammen und versuche, den Mann vor mir besser zu erkennen. „Bin ich im Himmel? Das ist ja abgefahren. Oh mein Gott, ich kann es nicht fassen!", rufe ich begeistert aus, klatsche in die Hände und renne auf die Straße, um mich im Kreis zu drehen und den Himmelsgeruch in mich aufzusaugen. Zugegeben, es riecht nicht wirklich gut im Himmel, ziemlich nach Abgasen. Und es ist auch bei weitem nicht so warm, wie ich es mir im Himmel vorstellen würde. Man befindet sich doch aber näher an der Sonne! Plötzlich werde ich mit einem Ruck weggezogen und ich lande auf der Erde.

„Keine Ahnung, auf was für einem Trip du bist, aber..", fängt der Schatten wütend an und ragt über mich hinaus, aber ich habe bereits angefangen zu weinen und höre seine weiteren Worte nicht mehr. Durch den Sturz ist mein Hosenbein hochgerutscht und ich sehe, dass das Bein immer noch da ist. Ich bin nicht tot und im Himmel, denn dann wäre ich nicht so entstellt. Wenn überhaupt stecke ich in der Hölle fest.

Bitterlich weine ich weiter und schaffe es nicht mehr, mich zu beruhigen.

„Hey, hey. Alles ist gut. Ich wollte nicht schreien, es ist nur.. Komm, ich bringe dich nach Hause. Wo wohnst du?" Der Schatten hat sich erneut vor mich hingesetzt und tätschelt mir unbeholfen die Schulter. Er setzt sich neben mich und ich schaffe es nur, weiterhin auf das Bein zu starren, welches so entblößt da liegt, für alle sichtbar.

Wie die tote Morgenröte mich verschluckteWhere stories live. Discover now