OS 9

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Es war schon spät, als er sich schlafen legte.

Die nervige Verwandtschaft hatte sich mal wieder gegenseitig die Türklinke in die Hand gedrückt und ihm keine Ruhe gelassen.
Ständig war irgendwer vorbei gekommen und dann war da ja auch noch sein Neffe Frodo, der sich ab und an mal mit seinem alten Onkel unterhalten wollte.
Vor den Sackheimbeutlins hatte er sich verstecken müssen, sie hatten ihm fast die Tür eingeschlagen -sie war neu gestrichen, das hatte schöne Schlieren gegeben!- und Lobelia hatte sein Gehör malträtiert mit ihrer lauten, schrillen Stimme.

Bilbo war also heilfroh, dass er sich endlich ins Bett legen konnte.
Er wollte es sich nicht eingestehen und schon gar nicht laut aussprechen, aber er kam sich alt vor.
Sein Rücken protestierte fürchterlich beim Bücken und das Atmen fiel ihm auch immer schwerer.
Selbstverständlich hatte er Frodo nichts erzählt, der würde sich nur wieder viel zu viele Sorgen machen, aber tief in seinem Inneren begann der alte Hobbit zu begreifen, dass seine Tage gezählt waren.

Als er die Augen schloss, schossen ihm all' diese Gedanken durch den Kopf.
Sie spukten noch lange in seinem Gehirn herum, ohne, dass es eine Lösung oder ein Heilmittel dagegen gab.
"Schluss damit jetzt, du machst dir ja selbst Angst!", ermahnte er sich ärgerlich.
Der Mond schien hell durch das gekippte Fenster herein, als der alte Herr Beutlin doch noch Schlaf fand.

Eine leise Stimme summte eine Melodie.
Ein Lied. Er kannte es.
Es waren dreizehn Stimmen, die die tiefe Melodie sangen, fast schon brummten.
Sie waren ihm alle bekannt. Jede Einzelne.
Er wollte dort hin.
Er sehnte sich nach den alten Erinnerungen.
Sie waren so weit weg, aber doch so nah.

"Fili!"
"Und Kili!"
"Zu euren Diensten!"
Wie hatten sie ihn doch aufgeregt an diesem Abend...und doch würde er ihn gerne tausend Mal wiederholen.
"Mach schon voll, Bruder, nicht so knickrig!"
Sie waren so fröhlich gewesen.
"Wir werden uns den Erebor zurückholen!"
So zuversichtlich.

Die Melodie wurde leiser und plötzlich sah er sie vor sich.
Drei gleißend helle Gestalten, die in strahlendem Sonnenlicht standen, auf einem grünen Hügel.
"Bilbo!", rief der Eine.
Seine Sicht wurde schärfer, er erkannte schwarze Haare.
"Herr Beuteler!"
Nun wurden auch die beiden anderen Personen sichtbar.
Bilbo war viel zu verblüfft, um den Zwerg im Bezug auf seinen Nachnamen zu verbessern.

"Der Meisterdieb."
Thorin stand vor ihm.
Sein bester Freund, Thorin Eichenschild stand vor ihm und lächelte.
"Thorin", flüsterte Bilbo fast andächtig und fiel dem Zwergenkönig in die Arme.
Auch Kili und Fili wurden umarmt, die Zwergenbrüder hatten das gleiche herzliche Lachen auf dem Gesicht, wie ihr Onkel.

"Warum seid ihr hier?"
Bilbo sah sie mit großen Augen an.
Die drei lächelten.
"Lass los, Bilbo", flüsterte Thorin.
"Lass los. Wir warten auf der anderen Seite auf dich. Lass los, mein Freund."

Die drei Zwerge verblassten.
Und Bilbo mit ihnen.
Er lächelte seelig im Schlaf, als er ausatmete und einschlief.
Und seinen Freunden folgte.

Herr der Ringe/ Der Hobbit OneshotsWhere stories live. Discover now