OS 12

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Für magicisinyou

Ihre Schritte hallten in der großen Halle wieder.
Das blonde, zierliche Mädchen, zu dem die Schritte gehörten, hörte auf den Namen Malea. Die Meisten hätten sie für eine reiche, adelige Frau gehalten, denn sie war jung, höflich, hübsch und elegant.
Doch eines stach einem sofort ins Auge, wenn man sie sah.
Sie trug eine Rüstung.
Eine richtige Rüstung, zusammen mit einem Bogen und mehreren Messern.

Entgegen allen Erwartungen war sie eine Reiterin Rohans.
Sie war die erste, und bis jetzt auch einzige Frau im Heer.
Zuerst hatten die Männer nur dumme Kommentare und Spott für sie übrig gehabt, doch die Zielsicherheit ihrer Messerwurfkünste hatten sie schnell verstummen lassen.
Und sie war gut.
Sie war eine der Besten Krieger, um nicht zu sagen, die beste Kriegerin in Rohan.
Niemand wusste, warum sie solch ein Talent hatte, Orks zu töten und dabei auch zu überleben, und niemand sollte es erfahren, denn es war nichts, was sie gerne erzählte.

Ihre Eltern waren vor noch nicht allzu langer Zeit von Orks ermordet worden.
Seitdem brannte sie nur so vor Rache, die eigentlich nur eine Auswirkung ihrer tiefen Trauer war und nahm dankbar jede Aufgabe an, bei der sie irgendwie ein paar mehr dieser hässlichen Kreaturen abmetzeln konnte.
Seelisch tat ihr das allerdings gar nicht gut.
Nur war sie die einzige, der das nicht auffiel.

So sehr in ihre Trauer vertieft, war ihr nie aufgefallen, wie dünn sie schon geworden war. Seit Tagen hatte sie fast nicht gegessen, geschweige denn geschlafen, und das machte sich deutlich bemerkbar.
Den Männern im Heer fiel das nicht auf. Entweder, sie beachteten sie gar nicht oder sie starrten nur auf das, auf was Männer immer starrten.
Aber einem Mann fiel das alles sehr wohl auf. Eomer, des Königs Neffe und bester Freund von Malea.
Jedenfalls war er das einst gewesen, als sie noch Zeit gehabt hatte für ihn.

Auch er war ein Reiter Rohans, aber er hatte auch Freizeit, im Gegensatz zu ihr, die fast immer unterwegs war.
Er hatte bereits mit dem König gesprochen und ihm Vorwürfe gemacht, aber der hatte ihm, zu seinem puren Entsetzen, erklärt, dass Malea das alles freiwillig tat.
Und so hatte er sich fest Vorgenommen, mit ihr zu sprechen.

Schon von Weitem hörte er ihre schnellen und festen Schritte auf dem Steinboden der Eingangshalle.
Er kannte sie beinahe sein ganzes Leben lang und so erkannte er sie eben auch an ihren Schritten und konnte sich rechtzeitig vor sie parken, bevor sie ihm entwischen konnte.
Sie rang nach Atmen und rasselte eine Erklärung runter, weswegen sie leider im Moment keine Zeit hatte.
Hatte sie gedacht, er würde sie gehen lassen, hatte sie sich getäuscht.
Er war stärker als sie und konnte sie problemlos an den Armen festhalten, während sie strampelte und schimpfte.

"Du brauchst mal eine Pause", versuchte er es höflich in einer ihrer Atempausen.
"Von wegen!", wiedersprach sie sofort.
Zu schnell.
Dass es eine Lüge und sie innerlich total fertig war, merkte er schon an der Art ihrer einstudierten Ausrede.
Kopfschüttelnd zog er sie in eine ruhige Ecke.
"Du musst dich wirklich mal ausruhen!", meinte er mit Nachdruck und nahm ihr mit nur einer Hand die schwere Rüstung von den Schultern, sodass sie nur noch Hemd und Hose trug.
Die Millisekunde, in der sich erleichtert ausatmete, sagte ihm, dass er sie schon viel zu lange als kaltherzige Kämpferin hatte leben lassen.

"Du findest deinen eigenen Frieden nicht, indem du nur tötest, Malea", redete er auf sie ein.
Sie schnaubte nur, musste aber zugeben, dass er Recht hatte.
Ihr war es durch das Töten von Orks nicht besser gegangen, sie hatte sich einfach nur ablenken müssen.
"Eben", sprach Eomer, der ihre Gedanken erraten hatte.

"Wie soll ich mich ablenken?! Wäsche waschen und Hausfrau spielen?", schnaubte sie.
"Nein, aber ich könnte dir helfen, dich abzulenken", flüsterte er leise und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Das ist absolut unmögl-", wollte sie zu erneut wiedersprechen, doch sie kam nicht mal bis zum fünften Wort.
Eomer hatte sie einfach an den Schultern gepackt und ihre Lippen aufeinander gepresst.

Und in diesem Moment fühlte Malea endlich wieder etwas Gutes in sich.
Hoffnung.

Herr der Ringe/ Der Hobbit OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt