OS 19 (Barduil)

381 28 10
                                    

Für IsabellFandomworld

"Mein Herr?"
Bard betrat zögerlich das große weiße Zelt des Elbenkönigs. 
Im Gegensatz zu dem lauten, geschäftigen Treiben in Thal, war es in dem Zelt fast völlig still, eine willkommene Abwechslung.
Thranduil thronte auf einem großen Stuhl in typischem Wald-Muster, braun und verschlungen.
"Ihr wolltet mich sehen?"

Der braunhaarige Mann stand etwas verloren im Raum, im Gegensatz zu dem Elb, der wie ein Lord in seinem Zelt saß und so eisern und königlich aussah wie eh und je.
"Das ist richtig", nickte der König gebieterisch und schenkte Bard ein Glas Wein ein, das er ihm dann reichte.
Der Mensch nahm es fast schon verwirrt entgegen.
Er hatte gedacht, es ginge um eine Kriegstaktik oder um die Zwerge, aber danach sah es nicht wirklich aus.
Thranduil nippte vornehm an seinem Wein und genoss den süßlichen Geschmack auf seinen Lippen.
Wein war ihm schon immer willkommen gewesen, denn er war geduldig.
Er konnte nicht vor ihm weglaufen, ihm keine Vorwürfe machen und, vor allem, musste er vor ihm kein König sein.

"Verzeihung", unterbrach Bard die Stille, "aber warum wolltet ihr mich sehen?"
Aus Höflichkeit und weil er dem kalten Blick des Elbenkönigs bestimmt nicht hätte standhalten können, probierte er von dem Wein.
Der süße Alkohol war nicht sein Geschmack und würde es auch nie sein, aber er wusste nicht, was er außer trinken hätte tun sollen.
Thranduil erhob sich ohne ein Geräusch von seinem Sitzplatz und schritt durch das Zelt.
Der Mensch würde eine Antwort erwarten, das wusste er. Aber er konnte sie ihm beim besten Willen nicht geben.
Er musste sich eingestehen, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, warum er Bard zu so später Stunde noch zu sich hatte holen lassen.
Vielleicht wollte er einfach nicht allein sein.

Thranduil lehnte sich an die Zeltwand und ließ seinen Blick über das Geschehen draußen wandern, während sich Bard immer mehr über ihn wunderte.
Von dem sonst so beherrschten, kaltherzigen Elbenkönig war weit und breit nichts mehr zu sehen.
In diesem Moment wirkte er ausgelaugt und allein und blickte so sehnsuchtsvoll in die Ferne, dass es dem Menschen einen Stich versetzte.
Er kannte das Gefühl nur zu gut.

Bard stellte das Weinglas mit einer vorsichtigen Bewegung auf den Tisch und trat neben den Elben, der ihm ein paar Centimeter über den Kopf ragte und immer noch starr nach draußen blickte, über alles hinweg in die Ferne.
Nichts als Weite, unendliche Weite.
Erinnerung.

"Sie fehlt mir", flüsterte Thranduil dann leise.
So leise, dass Bard es fast nicht gehört hätte. Doch er hatte es gehört.
Auch hatte er schon so oft gehört, dass der Elbenkönig vor langer Zeit seine Frau verloren hatte.
Sie teilten quasi ein Schicksal.
Der Mensch wusste nicht, wie er einen König trösten könnte, noch dazu einen, der ihn auf merkwürdige Weise anzog.
"Mir auch", antwortete Bard nur.

Eine solche Ehrlichkeit hätte Thranduil nicht erwartet.
Nie hatte ihn jemand in all den Jahren trösten können, nicht einmal sein Sohn.
Aber die Worte dieses Menschen taten es.
Sie trösteten ihn mit der Gewissheit, dass er nicht allein war.
Nicht nur er hatte jemanden verloren, den er geliebt hatte.

Der Elbenkönig spürte den kalten Wind auf seinem Gesicht, der die Zeltplane anhob und mit einem surrenden Geräusch durch die Luft schwingen ließ.
"Ich bin mir sicher, sie sind immer bei uns", flüsterte Bard und dachte an seine geliebte Frau.
Da spürte er, wie der Elbenkönig einen Arm um ihn legte und ihn zu sich zog.
Nach kurzem Zögern legte der Mensch seinen Kopf auf der Schulter des Elben ab.
Beide waren in Erinnerungen versunken und doch waren sie hier, im Jetzt.
Und nur das Jetzt zählte.

Gerade waren sie nur zwei Männer, durch ein Schicksal verbunden, die sich gegenseitig trösteten.
Ohne Worte, nur mit einer Geste und dem Wissen, dass sie nicht allein waren.
Und nie allein sein würden.

Herr der Ringe/ Der Hobbit OneshotsWhere stories live. Discover now