He calls me Daddy --- Yoonmin

Er sieht mich nicht

Es war kalt so früh morgens hier im Wald. Suga schob den Kragen seiner Lederjacke hoch, um sich ein wenig vor der Kälte zu schützen. Vor wenigen Minuten hatte V ihm eine Nachricht geschickt und gefragt, ob er Zeit hätte. Für ihn würde er sich immer Zeit nehmen.

Nun stand er da, an der alten Feuerstelle und schaufelte mit seinem Schuh etwas Erde darüber. Neben den Sofas erblickte Suga leere Bierflaschen und einige Kippen, die in die lockere Erde gesteckt worden waren. Kurz dachte er an den Anfang der Ferien zurück, als er hier Jimin das erste Mal begegnet war und musste lächeln.

Hier hatte alles seinen Anfang genommen und nun war er sein fester Freund. Er hörte Schritte hinter sich und drehte sich um. V kam auf ihn zugetrottet. Suga lächelte ihn an, doch sein Lächeln verblasste sofort, als er an Vs Gesicht ablesen konnte, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.

V lief an ihm vorbei und ließ sich langsam auf einem der beiden Sofas nieder. Dann blickte er ausdruckslos auf die Feuerstelle. Suga setzte sich neben ihn und gab ihm von der Seite einen leichten Stoß. Als V nicht reagierte sagte Suga: "Hey, was ist los? Warum wolltest du mich so früh morgens sehen?"

V sah ihn an und sein Blick wanderte zu Sugas aufgeplatzter Lippe. "Geht's dir gut?", wollte er dann wissen. Als Suga ihm auf dieser kurzen Distanz in die Augen sah, erkannte er sofort, dass V geweint hatte. V bemerkte Sugas besorgten Blick und wandte sein Gesicht von ihm ab.

In dem Moment wanderte Sugas Blick zu Vs Hals und er erkannte einen deutlichen dunkelroten Knutschfleck. Ein ungutes Gefühl überkam ihn und er fragte sich, was auf der Party wohl noch passiert war, als er und Jimin gegangen waren.

Er sprach V nicht auf das Mal an seinem Hals an und fragte stattdessen: "Was ist passiert?" Auch wenn V sein Gesicht von ihm abgewandt hatte, er konnte dennoch erkennen, dass V die Lippen aufeinanderpresste und das Gesicht verzog, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen.

Er sollte Recht behalten. V zog kurz darauf die Nase hoch und atmete mit zitterndem Atem und Lippen aus. Suga legte einen Arm um V und dieser drehte sich gleich darauf zu ihm, vergrub sein Gesicht in seiner Halsbeuge und er weinte, während seine Schultern immer wieder kurz zuckten.

Suga legte seine andere Hand behutsam an Vs Nacken und streichelte ihn. Er wartete so lange, bis V sich einigermaßen beruhigt hatte und sich etwas von ihm löste. "Was hat Kook getan?", wollte er dann wissen.

V zog seine Nase hoch. "Wie kommst du darauf, dass es um ihn geht?"

"Weil es immer um ihn geht, wenn du weinst", entgegnete Suga und V sah ihn aus seinen verweinten Augen an. Dann schüttelte er zaghaft den Kopf und betrachtete seine Fingernägel. "Er hat gar nichts getan... eigentlich... es ist nur...", Vs Stimme versagte ihm und er zog erneut die Nase hoch, bevor er fortfuhr, "ich bin einfach so unfassbar dumm, dass ich gedacht habe, ... dass er... mich..." 

Er sprach nicht weiter. Er wischte sich mit dem Handrücken über seine Nase und zog diese erneut kurz hoch. "Hast du mit Kook geschlafen?", fragte Suga dann geradeheraus. Warum um den heißen Brei herumreden? V war schließlich sein bester Freund und sie erzählten sich einfach alles.

V sah ihn empört an. "Nein, natürlich nicht! Du kennst mich. Ich bin nicht so.."

Suga musste grinsen. "Du meinst, nicht so wie ich, heh!?", meinte er und er sah, dass V ebenfalls ein wenig lächelte. Es stimmte. V war nicht so wie er, was Sex anging. V hatte keine One-Night-Stands oder gar Affären. Das war nicht sein Ding. V hatte erst zweimal so etwas wie eine Beziehung gehabt und es hatte sehr lange gedauert, bis er irgendwann mal Sex mit den Typen gehabt hatte.

Nicht, dass er Sex nicht genauso mochte wie Suga. Er war auch nicht prüde. Nein, er brauchte einfach Zeit und sprang nicht gleich mit jedem ins Bett. Was für Suga genauso okay war, wie sein eigenes Verhalten, nicht lange mit dem Sex zu warten. Wenn Suga Sex wollte, hatte er Sex. Und so war es mit Jimin. Jimin tickte genauso wie Suga und das machte ihn zu seinem perfekten Partner.

"Sagen wir einfach, dass es so weit nicht gekommen ist", fügte V dann hinzu. Prüfend sah Suga ihn an. "Und was macht dich nun so traurig, V?" 

V atmete tief ein und wieder aus, setzte sich aufrecht hin und schloss die Augen. Suga hätte zu gern erfahren, was in der letzten Nacht passiert war. Aber er wollte ihn nicht drängen. Entweder wollte er es ihm erzählen oder nicht. Es lag einzig und allein bei ihm.

"Ich bin zufrieden damit, dass ich zwar nicht die Hauptrolle aber zumindest eine kleine Rolle in seinem Leben spielen darf. Das ist mehr, als andere jemals von sich behaupten können", meinte V dann und Suga konnte von der Seite sehen, dass er schwach lächelte.

"Liebhaber kommen und gehen. Aber ich werde immer da sein, um ihm am Ende seine Tränen zu trocknen."