Kapitel 2

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Der Ort an dem das Tribunal stattfinden sollte war eines der vielen Zimmer im Morgan Manor. Die Morgans waren eine alteingesessene Familie, die sich viel auf ihre Vorfahren einbildeten, auch wenn es sich dabei nur um verarmten Landadel handelte. Das gerade die Hohepriesterin eine Morgan war, konnte kein Zufall sein. Der Einfluss, den ihre Familie auf die Hexen der Umgebung ausübte war enorm, Lyra hatte das aber noch nie wirklich beeindrucken können. Schon als sie das Grundstück betrat fühlte sie sich unwohl, aber als sie sich im großen Saal befand mit all den anderen Mitgliedern des Covens wünschte sie sich nicht hergekommen zu sein. Sie musste abfällige Blicke über sich ergehen lassen und bis auf die Hohepriesterin grüßte sie niemand. "Lyra, wie schön, dass du es geschafft hast.", die Freundlichkeit war nur geheuchelt. Wäre Lyra nicht erschienen, hätte es kein Tribunal gegen Leo, sie hätte ihre Fähigkeiten nicht wiederbekommen und sie hätten sich ein anderes Mitglied für ihren Coven gesucht. "Freut mich auch Lydia.", war alles was Lyra hervorbringen konnte.   "Würden dann bitte alle ihre Plätze einnehmen?", kündigte die Hohepriesterin an. Jeder nahm den für ihn vorgesehenen Platz ein. Hinter einem Altar nahm die Hohepriesterin Platz zu ihrer Rechten saß ein junges Mädchen, das eines Tages ihre Nachfolgerin sein würde, zu Lyras Überraschung war sie keine Morgan. Sie war noch sehr jung und hatte kurze hellblonde Haare. Vor dem Altar hatte Lyra Platz zu nehmen, in einem Salzkreis, damit sie niemandem Schaden zufügen konnte, die Vorkehrung war unnötig, sie hatte ja keine magischen Kräfte mehr. In einem Halbkries standen hinter ihr alle Hexen des Covens, sowie alle Hohepriesterinnen aus Devon und ein paar andere Gäste. Vermutlich wurden sie eingeladen, weil Lydia ihnen ihre Macht demonstrieren wollte. Auf dem Altar brannte Salbei um die Reinheit des Tribunals zu gewähren und für Gerechtigkeit zu sorgen, nur bezweifelte Lyra, dass ein bisschen Salbei vor Willkür schützen könnte.

"Wir sind heute zusammengekommen, um darüber zu entscheiden, ob Lyra Navid ihre magischen Fähigkeiten nach fünf Jahren des Verstoßes wiedererlangen soll. Sie wurden ihr mit sechzehn Jahren genommen, weil sie durch Magie ein Mitglied unseres Zirkels mutwillig ermordet hat." Ein Raunen ging durch die Menge. Mutwillig? Das konnte nicht ihr Ernst sein. Jeder aus dem Coven wusste, dass es eher Notwehr war, als alles andere, aber keiner erhob die Stimme, sie zu verteidigen. "Lyra, ich möchte dich nun bitten uns zu erklären, warum du es verdient hättest wieder Magie auszuüben und Teil dieser Gemeinschaft zu sein."

Lyra erhob sich. Ihr Kopf war schwer, sie hätte nichts trinken sollen. Vielleicht hätte sie sich doch etwas überlegen sollen, improvisieren war noch nie ihre Stärke gewesen. "Ähm... Ich... Ich... ", stotterte sie. Die Hohepriesterin sah sie mit strengem Blick an. Wie sollte sie darum bitten Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sie verstoßen hatte und eigentlich gar nicht wiederhaben wollte? Ihr Blut kochte, ihre Hände schwitzten und ihr Mund war trocken, doch irgendwie schaffte sie es doch etwas zu sagen. „Was ich getan habe ist unverzeihlich, das weiß ich. Dennoch habe ich meine Strafe getragen und bin hergekommen, um mich erneut zu verantworten. Es gibt nichts was euren Verlust wieder gut machen kann, aber ich würde alles versuchen was in meiner Macht steht. Und in meiner Macht würde viel mehr stehen, wenn ich nicht mehr meiner Magie beraubt wäre.", erklärte sie ohne wirklich zu wissen was sie überhaupt sagte. Sie war müde, der Salbei machte ihre Kopfschmerzen und der Whisky gab seinen Rest dazu.

"Das ist das schlechteste Plädoyer, das ich jemals gehört habe.", gab Lydia bekannt und lachte. "Wenn ihr mir das nehmt, dann nehmt ihr mir alles weg, was mich mit meiner Mutter verbindet.", platzte es auch Lyra heraus. "Und du denkst das würde einen Mord rechtfertigen?", fragte Lydia. War es das was sie sollte, sich rechtfertigen? Das ging nicht, einen Mord kann man nicht rechtfertigen. Natürlich hatte sie damals ihre Gründe und es war keine Absicht gewesen, aber rechtfertigen konnte sie ihre Tat deswegen trotzdem nicht. "Nein.", gestand sie. "Ich kann es nicht rechtfertigen."

BloodlineWhere stories live. Discover now