Kapitel 7

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„Ich weiß nicht ob deine Eltern es dir jemals erzählt haben, aber sie haben sich beide bei Ausgrabungen in Tachara kennen gelernt. Ein paar Jahre vorher hatte ich das Glück Tabea kennen zu lernen. Ich war auf der Suche nach einem bestimmten Schmuckstück aus der Zeit von Dareios und war deswegen in Shiraz und Esfahan unterwegs, dort sagte man mir ich soll nach Teheran gehen und da die richtigen Leute fragen. Es ist gar nicht so einfach etwas zu finden, das über tausend Jahre alt ist und ich hatte die Hoffnung fast aufgegeben. Teheran ist keine schöne Stadt für einen Vampir, es ist viel zu lange hell und die Hexen dort passen auf ihre Stadt besser auf, als ein Hund auf seinen Knochen. Als ich eines Nachts etwas unvorsichtig durch die Straßen ging, haben sie mich in Silber gelegt und in einen Keller geschleppt, wo sie mir erstmal eine Menge Blut abgenommen haben. Sie haben damit Zeremonien abgehalten und seltsame Sprüche gesagt, die ich nicht verstanden habe. Ich dachte erst, dass es das war mit meinem Ausflug. Sie würden mich austrocknen lassen und dann zum Verbrennen in die Sonne legen, aber so kam es ja glücklicherweise nicht. Sie haben mir über mehrere Wochen immer wieder Blut abgenommen, sorgten aber auch dafür, dass ich etwas zu trinken bekam.

Irgendwann kam dann eine Hexe zu mir, die mich in einem grauenhaften Englisch fragte, was ich denn überhaupt in Teheran will. Ich zeigte ihr also eine Zeichnung von dem Armreif, den ich suchte und sie rief ein Mädchen herbei, das ich bei den vorherigen Zeremonien noch nie gesehen hatte. Sie hatte dunkles, lockiges Haar und braune Rehaugen. Im Gegensatz zu der Hexe vorher konnten wir uns recht gut verständigen. Ich erklärte ihr was ich suchte und zeigte auch ihr das Bild. Sie wusste sofort was es ist und erklärte mir, dass sie als Archäologin arbeitete. Dann sagte sie zu den Hexen etwas auf Farsi. Sohor und Shah und noch ein paar Wörter, aber ich verstand rein gar nichts. Das gute war, dass die Hexen mich daraufhin sofort von dem Silber befreiten und Gesten machen, als wenn ich ein Gott oder etwas Derartiges wäre. Wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich vielleicht dortbleiben sollen. Sobald es Nacht war brachte Tabea mich raus und fragte noch, ob ich sicher wäre, dass ich wirklich nur diesen Armreif suche oder doch etwas mehr. Ich habe nie verstanden was sie damit meint, aber es war auch nicht so wichtig. Sie erklärte mir, dass ich mit dem Suchen aufhören soll und mir stattdessen ein anderes Hobby zulegen sollte.

Ich wusste damals noch nicht wie gefährlich es für sie gewesen wäre, hätte sie mir tatsächlich geholfen. Sie gehörte zu einem Zusammenschluss von Hexen, die auf die Rückkehr ihrer Meisterin warteten, das Problem war nur, dass diese Hexen schon seit über tausend Jahren warteten. Sie glaubten an eine Legende von einer Hexe die den ersten Vampir geschaffen hat und eines Tages zurückkommen würde, um den ultimativen Vampir zu erschaffen. Der würde dann wie ein König, alle anderen unterjochen und in seiner Schreckensherrschaft das sinnlose Menschenabschlachten der Vampire verhindern.  Wie gesagt, es ist ja eine Legende.

Das beunruhigende war nur, dass Tabea Botschaften von einer sehr alten Hexe bekam und gesehen hatte, dass ich kommen würde. Diese Tatsache bestätigte ihr einen Verdacht, den sie schon sehr lange hatte. Sie gehörte zu der Blutlinie der letzten persischen Hexe, die wusste wo die Meisterin war und bekam Vorhersagungen von ihr. Damit war sie sowohl eine Gefahr für die Vampire, als auch für einige Hexen. Das war letztendlich auch der Grund warum sie nach ihrer letzten Iranreise nicht zurück kam."

Lyra hatte nicht erwartet, dass Jonathan ihr erzählen würde, wie er ihre Mutter getroffen hat. Auch wenn er ihr anscheinend viel verschwiegen hatte, schien sie doch mehr zu wissen, als ihr eigentlich lieb war. Vor allem schien er so viel mehr über ihre Mutter zu wissen als sie selbst. Für Lyra war Tabea immer bloß eine Hexe aus dem Dartmoor gewesen.

„Wenn sie so eine große Bedrohung für die Vampire war, wieso hast du sie dann nicht umgebracht?" dabei fiel ihr auf, dass er mit keinem Wort erwähnt hatte, dass er es nicht gewesen war. „Diese letzte persische Hexe, die weiß wo die Meisterin ist, war einmal eine gute Freundin von mir. Der Satz ‚Von Anfang an, bis jetzt und für alle Ewigkeit' ist in ihrer Sprache genau ein Wort gewesen: ‚Duvitparanam'. Damit hat sie ohne zu wissen, dass sie überhaupt eine Blutlinie hat, alle Nachfahren an mein Blut gebunden. Darauf hat sich deine Mutter berufen.", erklärte er. Lyra war sich nicht sicher was sie davon halten sollte. Aber ‚Duvitaparanam' kam ihr bekannt vor. Es stand auf dem Hochzeitsfoto ihrer Eltern, sie hatte nur nie gefragt was das bedeutete. „Warum hast du sie nicht gerettet, als sie zurückgegangen ist? Das war doch deine Aufgabe, oder nicht?", wollte sie wissen. Vielleicht war er ja kein besonders guter Vampir, oder ein besonders schlechter Beschützer oder beides zusammen. „Ich war da, aber sie wollte es nicht. Sie wollte stattdessen, dass ich auf dich aufpasse." Diese Antwort war für Lyra wie ein Schlag ins Gesicht. Es war zwar schön zu wissen, dass ihre Mutter sie wohl doch nicht völlig vergessen hatte, schöner wäre es aber noch gewesen, hätte Jonathan damals nicht auf ihre Mutter gehört.

„Deswegen der Pakt? Nur weil sie wollte, dass ich einen Aufpasser habe?", Lyra reichte diese Begründung nicht. Irgendwas musste ja auch Jonathan von diesem Pakt haben. „Sie war verzweifelt. Sie hatte Angst, dass sie dich mit ihrem Handeln in Gefahr bringt.", war seine einzige Antwort. Anscheinend wollte er nicht zugeben, dass es noch mehr gab, das hinter dem Pakt steckte.

„Was hatte es mit diesem Armreif auf sich?", war ihre letzte Frage zu Jonathans undurchsichtiger Geschichte. Er musste lächeln. „Das bringt die Meisterin zurück."

BloodlineWhere stories live. Discover now