Ein befriedigender Spruch

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Mein Körper zittert. Wankt. Blut. Ich brauche Blut, um die Kraft wieder herzustellen. Aber ich kann mir keine Pause leisten. Keuchend lehne ich an einer Wand in einer der vielen Gassen, die die Stadt hat und relativ dunkel sind. Gut. Nicht nur die Gasse ist dunkel, sondern auch der Himmel. Es ist Abend geworden und ich habe ein paar Stunden lang fliehen können. Da ist er. Ich spüre ihn schon wieder. Alucard kommt wieder auf mich zu. Erschöpft drehe ich meinen Kopf an der Wand in die Richtung, aus der er kommen sollte. Ich kann mich kaum noch aufrecht halten. Aber ich lasse mich sicherlich nicht einfach so fangen. Da kommt er auch schon. Der große Mann in rot und diesem breiten Grinsen.

"Du hältst keinen weiteren Schatten mehr aus. Warum rennst du überhaupt, wenn du weißt, dass ich dich fangen werde?", fragt er in aller Ruhe und hat nicht einmal Anzeichen von Erschöpfung. Ich stoße mich von der Wand ab und stelle mich auf meine eigenen zwei Beine. "Erstens... solltest du mich nicht... unterschätzen...", bringe ich raus und gleiche kurz mein eigenes Ungleichgewicht aus. "Und zweitens... renne ich nur..., wenn ich weiß..." Ich muss eine kurze Pause machen, ehe ich weiterreden kann. "Das ich es noch schaffe." Alucard schnaubt amüsiert. "Wie willst du es schaffen. Du kannst kaum noch reden. Kaum noch stehen. Ich wäre beeindruckt, wenn du es noch einmal schaffen würdest. Das muss ich zugeben."

Mit der letzten Kraft, die ich noch besitze, stolpere ich schon fast in den Schatten, den ich an der Wand entstehen lasse und fühle mich sofort ausgesaugt. Ich bin am Arsch. DAS hier ist mein letztes Mal Schatten. Mehr schaffe ich nicht. Ich muss von ihm weg kommen. Irgendwie. Ich brauche Blut. Mir wird leicht schlecht. Der Hunger überwältigt mich fast. Ich kann den Rausch spüren, der sich anbahnt. Wenn ich jetzt einen Menschen bekomme, werde ich ihn töten. Soweit wollte ich es nie wieder kommen lassen. Nie wieder. Aber jetzt heißt es ich, oder der Mensch. Und dahingehend haben die Menschen leider den Kürzeren gezogen.

Als wäre die Situation nicht schon beschissen genug, werde ich einfach so aus dem Schatten geworfen. Überrascht, da das noch nie passiert ist, stolpere ich nach hinten. Rudere mit dem Armen und versuche, das Gleichgewicht zu halten! Schaffe es aber nicht wirklich. Bevor ich jedoch auf dem Boden aufkomme, werde ich schon aufgefangen und langsam wieder auf meine eigenen zwei Beine gestellt. Total verausgabt, was wahrscheinlich der Grund für den Rauswurf war, drehe ich meinen Kopf. Zwei rote Augen sehen mich schon fast vorwurfsvoll an. "Ich sagte doch, dass ich dich fangen werde.", meint Alucard und ich schnaube, ehe ich meine Mundwinkel ein wenig hoch bringe. "Beeindruckt? Ich war... nochmal im... Schatten.", bringe ich raus und starre dann in den Nachthimmel. Fuck. Das wars.

"Das einzige was mich wirklich beeindruckt ist, dass du immer noch reden kannst.", knurrt er zurück und ich werde hoch gehoben. "Aber singen kannst du später auch noch, kleines Vögelchen. Jetzt geht es erst einmal in mein Nest." Ich bin vielleicht komplett fertig. Schaffe es aber immer noch, ihn entgeistert anzusehen. Und meinen Atem finde ich auch langsam wieder. "Wie lange hast du gewartet... bist du DAS sagen hast können." Alucard sieht zu mir runter. "Lange genug, damit es mir jetzt Genugtuung verschafft.", erwidert er nur und ich schüttle nur den Kopf, ehe ich diesen an seine Brust lehne. Ich gebe auf. Ich kann nicht mehr. Er würde mich in der Luft zerfetzen und ich habe nicht genug Seelen, um das zu überleben. Um genau zu sein... habe ich vier. Einige habe ich schon aufgebraucht. Aber sie stammen alle noch von den Jahren nach dem Tod meines Meisters.

Während der Schattenreise bin ich stumm. Erhole mich langsam ein wenig. Merke, wie mein Hunger schlimmer wird und die Zähne sich zuspitzen. Mein Unterkiefer zittert vor Anstrengung, nicht Alucard zu beißen. Diese Selbstbeherrschung ist schwer aufrecht zu erhalten. Ich muss mich ablenken. Das muss irgendwie funktionieren. Noch einmal fliehen kann ich nicht. Ich kann froh sein, wenn ich nachher fähig bin zu stehen, ohne gestützt zu werden. Das ist verdammt frustrierend! Verdammte Scheiße! Und dann ist Alucard noch wirklich echt rücksichtsvoll. Trotz dem, dass ich abgehauen bin. Mehrere Stunden lang. Und er mich schlussendlich auffangen musste, um mich... wo auch immer hin zu bringen. Ich würde es ja verstehen, wenn es ein Montag wäre. Dann könnte ich es auf DEN schieben! Aber nein... ist es ja nicht.

Kalte Luft umgibt uns sofort, als Alucard aus seinem Schatten tritt. Immer noch ein wenig müde und vom Hunger geplagt, sehe ich mich um. Es braucht länger als normal, das Bild in meinem Kopf scharf zu stellen. Nacheinander werden die Sinne ausgeschalten, wenn sie für den Moment nicht nützlich sind. Eine weite Ebene. Eine einzelne Straße, die zu einem erleuchteten Gebäude führt. "Willkommen im Anwesen von Lady Integra Fairbrook Wingates Hellsing und dem Hauptsitz der Hellsingorganisation." Lange kann ich nicht einmal mehr meinen Kopf aufrecht erhalten, also fällt er schon fast wieder gegen seine Brust. "Schönes Häuschen...", murmle ich und spüre, wie der Griff fester wird. "Nun gut. Wir machen eine kurze Planänderung." Der schwarzhaarige bringt mich ein wenig vom Anwesen weg und legt mich an einen der wenigen einzeln stehenden Bäume. "Bevor du da drin irgendjemand attackierst, hole ich dir etwas."

Ich beobachte, wie er mit einer entgeisterten Miene im Schatten verschwindet und lege dann meinen Kopf in den Nacken. Kann durch das leichte Blätterdach den Nachthimmel sehen und die Sterne beobachten. Wie sie funkeln. Vor einigen Jahrhunderten standen sie noch anders. Aber sie werden immer wunderschön bleiben. Einige sind verschwunden. Einige sind neu dazugekommen. Wenn man den Nachthimmel beobachtet, bekommt man mit, dass nicht einmal Sterne ewig leben. Ich weiß nicht, ob mich das trösten, oder traurig machen soll. Tod sein. Wie das wohl ist? An sich bin ich Tod. Aber... nicht wirklich. Ich bin noch da! Ich bin nicht ausgelöscht worden. Meine Existenz ist noch immer vorhanden. Auch, wenn das für den ein oder anderen nicht als positive Nachrichten gelten kann.

Nicht lange, nachdem ich abgelegt wurde wie ein Sack Kartoffeln, taucht Alucard mit einer jungen Frau auf. Gesund. Nur Bewusstlos. Sie hängt über seiner Schulter und unsanft schmeißt er sie auf den Boden. Regungslos bleibt die schwarzhaarige liegen. Ich sehe von ihr zu Alucard hoch. "Nimm sie. Mach schnell. Keiner vermisst sie. Futter für andere zu besorgen ist wirklich erniedrigend." Erst bin ich wirklich perplex, bevor meine Mundwinkel nach oben gehen. Von mir kommt ein geflüstertes: "Danke...", ehe ich mich ausgehungert auf die Frau stürze, die sich nicht einmal wehrt. Meine Zähne schlagen in ihren Hals und ich knie über ihr. Das Blut schmeckt wunderbar. Es erfrischt alles. Mein Hunger wird langsam gestillt. Mein Biss wird noch einmal fester. Schluck für Schluck rinnt durch meine ausgedörrte Kehle und wird sofort von meinem Körper aufgenommen. Ich spüre das Pulsieren, als sie stirbt und ihr Geist in mir weiter lebt. Seele Nummer fünf.

Once I was seven years oldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt