Geständnis

261 19 2
                                    

Während Gekreische laut wird, da Alucard sich um die gefangen Menschen kümmert, die als Blutbeutel enden sollten, schlurfe ich zur Couch und lasse mich auf sie fallen. Eine Staubwolke geht auf und glitzert im Schein der Lampen. Es war ein hoher Verbrauch an Energie und Kraft, den ich noch nicht gewohnt bin. Ich muss wirklich mehr trainieren, um den Schatten und Teleportation auf kurze Strecken länger aushalten zu können. Jetzt, wo Ruhe einkehrt, macht sich der Energieaufwand bemerkbar. Selbst die Schreie haben aufgehört und ich glaube, dass Alucard sich gerade um neue Erinnerungen kümmert. Vielleicht schaffe ich es eines Tages, sein Niveau zu haben. Vielleicht. Aber bis dahin wird es ein langer Weg sein. Ich lasse meine Augenlider zuklappen und entspanne mich. Wissend, dass Marinetté unwiderruflich ausgelöscht wurde.

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und auf die Rückenlehne der Couch während ich versuche, wegen dem aufgewirbelten Staub nicht zu niesen. Zwar atme ich nicht, aber das kann trotzdem in meine Nase kommen und der Reflex zum Niesen ist immer noch da. "Dein Auftritt glich einer wahren Königin. Und ich habe einige erlebt.", ertönt Alucards Stimme. Entfernt. Langsam mache ich meine Augen auf und sehe den schwarzhaarigen an, der hinter sich das Tor geschlossen hat und mit einem Lächeln auf mich zu kommt. "Ist jede Königin danach fertig, als wäre sie wieder stundenlang im Schatten vor jemandem geflohen?", erwidere ich und warte, bis er sich neben mich setzt. Es ist still. Nichts ist zu hören. "Nicht unbedingt. Aber nicht jede hat ein so faszinierendes Schauspiel geliefert, wie du es getan hast." Alucard legt ein Bein über das andere und seine Arme auf die Couchlehne. Als würde ihm alles gehören.

Ein kurzer Seitenblick. Ich bin erschöpft. Aber glücklich. Habe ich damit abschließen können? Ja. Überraschenderweise hat mir dieser Tod geholfen, über die Sache hinweg zu kommen. Klar. George ist noch in meinen Gedanken. Aber nicht mehr so prägnant. Wie eine normale Erinnerung. Ich rutsche näher an den schwarzhaarigen ran und lehne mich direkt an ihn. Mein Kopf seitlich auf seiner Brust liegend. "Wenn es nur ein Schauspiel gewesen wäre... Ich hätte es rauszögern können. Sie foltern können." Nur kurz zucke ich zusammen, als Alucard mir seine Hand auf die Schulter legt und mich so ein wenig abschirmt. "Aber sie ist meine Zeit nicht wert. George ist die Zeit auch nicht wert." Nein. Keiner von beiden ist meine Zeit noch länger wert. Keine einzige Sekunde wird mehr an sie verschwendet. George ist auf jeden Fall tot. Marinetté jetzt auch.

Und ich... ich bin froh, wie alles gekommen ist. Klar, vieles war scheiße. Aber vieles habe ich durchleben müssen um jetzt hier zu sein. Frei. In einem Leben, dass ich zumindest ein wenig mitbestimmen kann. Und bei Alucard. Einem Kerl, dem ich vor 544 Jahren begegnet bin. Auf einem Schlachtfeld, kurz bevor er getötet werden sollte. Und als Urvampir auferstanden ist. "Alter Knacker...", murmle ich und lege eine Hand auf seine Brust. "Bitte? Ich glaube, ich habe mich verhört!" Alucard sieht mich ein wenig empört an, ehe ich zu ihm hoch sehe. Ruhig. Gelassen. "MEIN alter Knacker." Das scheint ihm als Antwort zu reichen und ihn zufrieden zu stellen. "Ein alter Knacker, der die Werte der Treue aufrecht erhält. Das will ich hinzugefügt haben." Leicht trommle ich mit meinen Fingern auf seiner Brust herum. "Das will ich hoffen."

Der Urvampir beugt sich ein wenig zu mir hinunter. "Ansonsten werde ich mir selbst alle Seelen aus dem Körper reißen und dir die letzte überlassen. Das ist ein Versprechen, Alexandra." Ein Versprechen von einem Vampir, der noch einmal gute 38 Jahre älter ist. Nichts, wenn man es in der Zeitspanne der Vampire sieht. Und dennoch bedeutet es mir viel. "Für dich reicht Lex aus.", flüstere ich und sehe von ihm weg. Ein Spitzname ist für mich schon etwas Persönliches. 'Alex' war halt immer schon der Spitzname für Menschen, die mich besser kannten. Oder glaubten, mich besser zu kennen. Lex... "Das hat nicht einmal George hergenommen." Für einen Augenblick blitzen die Augen des Vampirs auf, ehe seine Mundwinkel nach oben gehen. "Eine einmalige Gelegenheit für eine einmalige Frau. Was will ich mehr?"

Mit dem folgenden hat er wahrscheinlich nicht gerechnet. Ich richte mich auf, setze mich auf seinen Schoss, die Beine leicht angewinkelt, nehme seinen Kopf in meine Hände und lege meine Lippen auf seine. Erst zögert er. Erwidert den Kuss aber und passt sich mir an. Seine Hände gehen an meine Hüften und halten mich dort fest. Als solle ich nicht abhauen. Langsam löse ich meine Lippen von seinen und lehne mich ein wenig zurück. Lasse eine Hand sinken und habe nun nur noch die rechte Hand an seiner Wange. Wie damals. Als ich ihn am Boden liegen sah und nicht anders konnte, als mich zu ihm hinunter zu knien. Sanft streicht mein Daumen über die nun glatte Haut. "Niemand wird mich jetzt noch von dir weg jagen.", flüstere ich und nicke leicht. "Und ich werde das zu Ende bringen, was ich angefangen habe. Ich werde an deiner Seite bleiben, bis du stirbst. Was hoffentlich nicht der Fall sein wird."

Alucard leckt sich über seine Lippen. Die roten Augen lassen mich nicht einmal aus dem Blick. "Dann hoffe ich, dass du es komplett durchziehst und selbst auch nicht stirbst." Mit einem Lächeln nicke ich wieder. "Ich Versuchs." Immerhin bin ich noch lange nicht so stark wie Alucard. Nicht einmal Ansatzweise besitze ich so viele Seelen, wie er es tut. "Ich werde dafür sorgen, dass du das einhältst. Versprich mir nur, dass du nichts tust, was ich nicht auch tun würde." Nachdenklich sehe ich auf die Seite und schmunzle, ehe ich wieder zu ihm sehe. Meine Hände auf seinen Unterarmen. "Also einfach blindlings in eine Ghulmasse springen und alles töten, was bei drei nicht auf dem Baum ist? Sich anschießen lassen, um Macht zu demonstrieren? Den Feinden zeigen, dass man-" "Ist ja gut! Meine Güte... Spiel mich nicht so aus, Weib.", knurrt er. Doch auch er selbst schmunzelt. Und das reicht mir, damit es nur ein Spaß ist.

Seine Hände gehen von meinen Hüften und legen sich um meine Hände. "Ich denke mal, dass ich dir nicht sagen muss, dass ich Treue will. Und ich will nicht angelogen werden." Da hake ich schon ein. "Aber wenn ich dich überraschen will... darf ich dann?" Von der Frage erst einmal irritiert, runzelt der schwarzhaarige die Stirn. Seufzt und nickt. "Ja. Dann darfst du. Dürfen wir. Wenn irgendwas ist-" "Dann werde ich es sagen. Und du mir auch, wenn du irgendwas brauchst. Und wenn es nur ein kurzes 'Hallo' oder 'Tschüss' ist." Für einen Moment lässt er meine Hände los, zieht sich seine Handschuhe aus und legt seine Hände an meine Wangen. Hält mich sanft, aber doch bestimmt fest. "Das kleine Mädchen von damals ist erwachsen geworden.", meint er und zum wirklich ersten Mal, spüre ich seine Hände auf meiner Haut. Verdammt... Das ist alles irgendwie anders abgelaufen, als ich gedacht habe. Aber eindeutig positiv.

Once I was seven years oldWhere stories live. Discover now