Sieben Seelen

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Ohne darüber nachzudenken, bin ich aus dem Schatten, habe die echte Vampirgeschwindigkeit ausgenutzt und mich vor die Lady gestellt. Der Schuss geht durch mein Herz, bleibt aber in meinem Körper. Geht nicht durch mich durch und ich kann die Überraschung in den Augen des Freaks sehen, ehe ich zusammenbreche. Klar, ich bin ein Vampir und ich habe kein Problem mit Sonne, Knoblauch oder sonstigem Zeug. Aber ein Schuss ins Herz ist schon mal eine andere Hausnummer. Mein Körper prallt auf den Boden und meine Glieder sind im Moment gefühlslos. Ich spüre, wie das Blut aus meinem Körper austritt und sich auf dem dunkelbraunen Boden ausbreitet. Einen kleinen See unter mir bildet und meine Kleidung tränkt.

"HA! DAS SOLL ALLES GEWESEN SEIN? SCHWÄCHLING!", brüllt die Frau und lacht wie verrückt, ehe sie sich zu mir hinunter kniet. "Ein einfacher Vampir... Silberkugeln helfen immer." Sie spuckt mir in mein Gesicht und grinst zufrieden. "Schön und gut, dass du dich für deinen Meister geopfert hast. Aber für was? Idiot..." Und schon richtet sie sich wieder auf. Wut. Wut steigt in mir auf. Einfacher Vampir? Ein FREAK hat mich als einen EINFACHEN VAMPIR abgestempelt?! Integra fängt an zu lachen. "Meine liebe Frau Doktor. Haben Sie sich nicht schon genug gedemütigt?", fragt sie und in diesem Punkt muss ich ihr recht geben. Meine Mundwinkel gehen nach oben. "Sie haben recht, Lady Integra. Und ich finde, dass ich den Müll rausbringen sollte."

Mein Kopf zuckt und langsam erhebe ich mich. Das Blut fließt zurück in meinen Körper. Klar, eine Seele musste dafür drauf gehen. Aber das wird für mich kein Problem sein. Als ich stehe, sehe ich zu der blondhaarigen. Diese nickt mir zufrieden zu und ich drehe meinen Kopf zum weiblichen Freak, die mich fast schon fassungslos ansieht. Die Kugel bahnt sich einen Weg aus meinem Körper und ich fange sie auf, als sie austritt. Mit einem Lächeln betrachte ich sie. "Ein schönes Ding." Dann werde ich ernst. "Aber leider nicht fürs Töten von alten Vampiren gemacht, FREAK." Panik. Das ist sichtbar. Die Augen des Freaks weiten sich ungläubig, ehe sie mit der Pistole auf mich deutet. Ich kann sehen, wie sie abdrücken will. Doch es gibt einen Grund, wieso ein Freak, eben nur ein Freak ist. Ein künstlicher Vampir. Sie haben ihre Defizite. Und ich bin sauer.

Meine Hand greift nach ihrer und ich kann ihr das Handgelenk zerquetschen. Es knackt ekelhaft. Die braunhaarige weicht nun ängstlich zurück, aber das wird nichts bringen. Die Augen rot leuchtend, springe ich auf sie zu und will meine Fänge in ihrer Kehle versenken, als ich etwas Verbranntes wahrnehme und sofort Abstand nehme. Es dauert keine weitere Sekunde mehr, bis die Frau schreiend in Flammen aufgeht. Ist der Doktor damals nicht... gestorben? Selbst ich weiß von der Millennium Organisation und wie das abgelaufen ist. Und die Chips, die man den Freaks dort eingesetzt hat, sollten eigentlich mit dem Doktor verschwunden sein. Offensichtlich nicht. Ein Häuflein Asche bleibt übrig. Mehr nicht. Geschieht ihr recht. "Feuer habe ich lieber im Kamin.", meint die Lady und ich drehe mich zu ihr. Muss ein wenig über ihren Humor schmunzeln.

Dann fällt mir auf, dass da ja auch noch andere sind. Scheiße! Aber die sind mehr als nur geschockt. Und ich noch ein wenig sauer, dass ich ein einfacher Vampir sein soll. Ohne groß darüber nach zu denken, hole ich mir im Austausch von einer Seele, drei weitere. Nun sind es sieben. Sie tot. Ich satt und zufrieden. Ein wenig angeekelt von mir selbst, dass ich wieder die Wut habe übernehmen lassen, wische ich mir mit dem rechten Handrücken über den Mund und mache somit mein Gesicht sauber. Das Blut der anderen kam nicht immer ganz in den Mund, sondern lief auch gern einmal daneben herunter. "Sie hätten mich nicht verteidigen müssen. Und trotzdem haben Sie es getan." Langsam drehe ich meinen Kopf zu Integra, meine Augen erlischen und sind nun wieder normal. Kurz zucken meine Mundwinkel, ehe ich nicke und wieder nach draußen sehe. "Wohl wahr. Aber ich kann meinen Boss wohl kaum einfach so verrecken lassen."

Während des gesamten Angriffes, der nicht mehr allzu lang dauert, bleibe ich bei Lady Integra und unterschreibe, vollgesaut mit dem Blut der toten Soldaten die noch immer hier herum liegen, den Vertrag. Mir ist klar geworden, dass ich nirgends hin kann. Und von Grund auf eine neue Existenz aufbauen? Nein. Darauf habe ich nicht wirklich Lust. Es ist ermüdend, dass immer und immer wieder machen zu müssen. Eine neue Arbeit finden, die Leute in den Ämtern dazu bringen, einen als hier lebend einzuschreiben, sodass auch ja alles offiziell läuft. Heutzutage ist es um einiges schwieriger, unterzutauchen. Alles ist dokumentiert. Überwacht. Für eine Spezies, die nun einmal hunderte von Jahren lebt, ist dies ein klein wenig problematisch. Denn man kann sich nicht als Vampir outen. Man würde als Experiment hergenommen werden, wenn man einem überhaupt Glauben schenkt. Nein. Hier... Hier könnte das alles ein Ende haben. Ein einigermaßen ruhiges Ende.

"Ich werde mir die Freiheit herausnehmen, zu duzen. Du unterstehst nun mir. Und ich würde es präferieren, wenn du dich um die verletzten Söldner kümmerst. Den Weg kennst du sicherlich." Als würde ich ihr schon jahrelang unterstehen, wedelt die Lady mit der Hand von sich weg und widmet sich, als wäre sie nicht gerade bedroht worden, wieder ihren Dokumenten. Ich beobachte sie noch einen Moment lang. Es wird langsam aber sicher klar, wieso sie Alucard und Seras unter sich hat. Auch ich habe einen gewissen Respekt vor ihrer, eigentlich so kleinen Macht. Doch WIE sie diese Macht benutzt, ist wirklich atemberaubend. Ich neige meinen Kopf und schmunzle leicht. "Wie Ihr es wünscht, Lady Integra." Ohne auf ihre Reaktion zu warten, drehe ich mich von ihr weg und gehe aus dem Zimmer. Meine Kleidung vom Blut immer noch vollgesogen. In meinem Mund immer noch der metallene und doch süße Geschmack des roten Lebenssaftes. Und in meinem Kopf die Realisation, dass ich zuhause angekommen bin. Ein Gefühl, dass ich das letzte Mal bei George hatte. Bevor der ganze Mist angefangen hat. Aber hier stellt sich auch ein Gefühl der Heimat ein.

Once I was seven years oldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt