Gestopfte Mäuler sind still

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"Natürlich bin ich besser als ein Mensch." Dieser Kommentar lässt mich wieder schmunzeln und ich nicke. "Ja, das bist du. Besser als jeder Mensch und besser als jeder andere Vampir." Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie Alucard die Schale sinken lässt. "Nicht besser als jeder. Selbst ich habe meine Fehler." Während ich eine Augenbraue hoch ziehe, sehe ich zu dem schwarzhaarigen. "Welche Fehler hast du bitte?" Er kann alles! Doch selbst Alucard muss jetzt einen Mundwinkel hoch ziehen, als sich unsere Augen treffen. "Wenn ich dir meine Fehler verrate, könntest du sie gegen mich einsetzen. Das wäre unschön." "Sagt der URVAMPIR zu einer Draculina, die nicht einmal richtig kämpfen oder lange Reisen im Schatten machen kann, ohne halb zusammen zu brechen!" "Sage ich zu DER Draculina, die durch meinen Schuh gebissen und mich in meinen richtigen Kampfmodus gebracht hat, weil ich sonst nicht Herr über die Situation geworden wäre."

Jetzt bin ich ein wenig stolz. Das muss ich zugeben. Mit einem kleinen grinsen sehe ich auf den Boden. Ich konnte ihm Probleme bereiten. Ein Lob von dem Mann, mit dem alles angefangen hat. "Ist ja gut, alter Mann.", erwidere ich und lehne mich entspannt an ihn. "Du weißt schon, dass ich diesen Arm bewegen muss, oder?" Ein kurzer Blick zu ihm hoch. Dann richte ich mich auf. "Basky? Hier!" Dem Höllenhund gebe ich den Rest von meiner Schale, rücke von Alucard weg, lege mich auf den Rücken und mit meinem Kopf... auf seinen Oberschenkel. Er sitzt im Schneidersitz. "Besser? Passt." Ohne wirklich eine Erlaubnis von ihm einzuholen, oder ihn auch nur zu fragen, liege ich hier und sehe in den Himmel. Der Abend kündigt sich an und die ersten orangefarbenen Strahlen der Sonne erreichen die Wolken, die dieses Licht reflektieren.

"Ich könnte dich einfach runterschmeißen und umbringen.", meint Alucard und ich sehe zu ihm. "Würdest du nicht. Erstens, weil Lady Integra dir auf ewig nicht mehr vertrauen würde und zweitens, hat mich der böse böse Urvampir schon viel zu lieb, als dass er mir ernsthaft Schaden könnte." Ein breites Lächeln ziert meine Lippen. Alucard hingegen zieht nur seine Augenbrauen hoch. Sein Blick skeptisch. Er verzieht sein Gesicht und hält mir im nächsten Augenblick ein Stück Currywurst mit der Holzgabel hin, die es dazu gab. "Halt deine Klappe und iss." Mein Körper erbebt vom Lachen, ehe ich mir das Stück genehmige, welches er mir anbietet. Er hat es nicht verneint, füttert mich... Alucard ist ja doch ein wahrer Gentleman. Versteckt hinter einer Mauer, die dich eigentlich eher umbringt, als den Kern zu offenbaren.

Während der Vampir weiterhin die Schale leer futtert, drehe ich mich auf die Seite und sehe über die Stadt hinweg. An sich ein echt schönes Plätzchen hier. Um es mir gemütlicher zu machen, lege ich einen Arm neben meinem Kopf auf seinen Schoss und kann mich ein wenig anlehnen. Der Tag... war ein hoch und runter der Emotionen. Ich hoffe, dass es nur Anfangsschwierigkeiten sind und dass sich so etwas nicht die ganze Zeit ergibt. Sonst könnte ich schnell unangenehm werden. Ich kenne mich doch. Aus der Ferne kann ich die Leute beobachten, wie sie geschäftig herum schwirren. Nach Hause oder zur Arbeit fahren oder gehen. Einkäufe erledigen. Ich werde ein wenig melancholisch, als ich Familien und Paare sehe. Es war eine schöne Zeit mit George. Damals. Mit den heutigen Standards wäre er kein guter Fang gewesen.

"Alucard... gibt es... Ehen unter Vampiren? Beziehungen?" Meine Stimme ist leise und mein Blick immer noch auf die Stadt gerichtet. "Wir Vampire sind eigentlich eher Einzelgänger, wie du sicher weißt.", fängt er an, lehnt sich auf die Seite und gibt den Rest der Schale an Baskerville, der auch die genüsslich ausputzt. "Zumindest habe ich noch von keiner gehört. Und ich muss zugeben, dass ich von der Ehe zwischen dir und George auch erst einmal überrascht war. Das war das erste Mal, dass ich von so etwas erfahren habe. Normalerweise ziehen wir Vampire uns zurück. Menschen leben viel zu kurz, als dass man so eine enge Bindung knüpfen könnte. Oder sollte. Zu groß ist für viele der Verlustschmerz. Du siehst deinen geliebten altern. Er hat die Krankheiten. Er hat die Probleme. Während du jung und schön geblieben bist. Ohne eine Falte. Ohne verklärten Blick. Er stirbt, während du noch Jahrhunderte weiterlebst." Stille. "Hättest du das wirklich gewollt?"

Im Nachhinein ist immer alles anders. Es gibt wenige Fälle, in denen man noch das gleiche denkt, wenn man es durch hat. Ich drehe mich auf den Rücken und sehe zu Alucard hoch. Dieser bemerkt meinen Blick und sieht mir entgegen. "Aber wenn du wirklich jemanden liebst, Alucard... Dann ist dir Zeit egal. Dir ist egal, wie die Person aussieht. Du kümmerst dich um sie." Irgendwie versuche ich gerade, die Gefühle von damals wieder aufleben zu lassen. Wie ich damals gefühlt habe, damit ich zu dem Schluss gekommen bin, George zu heiraten. "Du weißt, dass das Leben deines geliebten nicht so lange währt, wie es deines nun einmal tut. Du weißt, dass die Momente, in denen man zusammen etwas macht und die man gemeinsam verbringt, wichtig sind. Wertvoll. Moment, die du nach 70 oder 80 Jahren nicht mehr wiederholen kannst. Wenn dir jemand wichtig ist..." Ich verstumme und sehe in den Himmel. Lächle leicht.

"Wenn dir jemand wichtig ist, tut man alles für ihn. Man gibt kleinere Teile von einem selbst auf, um Kompromisse einzugehen. Du bist dankbar für jeden Moment, den du mit dieser Person hast. Und du kannst mit einem Lächeln an die Augenblicke denken, die dich geprägt haben." Langsam lege ich meine Hände auf meinen Bauch und seufze. "Zumindest, wenn es normal abgelaufen wäre." Das Lächeln verschwindet. Die Bilder von George in Marinetté tauchen in meinem Kopf auf. "Das ist das Problem bei Menschen.", meint Alucard und lässt die Bilder in den Hintergrund rücken. "Menschen wissen nicht, wie dankbar sie sein können, wenn sie einen Partner gefunden haben. Lange leben sie nicht mehr, wenn der geliebte verstorben ist. Außer, es war ein Gewaltverbrechen. Sie haben keine Ahnung, wie es anders ablaufen können. Dass man Treue nicht nur groß schreibt, weil es ein Nomen ist."

Zustimmend nicke ich. "Außerdem haben wir Vampire nicht den Drang, alles und jeden zu Vögeln, weil das mit der Reproduktion ein wenig anders ist.", fügt der Urvampir hinzu und ich sehe wieder zu ihm. Erneut kommt ein Grinsen auf mein Gesicht. "Sag nicht, dass dich DAS jetzt aufgemuntert hat." Ich sage nichts, sondern grinse nur vor mich hin. Er schnipst mir gegen die Stirn und schnaubt. "Du bist immer noch verdammt kindisch.", brummt er entgeistert und ich ziehe eine Schmolllippe, ehe ich wieder lache. "Besser so, als alt und grummelig!", erwidere ich nur und lasse es zu, dass er sich nach vorn beugt. "Wie bitte?", fragt er und ich weiß, dass er es verstanden hat. Nur gibt er mir jetzt noch eine Chance, meine Aussage zu revidieren. Alle Anspannung fällt von mir ab und in meinem Hirn scheint es auch kurz Stromausfall zu geben. "Aber älter ist eh besser.", flüstere ich, ziehe ihn zu mir runter und lege meine Lippen auf seine. Ein Impuls, den ich nicht kontrollieren konnte. 

Once I was seven years oldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt