chapitre dix-neuf

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Ich konnte es selbst kaum fassen, dass ich mich tatsächlich schon wieder auf eine schier endlos scheinende Autofahrt machte, nur um endlich so meinen Eltern vor die Augen zu treten wie ich es schon längst mal hätte tun sollen. Trotz der unterschwelligen Nervosität (ich zuckte in einer Tour mit meinem linken Knie, Gott sei Dank musste ich nicht schalten) hatte ich mich selten so sicher gefühlt wie gerade.

Vielleicht hatte ich aber auch nie zuvor einen derartig triftigen Grund gehabt, für mich und mein Leben einzustehen.

Die Stereoanlage ließ meinen Wagen vibrieren, so sehr hatte ich meine Oldies But Goldies Playlist aufgedreht. Noch niemals in meinem Leben hatte ich überhaupt etwas anderes als Podcasts oder Hörbücher auf einer Autofahrt gehört, und jetzt konnte ich von Glück reden, wenn mich meine Lautsprecher nicht von der Fahrbahn weg driften ließen. Ich musste vollkommen verrückt geworden sein. Diese Strecke so mir nichts dir nichts auf mich zu nehmen, dann auch noch mit geplanter Rückfahrt am selben Tag – wo war der Schisser geblieben, der Louis Tomlinson einst gewesen war?

Mir entfloh ein ekstatischer Freudenquietscher, als ich mit breitem Grinsen auf den Lippen die letzten Wochen in meinem Kopf Revue passieren ließ. Kaffee war für mich kein Gift mehr, mein Zuckerkonsum hatte sich Dank der Boulangerie vermutlich verzehnfacht und noch dazu war ich in Hamington mittlerweile einer der beliebtesten und bekanntesten Bürger, weil ich im Eifer des Gefechts das Leben eines kleinen Jungen gerettet hatte.

Was für ein kranker Scheiß! Doch als diese Endorphin-Welle wieder abklang, sah ich letztendlich doch nur eine einzige Person klar und deutlich vor Augen, die eigentlich der ursprüngliche Auslöser für all diese Dinge gewesen war. Harry. Wie sollte ich es auch leugnen? Nichts von all dem war geplant gewesen, noch vor einem Monat war ich außerdem zu hundert Prozent sicher gewesen, dass ich in Hamington absolut vereinsamen würde und mein Vater mich ein weiteres Mal nur mitleidig belächeln würde. „Ich hab' es dir ja gleich gesagt, mein Junge. Irgendwann kommst du immer zu Papi zurück", würde er süffisant bemerken und Hamington wäre ein weiteres abgehaktes Kapitel in meinem Leben, an dem ich gescheitert war.

Doch jetzt war alles anders gekommen. Und ich verspürte tiefe Dankbarkeit dafür. Mir war sogar dieser blöde aufblasbare Santa Claus mitten in der Stadt ans Herz gewachsen – allein aus dem Grund, dass er Leuten wie den Wilsons immer wieder ein breites Lächeln aufs Gesicht zauberte vor lauter Stolz. Und das waren Gefühle, die meine Eltern nie verstehen, geschweige denn selbst spüren würden. Also war ich nun derjenige, der Mitleid mit ihnen hatte.

•••

Als ich schlussendlich vor der riesigen Eingangstüre zu meinem Elternhaus stand, schlotterten mir die Knie gehörig. Nun wieder hier zu sein machte etwas mit mir. Keine Ahnung was genau, denn wenn man Angst und Zuversicht zur selben Zeit verspürte, wusste man gar nicht mehr, wo einem der Kopf stand.

Aber genau das war der Punkt. Es war endlich Zeit für Klarheit. Wenn ich hier also noch länger rumstehen würde, würde das zu gar nichts führen außer vielleicht, dass ich festfror und meine Eltern mich nie wieder aushalten mussten, sondern am Ende noch Kosten zu tragen hatten, um mich vom Anwesen weg zu schaffen.

Mit zusammengekniffenen Augen schüttelte ich verstört den Kopf über meine eigenen Gedankengänge. Meine Güte, du solltest dich zusammenreißen, du törichter Esel. Rein da jetzt! Okay, vielleicht wartete ich doch noch eine klitzekleine Minute. Nur einen Moment, dann würde ich reingehen. Vielleicht.

„Mr.Tomlinson? Was verschlägt Sie denn hierher? Ihre Eltern haben Sie überhaupt nicht angemeldet." Verdutzt starrte ich das Dienstmädchen vor mir an, das mir bei meinem letzten Besuch hier so angenehm aufgefallen war. Na immerhin konnte ich jetzt nicht länger hier einfach blöd herumstehen, sondern musste agieren.

Un rêve de noël (larry stylinson)Where stories live. Discover now