Kapitel 18

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Kenma hat es aufgegeben immer im gleichen kleinen Plastikstuhl neben Kuroo's Bett zu sitzen. Stattdessen lag er bei ihm, sodass ihre Körper aneinander gepresst wurden. Auch wenn er ständig aufpassen musste, dass er keine Schläuche knickte, war es das wert. So konnte er Kuroo näher sein. Außerdem wärmte er ihn damit. Kuroo war mittlerweile noch empfindlicher was Kälte anging, also war es ein Gewinn für beide.

Kenma summte zart als er Emails für seine Arbeit beantwortete. Es schien, als würden es immer mehr werden, aber sie lenkten ihn zumindest etwas ab. Wenn man es so sieht, waren sie gar nicht so schlimm.

„Kannst du's glauben, dass einer der Angstellten letztens mit der Idee aufkam, dass wir Sportkleidung anbieten sollten?" fragte Kenma. Kuroo hatte vor ein paar Monaten erwähnt, dass es ihn beruhigt, wenn Kenma mit ihm spricht. Deswegen gab er sein Bestes, ihm das zu erfüllen. Kuroo hatte oft nicht die Energie zu antworten, aber das stoppte Kenma nicht, es ihm trotzdem zu erzählen.

Zu irgendeinem Zeitpunkt haben sich ihre Rollen einfach getauscht. Normalerweise war ja Kuroo derjenige, der Stille mit sinnlosem Gebrabbel oder Lachen füllte. Doch die Stille war zu bedrückend, als das Kenma sie akzeptieren könnte.

„Ja, also, Sportkleidung. Für eine Videospiel Firma. Alles nur, weil wir Shōyō sponsern. Seltsam, nicht wahr?" Kenma klickte auf die nächste Email. „Ich sagte ihm, da es nichts wirklich Wichtiges ist, könnten wir in der Zukunft nochmal darüber nachdenken."

Kenma's Angestellte gaben ihr Bestes sich auf seine aktuelle Situation einzustellen, etwas was Kenma nicht erwartet hatte. Sie kamen jetzt von selbst mit vielen neuen Ideen und Konzepten auf und überarbeiteten sie, damit Kenma dies nicht machen musste. Es störte sie nicht mal, dass er kaum noch im Büro war (auch wenn manche ihn schon dabei erwischten, wie er an seinem Schreibtisch einschlief, wenn er mal da war).

Kenma verbrachte mehr Zeit im Krankenhaus und auf der Arbeit als Zuhause. Der antibakterielle Geruch und die grellen Lichter wurden allmählich zu einem bekannten Komfort. Er hatte das Gefühl, dass er in einem Apartment, in dem Kuroo nicht ist, nicht mal ohne Bedenken herumlaufen könnte.

Mal abgesehene davon, dass sein Zuhause dort ist, wo Kuroo ist.

Kenma drehte sich zu Kuroo um. Seine Augen waren offen- ein Zeichen, dass heute ein guter Tag war.

Gute Tagen kamen nicht mehr so oft. Kuroo's Haut hatte mittlerweile eine graue Farbe, dazu noch seine eingefallenen Wangen und die dunklen Ringe unter seinen Augen. Kenma erwischte sich oft selbst dabei, wie er auf Kuroo's sich hebende und senkende Brust starrte. Es war eine Erinnerung an ihn, dass er noch da war; noch atmete. Kaum was anderes mehr brachte ihm so viel Komfort.

Er hob eine Hand um Kuroo's Wange zu streicheln. „Hey, Schöner."

Kuroo antwortete, in dem er ein paar mal blinzelte, die Andeutung eines Lächelns war auf seinen Lippen zu sehen. Das zu sehen, brachte Kenma ebenfalls zum Schmunzeln. Er hatte die letzten Monate gelernt, vertrauter mit seiner Zuneigung umzugehen und machte nun alles um Kuroo überhaupt lächeln zu sehen.

Er lehnte sich zu ihm runter und küsste ihn auf die Stirn. Abgesehen von den Umständen, war er noch genauso verliebt wie davor; er wollte sichergehen, dass Kuroo dies weiß.

„Hey," Kuroo's Stimme war leise; so leise, dass nicht mal Kenma sich sicher war, ob er es richtig gehört hat. Seine Augen wurden glasig. Er hat diese Stimme mehr vermisst, als er gedacht hatte. „Kann ich-" Kuroo stotterte und stoppte um atmen zu können.

Kenma nahm seine Hand. „Alles okay, nehm dir so viel Zeit, wie du brauchst."

Ein paar Minuten vergingen, bis Kuroo die Kraft hatte erneut anzufangen. „Kann ich dir was sagen?"

Er drückte Kuroo's Hand leicht. „Natürlich."

„Ich hab etwas für dich da gelassen," fing Kuroo an, seine Rede schwank so, dass es sich anhörte, als würde er versuchen Unterwasser zu sprechen. Kenma verstand ihn trotzdem. „In unserem Apartment."

Kenma zog die Augenbrauen hoch. Er war zwar lange nicht mehr in ihrer Wohnung gewesen, aber er hätte sicherlich bemerkt, wenn Kuroo etwas dort gelassen hätte.

„Was ist es?"

Kuroo summte. „Wenn du bereit bist, siehst du's selbst."

Er war sich nicht sicher, ob ihm gefiel, was Kuroo damit meinte. Doch vertraute Kenma ihm genug, um nicht weiter nachzufragen.

Wenn er bereit ist. Als gäbe es ein Universum, in dem Kenma bereit sein kann für das, was noch kommen wird. Er war sich unsicher, ob er es mittlerweile akzeptiert hatte.

Solange Kuroo die Worte nicht sagt, gibt es noch eine Chance, oder?

„Wo ist es?" Kenma passte sich Kuroo's Lautstärke an und flüsterte.

Kuroo versuchte zu lachen, doch der Versuch brachte sein Gesicht dazu, sich in eine Grimasse des Schmerzes zu verwandeln. Kenma strich sofort mit seinen Händen durch seine Haare und versuchte ihn irgendwie dadurch zu bringen. Er konnte seinen physischen Schmerz nicht verhindern, aber der Körperkontakt beruhigte ihn. „Shh, alles wird gut." säuselte Kenma ihm zu, während er weiterhin mit seinen Fingern durch sein schwarzes Haar glitt.

Wenn der Kenma von vor zwei Jahren gesagt bekommen hätte, wie viel Zuneigung er mal zeigen wird, hätte er es nicht geglaubt.

Es war seltsam, wie solche Situationen einen Menschen verändern konnten.

Innerhalb weniger Minuten konnte Kuroo seine Atmung wieder kontrollieren und sein Gesicht zeigte die Statue-ähnlichen Merkmale.

„Sorry-"

„Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst." unterbrach Kenma ihn. Das war das erste Mal seit langem, dass er ihn abschnitt, aber die Worte mussten gesagt werden. Er ließ es nicht zu, dass Kuroo denkt, dass das alles seine Schuld war. „Du bist perfekt."

Er meinte es.

„Wo war ich?"

Kenma strich die Haare aus Kuroo's Gesicht. Ito hatte erwähnt, dass Vergesslichkeit eines der letzten Symptome von ALS ist. Er vergaß in letzter Zeit öfter mal etwas, doch Kenma wollte darauf nicht beharren.

„Du wolltest mir sagen, wo das Ding ist, was du für mich im Apartment gelassen hast." antwortete er.

„Oh, ja. Du kennst doch das Regal im Kleiderschrank. Das wofür du zu klein bist?" Da war ein fröhlicher Ton in Kuroo's Stimme. Kenma hätte nie gedacht, dass er diesen noch einmal hören würde. Es berührte ihn so sehr, dass er nicht einmal bemerkt hatte, dass Kuroo sich erneut über seine fehlende Körpergröße lustig gemacht hat.

Tief in seinem Herzen war er immer noch der alte Kuroo.

„Ich weiß welches du meinst. Dort ist es?"

Kuroo nickte leicht. Kenma lehnte sich etwas nach vorne, um einen Kuss auf Kuroo's Kiefer zu platzieren. „Danke, Liebling."

Vielleicht kommt der Tag noch, an dem Kenma bereit ist zu wissen, um was es geht.

the galaxy is endless (I thought we were, too) (german)Where stories live. Discover now