Kapitel 21

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Die Beerdigung war nicht lange danach.

Es kamen viele Leute, die meisten kannte Kenma nicht einmal. Kuroo's Freunde von der Arbeit, anscheinend. Er versuchte sie nicht zu verurteilen, weil sie Kuroo kein eines Mal besucht hatten, auch wenn ihnen bewusst war, dass dies ihre letzte Chance gewesen wäre.

Ein paar von diesen zeigten heute ihr Beileid, zu dem Kenma höchstens ein 'Danke' stotterte. Einer von ihnen meinte sogar, dass die Wahl der Blumen Arrangements liebevoll wäre, aber Kenma empfand das als dummen Kommentar.

Die Beerdigung konnte man eh nicht wirklich Kenma zuschreiben. Akaashi war derjenige, der sich um die Vorbereitungen der Trauerfeier gekümmert hatte, während Kenma damit beschäftigt war, genau das vorzubereiten, was alle von ihm erwarteten. Ein simpler Service um die Erinnerung an Kuroo zu ehren.

„Bist du dir sicher, dass du die Rede heute halten kannst?" fragte Akaashi neben ihm. Es war offensichtlich, dass Akaashi besorgt um ihn war. Das waren sie alle, doch zwangen sie Kenma in Bokuto's und seinem freien Schlafzimmer zu bleiben, solange bis seine Angst nachlässt, bewusst, dass seine Emotionen und Aktionen ständig schwanken.

Denn trotz allem, wer würde nicht an der Beerdigung seines Seelenverwandten weinen?

Leute, die ihn kaum kannten, starrten ihn unübersehbar an, wunderten sich, warum er keine einzige Träne vergoss. Oh, der emotionslose CEO, er hat sich vermutlich kein bisschen um seinen Seelenverwandten geschert und trauert daher nicht. Wie schrecklich für den armen Kuroo, so jung und ungeliebt zu sterben.

Doch was sie nicht wussten, Kenma hat schon getrauert. Er trauerte jeden einzelnen Tag, seitdem Kuroo es ihm gesagt hatte. Kein einziger Tag ist vergangen, an dem Kenma sich nicht fühlte, als würde er in bodenlosem Leid ertrinken.

Er musste nicht vor dieser Menge an Menschen weinen, die ihn nicht interessierten. Sie würden es eh nicht verstehen.

Trauer war eine komische Sache. Kenma wünschte, es wäre so wie in Filmen. Er wünschte, er könnte es aus seinem System herausweinen, schreien, bis er nichts mehr fühlt, vielleicht einen Becher Eis essen, um sich selbst zu trösten und dann mit der Motivation die Erinnerung an Kuroo zu ehren aufstehen und schlussendlich einfach sein Leben weiterführen.

Trauer war nicht so poethisch, wie Fiktion sie wirken ließ.

Für Kenma fühlte sich Trauer an, wie ein schwarzes Loch an Stelle des Herzens in der Brust. Es war, als wäre er hohl, komplett betäubt.

Er nickte zu Akaashi und hielt ein Blatt Papier in den Händen, auf dem die Versuche einer Rede standen. Er fand schnell heraus, dass es keine Worte gab, die Kuroo auch nur irgendwie nah kamen, oder beschreiben könnten, was für eine Person er war.

„Okay, wir sind für dich da." fügte Bokuto von Akaashi's anderer Seite hinzu. Die Drei saßen in der 1. Reihe, Bokuto's Arm über Akaashi's Schulter, damit er Kenma's Arm reichen und streicheln konnte. Seine Augen waren rot, so wie letzte Woche.

Ohne Weiteres begann die Zeremonie. Kenma versuchte den Worten des Bestatters zuzuhören, aber es war, als wären sie statisch, kein einziges Wort, welches er wirklich verstehen konnte.

Er hatte das gleiche Problem mit der Rede von Kuroo's Freund von der Arbeit, den er nicht erkannt hatte und mit der von Bokuto, wessen Rede so emotional war, dass kein einziges Auge im Publikum trocken blieb, bis auf Kenma's.

Und dann war Kenma an der Reihe. Akaashi legte seine Hand auf seinen Rücken, als er aufstand, dann lief er los, ein Fuß nach dem anderen. Als er am Rednerpult ankam, atmete er tief ein und glättete sein Papier, um es vorzutragen. Aber als seine Augen die Wörter überflogen, konnte er nicht anders als zu wissen, dass sie nicht gut genug waren. Sie kamen nicht mal ein Hauch an die Person von Kuroo heran. Also würde Kenma sie auch nicht sagen.

Stattdessen versuchte er mit seinem Herz zu sprechen. Was er auch Kuroo sagen würde, wenn er hier wäre. Vielleicht hörte er ja zu.

„Hi" fing er an. „Ehm, falls wir uns nicht kennen, ich bin Kenma. Ich bin Kuro's- Ich meine Tetsurou's Seelenverwandter" Er hat diesen Satz bewusst im Präsens gesagt. Kenma war, ist, und wird immer Kuroo's Seelenverwandter bleiben, es war ein Titel, den er für immer mit Stolz tragen wird.

„Ich denke mal wir wissen alle wie glücklich wir uns schätzen können, dass wir Kuroo in unserem Leben haben durften. Es gibt so gut wie niemanden, wie ihn. Wenn mir jemand erzählen würde, er sei ein Engel getarnt als Mensch, ich würde ihm glauben. Er hielt andere Menschen immer oben, unterstützte sie und liebte sie bedingungslos. Ich habe mir immer gewünscht, die Welt durch seine Augen sehen zu können. Er brachte mir viel über sie bei. Nicht nur das ganze Wissenschaftszeug, von dem er so viel hielt, sondern auch ganz andere Dinge. Eine Millionen Lektionen über das Leben, was es heißt freundlich zu sein, was es heißt wirklich stark zu sein, und wie man alle Lasten aushalten kann. Er brachte mir bei zu lieben. Er brachte mir bei, wie es sich anfühlt geliebt zu werden." Kenma's Gehirn schaltete sich auf Autopilot. Worte, die er nie ausgesprochen hätte, wenn er sich nicht fühlen würde, als würde sein Herz jeden Moment in tausend Stücke zerrissen werden.

Kenma konnte Bokuto's Schluchzen vom Pult aus hören. Er wunderte sich, ob er vielleicht auch weinen sollte.

„Seit meinem 7. Lebensjahr wusste ich, dass Kuroo die Person für mich war. Ich hatte in diesem Leben unendliches Glück die Ehre zu haben, sein Seelenverwandter zu sein. Ich brauchte kein Zeichen, um dem bewusst zu sein. Wir überstanden alles zusammen. Wir haben jede neue Erfahrung miteinander geteilt. Es hätte keine andere Person sein können. Für mich war es schon immer Kuroo." Kenma's Worte waren ein Echo von denen, die Kuroo ihm gesagt hatte, als er noch 16 war. Und doch fühlten sie sich nicht so bedeutungsvoll an, als die, die damals aus Kuroo's Mund kamen.

Kenma hätte noch mehr sagen können. Er hätte ein paar ihrer wichtigsten Erinnerungen erzählen oder Einblick in ein paar ihrer Konversationen geben können. Oder all die Wege wie Kuroo seine Träume immer wieder wahr werden ließ, doch irgendetwas hielt ihn zurück.
Diese Momente waren heilig, geteilt von Kuroo und ihm allein. Es fühlte sich komisch an, dies nun zu ändern.

Stattdessen biss sich Kenma auf die Lippe. „Ich liebe ihn."

Das war alles, was Kenma zu sagen hatte.

the galaxy is endless (I thought we were, too) (german)Where stories live. Discover now