96|Mit allen meinen Sinnen

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𝙴 𝙽 𝙴 𝚂

,,Nichts.. ich hab' nichts gemacht", sprach sie ängstlich mit zittriger Stimme. ,,Ich schwöre Enes"

,,Was ist passiert?" Langsam verlor ich die Geduld. ,,Ich.. Ich war nur auf der Toilette und hab mich etwas aufgehalten und mit jemandem gequatscht und.. und als ich wieder kam, lag sie einfach da.. kaum bei Bewusstsein. Ich.. Ich glaube jemand hat etwas ins Getränk gemischt oder so"

Als ich das leere Glas sah, griff ich danach, um daran zu riechen. ,,Das ist Alkohol. Das hätte sie niemals bestellt", bemerkte ich, nachdem ich an dem letzten übrig gebliebenen Tropfen roch.

,,Sie muss unsere Getränke verwechselt haben. Sie sehen genau gleich aus"

Vor Wut brodelnd schrie ich sie an. ,,Dieser Scheiß war also für dich bestimmt? Du hättest hier so liegen sollen und nicht sie!"

,,Enes.. Ich.. ich konnte doch nicht wissen, dass so etwas passiert... wie kannst du so etwas sagen?" Immer stärker stotterte sie. Vor Angst machten ihre zittrigen Beine zwei kleine Schritte zurück.

,,Ganz einfach. Siehst du doch. Es war dein Getränk. Jemand wollte es dir untermischen. Es war deine Idee überhaupt hier her zu kommen. Ich will dich nie wieder in ihrer Nähe sehen, damit das klar ist!"

Ich packte Liyas restliche Sachen, drehte mich schnell um und versuchte mich mit großen Schritten durch die Masse zu schlängeln.

,,Enes.. Lass mich helfen!", rief sie besorgt, kam mir hintergerannt und zerrte an meiner Schulter. ,,Verpiss dich ins Hotel, bevor du auch noch so endest" Mit einem Ruck zog ich meine Schulter von ihr und lief nun immer schneller zum Ausgang.

Ein leises Raunen kam von ihr. Sie rollte ihren Kopf etwas zur Seite. Gut.. Sie kommt anscheinend etwas zu sich. Meine Hände waren so zittrig, dass ich das Gefühl hatte, dass sie mir jede Sekunde aus dem Griff rutschen könnte. Ihre nasse Schwimmkleidung ließ mit jedem Schritt einen neuen Tropfen an meinem Körper entlang laufen. Ihre zarte Haut war so warm, dass ihre Wangen ganz rot waren. ,,Enes?", nuschelte sie noch immer mit geschlossenen Augen. ,,Pssht! Alles Gut!"

Ich wünschte, ich wäre selbst davon überzeugt. Panisch rannte ich noch immer planlos in Richtung Hotel. Mir fiel der Sanitätsraum dort ein. Meine Beine bewegten sich nun immer schneller. Mein Herz schlug immer zügiger und meine Angst stieg immer weiter an. Wie ein Volltrottel sah ich wahrscheinlich aus, als ich versuchte über nicht allzu unebene Straßen  zu rennen, damit sie nicht noch mehr durchgeschüttelt wird, als eh schon. ,,Alles gut...Wir sind gleich da", hauchte ich ihr zu, nachdem sie wieder leise quengelte.

,,Hey!", rief ich einem Mädchen hinterher. ,,Tür auf! Schnell!", schrie ich, während ich zur Tür rannte. Sie reagierte schnell und öffnete mir die Tür.

Mein Kopf drehte sich hin und her. Mein Atem war so laut, dass ich das Gefühl hatte, meine eigenen Gedanken nicht hören zu können. Wo ist dieser scheiß Raum gewesen? Wutgeladen, mit Angst gefüllt und von Panik übernommen lief ich durch den Gang und öffnete jede einzelne Tür, an der ich vorbei ging.

,,Spinnen Sie oder was?", kam mir gefühlt nach jeder zweiten Tür, die ich unerlaubt und ohne zu klopfen aufriss, entgegen, bis ich endlich den Sanitätsraum gefunden hatte. Ich traf auf eine freundliche Frau, die versuchte mich zu beruhigen, während ich Liya zur Liege brachte und völlig neben der Spur versuchte zu schildern, was vermutlich geschehen war. Ich bekam halbwegs mit, wie die Frau mich bat vor der Tür Platz zu nehmen. Mein Bein zappelte unkontrolliert. Mein Gesicht stützte ich auf meine schwitzigen Hände und mein Kopf war wie leer geräumt. Ich starrte Löcher in die weißen Wände und kratzte immer wieder unruhig den Lack des Stuhles ab. Die Minuten wollten einfach nicht vergehen. Das letzte, was ich zu ihr gesagt hatte bevor ich ging war, dass ich mich endgültig von ihr entfernen würde. Wie konnte ich mich nur so sehr von meinem gekränkten Ego leiten lassen?

Ego vs. EgoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt