47|Der einzige Junge

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𝙴 𝙽 𝙴 𝚂

Am nächsten Morgen

,,Aliiiyaaa! Wir sind wieder daaa"
Wurde ich von einer weiten Stimme aus dem Schlaf geweckt und plötzlich sprang Liya, die bis vor einem Moment noch in meinen Armen schlief, panisch aus dem Bett.

,,Steh auf! Steh auf! Steh auf!", zischte sie mich hektisch an und zog sich lange Sache  über ihre kurzen Schlafsachen. Verwirrt richtete ich mich auf dem Bett auf und rieb mir meine Augen wieder klar. ,,Was ?", fragte ich halb gähnend. ,,Meine Mutter ist da ! Du hast nicht hier gepennt! Zieh dich an! Los!", fauchte sie mich an und warf mir mein T-shirt an den Kopf. Ich zog mich schnell an und wir hörten von unten ihre Mutter rufen ,,Keiner zu Hause ?" ,,Schnell! Wenn sie ins Zimmer kommt, sieht sie, dass du hier gepennt hast", hetzte sie mich panisch.

Gerade als wir den Raum verlassen wollten, hielt ich sie am Oberarm fest und zog sie mit einem Ruck an mich ran ,,Diesmal kommst du nicht so leicht davon", flüsterte ich und sah ihr dabei in die Augen. ,,Ich weiß nicht was du meinst", versuchte sie mich abzuwimmeln und sich aus meinem Griff zu lösen, worauf hin ich sie nur noch fester hielt. ,,Du wirst nicht wieder so tun, als wäre nichts passiert!", flüsterte ich ihr ins Ohr und sie löste sich wütend aus meinem Griff und wir liefen aus ihrem Zimmer.

Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Ich hab das gestern doch nicht geträumt.. oder ?!
Sie verwirrt mich so sehr, dass ich schon fast meinen Verstand verliere. Natürlich habe ich es nicht geträumt. Sie kann doch nicht einfach so tun, als wäre nie was passiert.
Sie hat Glück, dass ihre Mutter jetzt gerade da  ist und sie der Konfrontation aus dem Weg gehen kann.

,,Ablaaa", lief ein kleiner Junge mit offenen Armen auf sie zu und sie umarmten sich innig.
Das ist anscheinend ihr kleiner Bruder Arda. Von ihm hatte sie mir einige Male erzählt.
Ihre Mutter bemerkte mich und lächelte. Ich lief gerade zu ihr und streckte meine Hand aus, als ich mich vorstellen wollte. ,,Enes. Ich weiß schon.", kam sie mir zuvor und schüttelte mir lächelnd die Hand. ,,Deine Mutter hat mir schon erzählt, dass ich dich wahrscheinlich hier auffinden würde.", grinste sie uns beide an und ich konnte Aliyas Verlegenheit spüren.

,,Was habt ihr so schönes gemacht? War alles gut bei dir mein Schatz?",fragte sie Liya, die gerade noch immer ihren kleinen Bruder umarmte. Ich hatte das Gefühl, bei einer Familienangehörigkeit zu stören.

,,Wow, das ist ja ein richtig cooler Ball.", staunte ich über den Ball, den Liyas kleiner Bruder in der Hand hielt und wollte mich damit auch eigentlich nur aus der peinlichen Situation ziehen. Ein süßes, kleines Lächeln bildete sich in seinem Gesicht und brachte genau das selbe Grübchen zum Vorschein, welches auch immer Liyas Wange beschmückte. ,,Wollen wir draussen Fußball spielen ? Ich hab voll coole Tore in meinem Garten", versuchte ich ihn zu begeistern und wir sahen beide sofort die Mutter an und warteten auf ein bestätigendes Zeichen.
Sie nickte lächelnd und sein Grinsen wurde größer.

,,Ich bin Enes.", streckte ich ihm die Hand aus, als wie gerade zu meinem Garten, direkt neben an, liefen. ,,Du bist Arda, oder ?", Er schien noch ein wenig schüchtern und nickte nur lächelnd. ,,Sind du und meine Schwester Verliebte ?" Ich lachte leicht auf, da ich nicht mit der Frage gerechnet hatte und seine Formulierung sehr süß klang.

,,Nein. Wir sind", ich seufzte lächelnd ,,Nur Freunde", teilte ich ihm mit und legte meinen Arm kopfschüttelnd um seine Schulter. ,,Oh Wow!", staunte er mit großen Augen. ,,Euer Garten ist ja voll cool" Er ließ seinen Ball sofort fallen und schoß ihn in eines der Netztore. Ich liebe die nervigen Zwillinge aber ich hatte mir schon immer einen kleinen Bruder gewünscht. Er war anfangs etwas scheu aber taute, dank meinen Witzen und meinem guten Umgang mit Kindern, schnell auf. ,,Enes Abi! Enes Abi! Guck jetzt !", rief er total aufgeregt, als er mir einen seiner Tricks präsentierte, über die ich natürlich viel zu übertrieben staunen musste. Er war sehr süß. Er sah ihr so ähnlich. Vorallem wenn er lachte, sah ich jedesmal sie in ihm.

Gestern Nacht ging mir nicht aus den Gedanken. Diese Szene spielte sich immer und immer wieder unkontrollierbar in meinem Kopf ab. Wie eine kaputte Kassette. Ich wollte es  nicht einmal . Diese Gedanken in meinem Kopf. Ich wusste nicht wieso es diesmal so eine große Sache für mich war. Wieso sie jetzt wieder so tat, als wäre nichts gewesen.... Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich wirklich mit ihr drüber reden wollte. Ich wollte auf keinen Fall, dass es unsere Freundschaft beeinträchtigt aber gleichzeitig war das definitiv kein freundschaftliches Verhalten, was zwischen uns vorging. ,,Enes Abi hadi!", riss mich Arda mit seiner noch hohen Stimme aus meinen Gedanken und ich schüttelte mir meinen Kopf frei von ihnen.

Aus der Puste saßen wir beide auf dem kühlen Rasen. Zu hören waren nur die zwitschernden Vögel und unser rauer Atem. ,,Du bist viel cooler als deine Schwester! Die ist immer gemein zu mir", Ich gab ihm einen kleinen Stoß mit meinem Ellenbogen. ,,Ja..Sie kann manchmal wirklich gemein sein", stimmte er mir lachend zu. ,,Ich glaube das ist weil du ein Junge bist", fügte er hinzu und verwirrte mich ein wenig mit dieser Aussage. ,,Hm?", fragte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen. ,,Abla hat immer gesagt, dass ich der einzige Jung bin, den sie liebt und sie alle anderen Jungs nicht mag", teilte er mir in dem unschuldigsten Ton, den ich je gehört habe mit und zuckte mit den Schultern. ,,Ja! Daran wirds liegen", nickte ich lachend. ,,Ich hab eine Idee", ich lehnte mich zurück und stütze mich auf meinen Händen ab.

Er sah mich gespannt an. ,,Hier hat seit gestern ein Rummel aufgemacht. Der soll echt cool sein. Hättest du Lust hinzugehen?" Wir haben gerade mal eine Stunde miteinander verbracht aber ich hatte schon das Gefühl, als wäre er mein kleiner Bruder. Seine  Augen leuchteten vor Freude auf und er nickte hektisch. ,,Wollen wir deine gemeine Schwester fragen, ob sie mitkommt ?", Ich stand auf und reichte ihm meine Hand, um ihm auf zu helfen.

,,Ablaaaa", rief er, vom Garten aus, als wir vor ihrem Fenster standen. ,,Ablaaa"
,,Was ist?", streckte sie endlich ihren Kopf aus dem Fester . Natürlich weigerte sie sich anfänglich. Anders habe ich mir ihre Reaktion auch gar nicht vorgestellt. ,,Sie ist so eine Zicke", flüsterte ich Arda zu und brachte ihn zum Kichern.

,,Was hat er gesagt?", Ihre Augenbrauen zogen sich sofort wütend zusammen und sie brachte uns beide noch mehr zum Lachen. Wider Willen willigte sie schlussendlich ein und wir begaben uns, nach dem wir die Erlaubnis der Mutter bekommen hatten, in mein Auto.

Liya würdigte mir keinen Blick und benahm sich so, als wäre es der erste Tag an dem wir uns kennengelernt hatten. Vollkommen distanziert und kalt. Das war sie zwar sowieso immer aber nie in diesem Ausmaß.
Sie setzte sich kommentarlos mit Arda nach hinten auf den Rücksitz.

,,Ich wills nicht", brachte sie heraus, als ich gerade mein Handy nach hinten reichte. ,,War auch nicht für dich gedacht. Hier Arda such du unsere Musik aus", mein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen und sah durch den Innenspiegel, dass auch sie ihres zurückhalten musste.
Ich unterhielt mich die gesamte Fahrt über mit Arda und sie brachte keinen einzigen Ton raus.

Ego vs. EgoWhere stories live. Discover now