[04] Unknown Number

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Es ist der nächste Tag und wir müssen dorthin, wo wir, ausser Pope, gerade am wenigsten sein wollen: in der Schule.

Das Auto hält an und ich will nach JJ aussteigen, jedoch blockiert er mir den Weg, weil er noch einen Schluck von seinem Flachmann nimmt. Dieser gewinnt meine Aufmerksamkeit.

,,Hey, chill mal", kommt es von Kie. ,,Wenn ich umkippe, dann ignoriert mich", meint er und will den Alkohol weglegen, jedoch greife ich danach und trinke ebenfalls. JJ schaut mich überrascht an. ,,An diese Ash könnte ich mich gewöhnen." Ich lege die Flasche lächelnd weg, nehme meinen Rucksack und steige ebenfalls aus.

,,Du solltest keinen zweiten JJ aus ihr machen, schon vergessen?", sagt Kie genervt und Pope kommt ebenfalls zu uns, indem er um das Auto läuft. Der Blondhaarige legt einen Arm um mich. ,,Die Transformation ist erst vollendet, wenn sie eine Waffe hat." Ich greife lächelnd nach der Hand meines Freundes. ,,Besorgst du mir eine?" ,,Das ist nicht lustig", ermahnt uns Kie.

Wir laufen Richtung Eingang, als wir die ganzen Blicke um uns bemerken. JJ löst sich von mir und sieht sich um. Ich atme tief aus und gehe weiter, als wir bei John Bs Gedenkstein vor der Schule ankommen. Wir bleiben stehen.

Das Shortboard mit der Aufschrift "John Booker Routledge" und den Bildern hat JJ hingestellt. Ich war wütend auf ihn, weil er es nicht so gelassen hat, wie es war, weil er mir nicht glauben wollte, dass John zurückkommt.

,,Ich hab das Gefühl, alle starren uns an", sagt Kie und ich schaue wieder um uns. ,,Oh ja", sagt JJ. ,,Ich will nicht zu spät kommen." Pope geht weiter. ,,Hey, hey!" Kie hält ihn auf. ,,Wir müssen zusammenhalten", sagt sie und hält ihm ihre Hand hin. Pope nimmt sie entgegen. ,,Zusammenhalten, klar", sagt JJ nicht überzeugt. Ich nehme seine Hand. ,,Komm schon", sage ich und wir gehen zusammen mit den anderen beiden rein.

...

Während dem Unterricht bekomme ich dank der Kopfschmerzen nichts mit. War möglicherweise nicht die beste Idee, sich gestern zu betrinken. Ich seufze und reibe mir den Kopf. Ich muss meine Gedanken einfach mal für eine Minute abschalten.

Mein Plan funktioniert jedoch nicht ganz, denn plötzlich ertönen mehrere Handys – unter anderem meins. Ich beisse mir auf die Lippe und versuche es möglichst unauffällig unter meinem vollgekritzelten Notizbuch zu verstecken.

,,Wessen Handy war das?", fragt Mr. Sunn und dreht sich zur Klasse. Ich vermeide Augenkontakt und tue so, als wäre ich mit meinen Notizen beschäftigt. ,,Niemand?" Niemand meldet sich. ,,Das kommt im Test vor. Nochmal, die Kurzfassung, wer war Diokletian?" Sobald er sich wieder der Tafel wendet, nehme ich mein Handy und schaue auf das Display: "Unbekannte Nummer". Verwirrt starre ich auf die Nachricht.

,,Hast du das auch gekriegt?", höre ich Kie vor mir fragen. Pope nickt. Ich schaue zu JJ, welcher wohl genauso verwirrt ist. Er steht auf und geht zu den anderen beiden, worauf ich ihm möglichst unauffällig folge. Dann öffnen wir die Nachricht und halten unsere Handys nebeneinander. Sobald ich das Bild sehe, erstarre ich.

Das sind... John B und Sarah.

Ich bemerke, wie die anderen ihre Blicke austauschen, jedoch starre ich weiterhin auf den Bildschirm.

Dann rennt JJ aus dem Klassenzimmer.

Ohne zu zögern, gehe ich ihm nach und hinter mir höre ich noch, wie Pope sich entschuldigt und Kie meint, es sei ein Notfall in der Familie.

,,Los, auf den Schulhof!", sagt Kie, als wir den Unterricht verlassen haben. Wir rennen durch den Flur, wobei JJ über das Putzzeug des Hausmeisters stolpert. ,,Scheisse, steh auf!", sage ich und helfe ihm, ehe wir weiterlaufen. Hinter uns ruft Mr. Sunn nach uns, aber wir ignorieren ihn. ,,Kommt schon!", sagt Kie wiederholt.

,,Ist das überhaupt möglich? Ich meine, Shoupe hat gesagt, dass sie nicht überlebt haben! Das hat er gesagt!", sagt Kie, als wir draussen sind. Pope meint, dass wir übertreiben. ,,Wir können nicht die Möglichkeit ausschliessen, dass das bloss ein seltsamer, grausamer Scherz ist!", sagt er. Ich ignoriere die beiden und lehne mich gegen die Wand, um weiter auf mein Handy zu starren.

Ich weiss, ich habe gesagt, dass John B noch irgendwo da draussen ist. Aber das habe ich mir hauptsächlich nur eingeredet, weil ich nicht akzeptieren wollte, dass er tot ist. So eine Nachricht hätte ich nie erwartet. Ich kann gar nicht glauben, dass das echt ist.

JJ stellt sich neben mich und fokussiert sich ebenfalls auf seinen Bildschirm. Ich will irgendetwas schreiben, bin aber mit der ganzen Situation zu überfordert. Kie übernimmt das Tippen und fragt in den Chat, ob das wirklich John B und Sarah seien. Zitternd warte ich auf eine Antwort.

,,Hat er geantwortet?", fragt Pope. Ich schaue auf das Display, als wieder der Name "Unbekannt" erscheint. ,,Er tippt was", sage ich ungläubig und schaue die anderen an. ,,Er tippt was!", wiederhole ich.

Mein Handy klingelt. "Ist JJ da?" Mein Blick huscht auf JJs Handy, wo er "Ich bin hier Bree" absendet. Unbekannt schreibt zurück: "Hast du mein Shortboard aufgemotzt?"

Als ich die Nachricht lese, atme ich erleichtert aus. JJ lacht befreit und schaut zu mir. ,,Das ist er", strahlt er mich an. Mit feuchten Augen nehme ich ihn fest in die Arme und lächle in seinen Nacken hinein.

,,Das ist er", wiederholt Kie. Ich löse mich von JJ und gehe zu ihr. Sie umarmt mich und wir giessen uns gegenseitig mit Tränen. Dann gehe ich zu Pope und wir drücken uns ebenfalls. ,,Ja!", ruft JJ durch den Hof und nachdem ich mich von Pope gelöst habe, fahre ich mir mit Freudentränen durch die Haare.

Ich kann es nicht fassen. John B und Sarah leben. Sie sind noch da.

,,Sind ganz tief untergetaucht, in Nassau", liest Kie die neue Nachricht vor. ,,Wie sind die auf den Bahamas gelandet?", frage ich schniefend. ,,Ein Pogue kann man nicht töten", sagt JJ lächelnd. ,,Schon gar nicht John B", fügt Pope hinzu und wir lachen befreit.

Wieder piepsen unsere Handys und ich gehe zu JJ, um die Nachricht mit ihm zu lesen: "Könnt ihr mich entlasten? Will heim." ,,Und ob wir das beweisen werden, Mann", sagt JJ und wir stimmen zu. ,,Bis dann. Pogues fürs Leben", lese ich die nächste Nachricht lächelnd vor und wische mir die Tränen weg. ,,Pogues fürs Leben, Mann! Genau das will ich hören", sagt JJ und springt auf den Tisch, auf den sich Kie gesetzt hat. ,,Pogues fürs Leben!", ruft er und ich lache, jedoch immer noch emotional. Dann kommt er zu uns runter und wir umarmen uns alle.

Ich kann es kaum erwarten, die beiden wiederzusehen.

The Darkest Summer | OBX2Where stories live. Discover now