[15] Charleston

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Wir fahren gerade über eine Brücke. Dieses Mal sitze ich nicht auf, sondern neben JJ. Es ist zwar eng, aber es geht gerade noch.

Über uns erscheint ein grosses, grünes Schild mit der Überschrift "Charleston". Bald haben wir's geschafft.

,,Ich frage mich, wo John B und Sarah gerade sind", sagt JJ und blickt aus dem Fenster. ,,Hoffentlich bald bei uns", sage ich und schaue raus aufs Meer.

Als wir endlich in Charleston ankommen, suchen wir nach der Adresse. ,,Die sind 'ne grosse Nummer. Die Familie hat drei der Gouverneure herbestellt, die haben in Charleston seit 300 Jahren das Sagen", meint Kie und ich beobachte all die luxuriösen Häuser. ,,Die Kooks hier lassen unsere Kooks wie Pogues aussehen", sagt JJ. ,,Du sagst es", kommt es von mir.

Pope hält an. Wir blicken zum Haus. ,,Sind wir hier richtig, Pope?", geht JJ sicher. ,,Ich glaub schon", meint er. ,,Na dann." JJ öffnet die Tür und wir steigen nach ihm aus. ,,Ist schon eine fette Hütte", sage ich und folge dem grossen Gebäude mit meinen Augen bis nach oben. ,,King Street 27", versichert uns Pope.

Wir bleiben vor dem Zaun stehen. ,,Das nenn' ich mal einen Zaun. Sind die Stacheln da, damit niemand reinklettert?", fragt der Blondhaarige. ,,Nein", sagt Kie. ,,Da haben die Sklaven gewohnt", sagt Pope und seufzt. ,,Die sind da, damit niemand rausklettert." Ich schlucke schwer und JJ räuspert sich. Wir betreten das Grundstück.

Als wir vor der Tür stehen, verwendet Pope den Türklopfer und macht dann einen Schritt nach hinten. ,,War das zu laut?", fragt er. ,,Das hallt garantiert durchs ganze Haus, also... gehört haben sie es", sagt JJ. ,,Vielleicht ist niemand da?", meint Kie. ,,Versuchs nochmal", sage ich. 

Pope klopft erneut, als sich die Tür plötzlich bewegt. Ein Mann mit hellbraunen Haaren und Bart hat sie geöffnet. Er schaut uns abwechselnd an, als sein Blick an Pope kleben bleibt. Er lächelt zufrieden. ,,Du bist bestimmt Pope." ,,Ähm..." Wir tauschen unsichere Blicke untereinander aus. Pope wendet sich dem Typen. ,,Sind Sie Mr. Limbrey?" ,,Ms. Limbrey hat dich gestern erwartet", meint der Mann. ,,Oh. Das tut mir leid, mein Auto hatte eine Panne..." ,,Der Vergaser hat irgendwo im Nirgendwo den Geist aufgegeben", erklärt JJ. ,,Tut uns sehr leid."

Der Typ schaut JJ skeptisch an. ,,Ja, sie war nicht erfreut, als du nicht aufgetaucht bist", sagt er zu Pope. ,,Wir wollten anrufen, aber da steht keine Nummer auf der Einladung", sagt Kie. ,,Wir sind so schnell hergekommen, wie es ging", melde ich mich. ,,Und sie hat nur dich erwartet", sagt der Typ. ,,Aber... meine Freunde und ich haben die Royal Merchant zusammen –" ,,Die Anweisungen waren mehr als deutlich, deine Freunde warten draussen", unterbricht er Pope. ,,Uns gibt es nur als Paket, Mann. Also..." ,,JJ", sagt Pope. ,,Ich krieg das schon hin." Ich schaue ihn unsicher an. ,,Alles klar?", fragt er. ,,Ja. Wir warten hier", meint Kie. ,,Lass den Motor laufen", sagt Pope und nimmt Kies Hand. ,,Ja", lächelt sie unsicher. Dann geht Pope rein.

,,Leute, ich habe ein ungutes Gefühl", sage ich, als die Tür wieder geschlossen ist. ,,Wir warten im Auto und lassen den Motor laufen", wiederholt Kie und geht zum Truck. JJ und ich folgen ihr.

,,Ash, warte." JJ packt mich am Arm. Ich drehe mich verwirrt zu ihm. Er schaut zu Kie, die gerade einsteigen will. ,,Wir kommen gleich", meint er. Kie schaut uns verwirrt an, geht dann aber ins Auto.

,,Alles okay?", frage ich. ,,Das wollte ich dich gerade fragen", sagt JJ und ich schaue ihn fragend an. ,,Bei mir ist alles gut. Wieso?" JJ nimmt seine Cap runter. ,,Na ja, wegen heute Morgen... Hast du irgendwie von Rafe geträumt, oder... warum hast du seinen Namen gesagt?", fragt er. ,,Ähm..." Ich beisse mir auf die Lippe. Natürlich muss er das fragen.

Wenn ich ehrlich bin, weiss ich nicht mal selbst, was ich da geträumt habe. Ich weiss nur, dass das mit Rafe auf dem Boot eine Art Flashback war – aus unserer Beziehung, als ich noch mit ihm zusammen war. Ich kann mich noch genau an diese eine Nacht erinnern. Aber ich kann mir nicht erklären, warum ich plötzlich davon träume.

,,Ich weiss es nicht, JJ", sage ich. ,,Du hast 'Rafe' gesagt – und du hast geweint. Das weisst du, oder?" Ich seufze. ,,Ash, hast du... Keine Ahnung, hast du davon geträumt, dass... dass er dich bedroht, oder –" ,,JJ, ich weiss es nicht!", wiederhole ich. Mein Freund schaut mich unsicher an, nickt dann aber leicht. ,,Ich wollte nur sichergehen, dass alles gut ist", murmelt er. Schuldig schaue ich auf den Boden, als ich ihn in den Arm nehme. ,,Danke. Alles ist gut, versprochen", lüge ich.

Tut mir leid, JJ. Aber ich muss erst mal selbst herausfinden, was ich da überhaupt geträumt habe.

Nachdem wir uns gelöst haben, steigen wir zu Kie ins Auto. ,,Ist bei euch alles gut?" Ich nicke. ,,Ja, alles gut", versichere ich ihr und schaue zum Haus dieser Limbrey. ,,Die Frage ist eher, ob bei Pope alles gut ist." ,,Ja, ich vertraue diesen Super-Kooks nicht", sagt JJ. ,,Was machen wir hier nochmal?" ,,Wir versuchen unseren Freund zu entlasten", sagt Kie. ,,Wenn Limbrey nicht gelogen hat..." Wir hören eine Tür und schauen nach links, wo Pope in Begleitung von diesem Typen und einer Frau, wahrscheinlich Ms. Limbrey, irgendwo hingeführt wird. ,,Wird Ward verhaftet und Sarah kriegt vielleicht das Gold", beendet Kie ihren Satz.

,,Sieht das freiwillig aus?", frage ich unsicher. Der Mann schubst Pope leicht. ,,Klares Nein, würde ich sagen",  antwortet JJ. ,,Okay, kommt." Kie will aussteigen. ,,Halt. Warte, warte." JJ legt seine Hand auf ihre Schulter. ,,Was?" ,,Die gehen ums Haus rum. Wir fahren aussen rum." ,,Okay", sagt Kie und JJ startet den Motor. Wollten wir den nicht laufen lassen? ,,Wir fangen sie da hinten ab", sagt er und fährt los. ,,Hey, chill. Ganz ruhig", sage ich, um keine Panik auszulösen. ,,Ja, klar."

Während wir durch den Block fahren, versuchen Kie und ich unseren Freund zu sichten. ,,Wo sind die denn nur?", fragt sie. ,,Vielleicht sind sie ja im Untergrund", meint JJ. ,,Bei 'Panik in Manhattan' stecken sie die Opfer in die Kanalisation. Da verwandeln sich die Menschen in Humanoiden wegen der Strahlung. Und dann fangen sie an, gegeneinander zu kämpfen..." ,,JJ? Konzentriere dich. Das hilft uns nicht weiter", sage ich. ,,Ah ja, sorry. Seht ihr sie?" ,,Nein", antwortet Kie und wir suchen weiter.

Wir fahren immer weiter, finden Pope aber nicht. Plötzlich sichte ich jemanden in einem lilafarbenen Hemd. Pope!

,,Leute, da! JJ, halt an!" ,,Was, wo?", fragt er und drückt auf die Bremse. Wir steigen rasch aus und ich deute auf die Richtung, wobei wir losrennen. Es dauert nicht lange, bis wir wieder auf dem Grundstück der Limbrey ankommen. Wir laufen weiter, bis wir Pope endlich finden. Es scheint so, als hätte er sich mit dem Typen geprügelt, denn sie befinden sich beide auf dem Boden.

JJ rennt zu ihnen und kickt dann den Taser, der mir erst jetzt aufgefallen ist, mit dem Fuss zu Kie. Sie hebt ihn auf. ,,Los, kommt!", rufe ich. JJ wendet sich Pope, der mit dem Mann beschäftigt ist. ,,Pope! Mach schon." JJ rennt los und Pope verpasst dem Typen noch einen Schlag. ,,Beeilt euch!", sagt Kie und wir folgen JJ. ,,Lass ihn, komm!", sagt er und Pope steht auf. Wir rennen zur Mauer, über die wir dann klettern, um zurück zum Truck zu gelangen.

,,Los!", stresst uns JJ und wir steigen ein. ,,Rutsch mal", sage ich zu Pope und versuche mich zwischen ihn und Kie zu quetschen. ,,Was sind das für Leute?", fragt Kie. ,,Das ist ein total kranker Scheiss! Los, wir verschwinden!", sagt Pope panisch. JJ fährt los.

The Darkest Summer | OBX2Where stories live. Discover now