18. Wunden

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Wir blieben so lange in dieser Position, bis Kris sich wieder beruhigt hatte und aufgehört hatte, zu weinen. "T-tut mir leid.. i-ich wollte dich nich-"

"D-du musst dich nicht entschuldigen,", unterbrach ich ihn, "bitte erzähl mir alles das dich bedrückt. I-ich habe dir doch gesagt, dass du mir gegenüber nichts verheimlichen musst."

Er nickte stumm, während er sich die übrigen Tränen, die schon fast auf seiner Wange getrocknet waren, weg wischte und ein schwaches Lächeln von sich gab. Für einen Moment wurde es still, ehe Kris die Stille unterbrach.
"F-fuck..! W-wegen meinem Geheule h-haben wir deine Verletzungen völlig vergessen! Lass uns ins Krankenhaus gehen, d-du musst versorgt werden!"

Kopf schüttelnd wollte ich ihm weiß machen, dass das nicht nötig war. "M-mir gehts gut. Wirklich. Sind nur ein paar Prellungen sonst nichts."

Doch auch Kris schüttelte den Kopf. "Das sind nicht NUR Prellungen! L-lass dich wenigstens von meiner Mum untersuchen!", entgegnete er, ohne mir überhaupt zu gehört zu haben. Frau Wu arbeitet als Krankenschwester und ist um diese Uhrzeit meistens Zuhause. Doch ich wollte ihr keine Umstände machen, weshalb ich seinen Vorschlag ablehnte. "Mir gehts gut wirklich. Ich muss mich nur ein wenig ausruhen~"

"Und das wirst du bei mir machen!" Mit einem Schwung stand Kris auf und nachdem er mir die Hand reichte, die ich mit einem kurzen Zögern erst ergriff, stand ich wenige Sekunden nach ihm, ebenfalls auf den Beinen.

"A-aber wir müssen doch ins Café!", bemerkte ich, als Kris losgehen wollte. Sofort hielt er Inne und dachte nach. Kurz darauf nahm er sein Handy, um anscheinend Minseok anzurufen. Ich versuchte ihn daran zu hindern, da ich wirklich arbeiten muss und möchte, doch es half mir nichts.
Einige Minuten später legte Kris auf und wand sich wieder zu mir. "Ok lass uns gehen~"
Nachdem er nach meiner Hand griff, machten wir uns auf dem Weg zu Kris und fuhren gemeinsam mit der Bahn und nahmen anschließend den Bus, der uns nur wenige Meter vor Kris' Haus absetzte.

Als wir in seinem Haus ankamen, bemerkten wir schnell, dass Frau Wu gar nicht Zuhause war, sondern wahrscheinlich Überstunden machte.

"Na toll..", murmelte Kris ein wenig gereizt, "und ich dachte sie könnte dich verarzten. Naja egal dann mach ich es halt. Geh schon mal in mein Zimmer ich hol den Verbandskasten"

Nach einem Nicken meinerseits, ging ich die Treppen rauf in Kris' Zimmer, wo ich mich erschöpft auf sein Bett setzte. Die ganze Zeit über versuchte ich die Schmerzen zu überspielen, damit sich Kris keine Sorgen machen muss, doch jetzt merkte ich erst, wie weh mir alles tat. Bei jeder Bewegung bekam ich ein schmerzhaftes Stechen bei meinen Rippen zu spüren und als ich langsam mein Tshirt hoch schob, entdeckte ich sofort die Blauen Flecken und die Prellungen, die ich bei den Schlägen abbekommen hatte.
Auch meine Arme blieben nicht ohne Verletzungen. Mein Ellenbogen blutete, da ich beim Aufprall mit dem Boden, mir mein Ellebogen aufschlürfte. Glücklicherweise hatte meine Nase schon vorhin mit dem Bluten aufgehört, dennoch blieben die Schmerzen, um meinem Nasenbein, erhalten. Die Innenseiten meiner Handflächen waren ebenfalls mit Kratzern und getrocknetem Blut übersät.

Ich seufzte kurz. Gerade als ich mein Tshirt wieder zurecht rückte, betrat Kris auch schon den Raum und hielt in der Hand einen Verbandskasten.

Seiner Miene nach zufolge, schien er nicht gerade gut gelaunt zu sein, sondern eher bedrückt und müde. In seinen Augen spiegelten sich Mitleid und Schuldgefühle, die er mir gegenüber hatte, und seine Lippen blieben ohne ein Lächeln. Vor mir stand zwar Kris, aber nicht der fröhliche und aufmunternde Kris, den ich kannte. Sondern fast eine unbekannte Person, die erst jetzt ihre wahren und verborgenen Gefühle offenbart. Die ganze Trauer und Reue, welche sich über Jahre gestaut hat, kann man nun in seinem Gesichtsausdruck erkennen.

Ich musste viel durchmachen - Kris jedoch auch.

Schweigend kam er auf mich zu und ließ sich neben mir auf dem Bett nieder. Seine Konzentration hatte er völlig dem Inhalt des Verbandskasten gewidmet und nun auch meinen Verletzungen.

"Ich kann das zwar nicht gut und bin auch kein Arzt..", sagte er ruhig, seine Stimme klang leise und monoton, "aber das ist das mindeste was ich tun kann.."

Jeder Atemzug schmerzte, doch nicht wegen meinen Wunden, sondern wegen Kris' Anblick.

Der Raum füllte sich mit Stille, während Kris und ich auf dem Bett saßen, von Angesicht zu Angesicht, schweigend und mit Köpfen, überfüllt mit Gedanken, Fragen und komischen Gefühlen.

"Wo.. bist du verletzt..?", fragte er etwas holprig, dennoch blieb sein Ton sehr leise. Nachdem er das gesagt hatte, musste er tief durchatmen. Während er mit mir sprach, blickte er mir kein einziges Mal in die Augen. Die Stimmung blieb angespannt und jeder weitere Sekunde führte dazu, dass der Schmerz in meiner Brust immer größer wurde.

Ich wollte nicht das er sich meinetwegen schlecht fühlt, sich Vorwürfe macht und sich selber die Schuld gibt. Ich wollte das einfach nicht..

"K-kris d-du musst das n-nicht--" Weiter kam ich nicht, denn Kris unterbrach mich, in dem er seine Frage wiederholte. Es war sinnlos gegen ihn anzukämpfen, weshalb ich nachgeben musste und ihm kurz darauf meine Handflächen hinhielt.

Vorsichtig nahm er meine Hand in sein und verteilte mit einem Wattestäbchen, eine Salbe auf den Kratzern, nachdem er diese zuvor vom Blut gereinigt hatte. Dies wiederholte er bei meiner anderen Hand und klebte bei beiden Wunden noch einen Pflaster drauf.

Anschließend fragte er mich wo ich noch verletzt wäre, weswegen ich meinen Ärmel hoch krempelte und ihm die Schlürfwunde am Ellebogen zeigte.
Nachdem er das selbe Verfahren, wie davor bei meinen Handflächen, unternommen hatte, hielt er kurz Inne. Für den Bruchteil einer Sekunde, schaffte ich es, in Kris Augen zu blicken. Sie waren rötlich und glänzten ein wenig.

"Noch irgendwo..?" Ich schüttelte den Kopf, log ihn an. Plötzlich wanderte seine Hand zu meinem Tshirt, woraufhin er dieses nach oben schob und somit die blauen Flecken sowie die Prellungen zu Gesicht bekam.
Sofort zog ich mein Shirt wieder nach unten, um die Verletzungen zu verdecken.

"D-die tun nicht weh..", meinte ich daraufhin, wobei Kris nach oben in meine Augen blickte. Doch den Augenkontakt konnte er nicht lange halten, weshalb sein Blick sich wieder senkte.
Wir schwiegen einen Moment lang. Diese Sekunden kamen mir unendlich lang vor, als würden sie niemals enden, bis Kris endlich was sagte.

"Wäre ich früher gekommen.. dann hätte es nicht so weit kommen müssen.. ich konnte dich nicht beschützen und.. war nicht da als du mich gebraucht hast.. es tut mir so leid, so sehr das ich mich gar nicht oft genug entschuldigen kann.. aber.." Er machte eine kurze Pause, in der er wieder in meine Augen blickte. Dieses Mal waren sie feucht. Sie glänzten mich an, wie als würde sich ein Sternenhimmel in seinen Augen spiegeln.
Plötzlich legte er seine großen Hände auf meine Wangen und lächelte schwach, während ihm langsam eine Träne die Wange hinunter rollte.

"Aber du lebst noch. D-du bist nicht tot, sondern du lebst noch."



my turn to cry » taoris [FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt