Kapitel 19

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Kajas POV

Ich folgte Kai und Sophia aus dem Stadion heraus in Richtung Spielerparkplatz. Die beiden hatten mich bisher nicht auf meine Diskussion mit Kevin angesprochen und dafür war ich ihnen auch dankbar. Seine Worte hatten mich wirklich wütend gemacht und doch musste ich darüber nachdenken, dass er Julian einen Playboy genannt hatte. Der Blonde war mir gegenüber nie so, wie Kevin und Sophia ihn beschrieben und ich wollte mir einfach nicht vorstellen, dass er ein Draufgänger war. Dafür war er viel zu empathisch und an meinem Wohlergehen interessiert. Wobei das vielleicht auch einfach daran lag, dass zwischen uns nicht mehr war als eine einfache Freundschaft. 

Wir bogen gerade um die Ecke und Kai stoppte kurz, als auch ich den Mannschaftsbus vom BVB erspähte. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass die Dortmunder sich bereits auf den Weg gemacht hatten. Doch offenbar schienen die feinen Herren nicht ganz so schnell mit dem Duschen zu sein. Was mich allerdings stutzig werden ließ war die Tatsache, dass der Braunhaarige sich auf einmal zu mir umdrehte und mich seltsam ansah. „Was ist los?“,fragte ich deshalb nach und Kai warf Sophia einen kurzen Blick zu, ehe er antwortete. „Shit. Ich glaube ich habe meine Sachen beim Zeugwart vergessen“, schien es ihm wie Schuppen von den Augen zu fallen und er versuchte uns in die Richtung zu schieben aus der wir gekommen waren. „Welche Sachen denn?“, fragte ich skeptisch nach und er blieb kurz stehen, ehe er an mir vorbei sah, während er antwortete. „Na meinen Autoschlüssel zum Beispiel. Ohne den sind wir noch später zuhause als die Dortmunder“, ratterte er hektisch herunter und ich presste meine Lippen aufeinander, als ich Sophias Arm erkannte, der sich zwischen ihren Freund und mich schob. „Den hat Martin mir vorhin gegeben“, sagte sie und reichte ihm einen Schlüssel, auf dem ich klar und deutlich die vier Ringe des Audi-Logos erkennen konnte. Kai warf ihr einen Blick zu, der schon fast vorwurfsvoll aussah und ich zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. „Mein Handy hast du aber nicht, oder?“, fragte er und sah seiner Freundin tief in die Augen. Die beiden schienen stumm miteinander zu kommunizieren und ich wurde wirklich ein bisschen stutzig. Doch Sophia, die nun zu verstehen schien was ihr Freund hier gerade vor hatte, schüttelte wild mit dem Kopf. „Nein, das hat er mir nicht gegeben“, sagte sie und der Braunhaarige legte uns jeweils eine Hand auf den Rücken, um uns weiter zu schieben. Den Augenkontakt zu mir mied er allerdings weiterhin, was mir wirklich seltsam vorkam.  Und da ich das Gefühl hatte, dass er hier irgendetwas vor mir vertuschen wollte, blieb ich stehen und versuchte an ihm vorbei zu schauen. Kai machte mir das zuerst gar nicht so einfach, doch schließlich blieb er seufzend stehen und fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht. „Ich habe alles versucht“, murmelte er leise, als er seinen Arm von mir nahm und mir erlaubte an sich vorbei zu schauen. Augenblicklich gefror mir das Blut in den Adern und ich musste schlucken, als ich Julian nur wenige Meter von uns entfernt stehen sah. Vor ihm stand eine schlanke Blondine, die mit ihren Händen an den Bändern seines Hoodies herumspielte. 

Ich spürte ein unangenehmes Kribbeln, welches sich auf meiner Haut ausbreitete und mich leicht frösteln ließ. Doch ich ließ mich nicht davon beirren und schob mich an dem Paar vor mir vorbei. Sophia wollte noch protestieren, doch ich ließ sie gar nicht zu Wort kommen, sondern machte mich einfach auf den Weg in Richtung der beiden Blonden, die noch immer so an Ort und Stelle standen. Dabei ließ ich meinen Blick einmal über meinen Kumpel wandern, der alles Andere als entspannt aussah. Julians Hände waren tief in den Taschen seiner Trainingshose vergraben und er sah ernst auf die Frau vor sich herab, die noch immer an seinem Kapuzenpullover herumzupfte. Als ich näher kam, konnte ich auch ein paar Wortfetzen aufschnappen. „...und ich dachte wir könnten das vielleicht wiederholen?“, sagte die Blondine gerade mit betont niedlicher Stimme, die mich innerlich mit den Augen rollen ließ. Mir war durchaus bewusst von was für Aktivitäten sie da gerade sprach, doch ich wollte mir nichts anmerken lassen und lächelte Julian nur an, als er mich bemerkte. Wie als wenn sich ein Schalter umgelegt hätte, umgriff er mit einem Mal die perfekt manikürten Finger der Frau und löste ihre Hände von seinem Körper. „Hör zu Lena. Ich habe dir damals schon gesagt, dass das ein einmaliges Ding war zwischen uns“, gab er von sich und machte einen Schritt zurück, als sie versuchte eine seiner Hände festzuhalten. 

Julian schien das Verhalten dieser Lena ziemlich unangenehm zu sein, denn er sah immer wieder in unsere Richtung, während er krampfhaft probierte sie loszuwerden. „Aber Julian..“, setzte sie erneut an und ich beobachtete schluckend ihren Finger, der von seiner Brust bis zu seinem Bauch hinab fuhr. Mein Herz klopfte verräterisch gegen meinen Brustkorb und ich versuchte zwanghaft mich zu beruhigen. Ich wusste selbst nicht woher dieses Gefühl auf einmal kam, doch es nervte mich ungemein, dass dieses Blondchen Julian so schöne Augen machte. Ich spürte meine pochende Halsschlagader und rief mich selbst zur Vernunft. Sicherlich würde ich hier jetzt keine Szene machen. 

Mein Gemütszustand verbesserte sich, als Julian mit einem genervten Seufzen ihre Berührung stoppte, indem er unsanft ihre Hand griff. „Das zwischen uns war so gut. Das kannst du doch nicht abstreiten“, raunte sie ihm mehr oder weniger verführerisch entgegen und ich konnte Kai hinter mir genervt brummen hören. Ich konnte irgendwie auch verstehen wieso der Braunhaarige dieses Spektakel vor mir verstecken wollte. Schließlich dachte er, genau wie alle anderen, dass Julian und ich mehr füreinander empfanden. Doch damit lag er absolut falsch. Genau wie Kevin, der mir ja eben gerade noch prophezeit hatte, dass Julian mir ebenso das Herz brechen würde wie er.

„Wann kapierst du endlich, dass ich nichts weiter von dir will? Ja, das mit uns war ganz nett, aber es war einmalig“, zischte Julian, ehe er sie vorsichtig von sich stieß und seine Tasche schulterte, die neben ihm stand. Die Blondine schien nun zu erkennen, dass es doch besser war sich aus dem Staub zu machen ,während Julian sich langsam auf uns zu bewegte. Sophia sah mich prüfend von der Seite an, doch ich ignorierte ihren Blick und zwang mir ein Lächeln auf, als der Blonde uns erreichte. „Sorry für die Show. Ich weiß auch nicht was in sie gefahren ist. Es war eigentlich alles geklärt zwischen uns“, sagte er leise und fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare, während er die Lippen fest aufeinander presste. Es schien ihm noch immer unangenehm zu sein, dass wir ihn mit einer Verflossenen erwischt hatten. Kai schnaubte nur leise und murmelte etwas  das wie „Kennen wir ja nicht anders“ klang, doch ich wollte nicht so recht glauben, dass er das wirklich gesagt hatte. Julians Blick, den dieser ihm entgegen warf, zeigte mir jedoch, dass ich mich nicht verhört hatte. Es war ein komisches Gefühl für mich dieses Szenario mit anzusehen und doch wollte ich das Ganze nicht allzu sehr an mich heranlassen. 

„Ist bei dir alles gut?“, fragte er mich, nachdem er meinen Blick gesucht hatte und ich nickte nur, was ihn nicht so zufrieden zu machen schien. Es ehrte ihn, dass er sich nach meinem Wohlbefinden erkundigte, doch ich konnte ihm gerade keine bessere Anwort geben. Zu sehr hatte mich diese Situation gerade aufgewühlt. Auch wenn ich das niemals vor ihm zugeben würde. Ich konnte an seinen Gesichtszügen nur allzu deutlich erkennen, dass er mir nicht glaubte und seine blauen Augen blitzten besorgt auf, als er seinen Kopf ein wenig neigte, um mich prüfender anzusehen. „Schau mich nicht so an. Es geht mir gut“, antwortete ich ehrlich und er nahm es schließlich seufzend so hin. „Jule? Kommst du?“, rief Marco von Weitem und er hob grüßend die Hand, als er mich erkannte. „Okay Leute, ich muss los. Wir sehen uns dann heute Abend zum Essen, oder?“, fragte er kurz in die Runde und erhielt ein zustimmendes Murmeln von uns, ehe er mir kurz über den Oberarm strich, bevor er zum Bus ging. 

"Kaja, ist wirklich alles okay?“, fragte mich Sophia, als wir endlich in Kais Auto saßen und ich meinen Kopf an die Scheibe lehnte. Ich fühlte mich mit einem Mal so müde und wollte mich am liebsten einfach nur in meinem Bett verkriechen. Das Adrenalin schien meinen Körper verlassen zu haben und hinterließ eine komische Leere. Ich wusste selbst nicht was mit mir los war. „Ja, alles gut“, gab ich leise von mir, doch meine Freundin schien mir nicht zu glauben, denn sie drehte sich langsam zu mir um und sah mich mitleidig an. Ich wusste, dass ich mit ihr über alles sprechen konnte, doch dieses Gefühl, welches mich gerade überrannt hatte, konnte ich selbst nicht einordnen. Und es tat mir schon fast leid, als ich meine beste Freundin dabei beobachtete, wie sie sich kopfschüttelnd wieder nach vorne drehte.

All I Need (Julian Brandt)Where stories live. Discover now