Kapitel 46

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Kajas POV

„I know it's hard for you to talk
Bare your soul and open up
I will wait for you"
Tom Walker feat Zoe Wees - Wait for you

„Haben wir dann alles?", fragte ich und erntete ein zustimmendes Murmeln von Jannis, der sich gerade mit der Sky-Fernbedienung abkämpfte, um das richtige Spiel auszuwählen. Julian würde heute mit dem BVB gegen den 1. FC Köln spielen und eigentlich war es unser Plan gewesen hier in Köln ins Stadion zu fahren. Doch da sich Jannis einen Infekt zugezogen hatte und noch nicht wieder völlig genesen war, hatten wir uns kurzfristig dazu entschieden das Spiel von zuhause aus zu verfolgen. Dafür hatten Jonas und Jascha unsere Tickets übernommen. Ganz so begeistert war Julian nicht gewesen von dieser Planänderung, doch er konnte Jannis' vernünftige Entscheidung dann doch nachvollziehen, nachdem wir ihm versichert hatten das Spiel natürlich von zuhause aus zu schauen.

„Er sieht ganz schön fertig aus", gab Jannis schniefend von sich und lächelte mich dankbar an, als ich eine Tasse Tee vor ihm auf dem Wohnzimmertisch abstellte. Mein Blick glitt automatisch zum Fernseher und ich musste zugeben, dass mein Mitbewohner recht hatte. Julians Augen waren rot unterlaufen und unter ihnen waren deutlich die tiefen Augenringe zu erkennen, die ihn jetzt schon seit über einer Woche begleiteten. Seit Kais Verkündung schlief Julian sehr schlecht, doch offenbar dachte er ich würde es nicht bemerken. Zumindest versuchte er seine andauernde Müdigkeit immer wieder vor mir zu verstecken und reagierte grundsätzlich gereizt, wenn ich ihn darauf ansprach. Ich hatte besonders die ersten Tage nach unserer Rückkehr von Sylt bei ihm verbracht und versucht ihm eine Stütze zu sein, doch er ließ mich nicht so richtig hinter seine Fassade blicken. Es stimmte mich traurig, dass er nicht mit mir sprach, doch ich konnte ihn natürlich nicht zwingen. „Er hat Kais bevorstehenden Umzug noch immer nicht verkraftet, was?", versuchte Jannis etwas aus mir heraus zu bekommen, nachdem ich mich seufzend neben ihm auf die Couch setzte. Ich schüttelte nur stumm den Kopf, ehe ich die graue Fleecedecke über meinen Beinen ausbreitete.

Jannis griff nach meiner Hand, die in meinem Schoß lag und ich sah fragend in seine Richtung. Natürlich entging ihm meine getrübte Stimmung nicht. „Ist denn zwischen euch beiden wenigstens alles in Ordnung?", fragte der Jüngere unverblümt nach, als der Schiedsrichter das Spiel anpfiff und ich rang mir ein Lächeln ab, als ich nickte. „Ja, bei uns ist alles okay. Er ist nur nicht so gut drauf momentan", gab ich leise zur Antwort und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. An seinem Gesichtsausdruck erkannte ich allerdings nur zu gut, dass er mir nicht glaubte. „Julian kann echt ein Dummkopf sein, wenn ihn etwas verletzt. Wenn ich mal mit ihm reden soll, dann sag mir Bescheid ja?", versuchte er mir Mut zu machen. „Das ist lieb von dir, Jannis. Aber es ist wirklich alles in Ordnung", sagte ich, während ich mich gegen die Sofalehne lehnte und auf den Fernseher sah, wo das Spiel bereits einige Minuten lief.

Julians Leistung hatte insbesondere in den letzten beiden Spielen merklich nachgelassen. Nicht nur, dass er weniger von seiner unglaublichen Losgelassenheit zeigte. Nein, er hatte auch noch die höchste Fehlpassqoute der Mannschaft und tat viel zu wenig bei der Arbeit gegen den Ball. Sobald er den Ball verlor, blieb er schon nahezu lethargisch stehen und sah seinen Kollegen dabei zu, wie diese versuchten seinen Fehler wieder auszubügeln. Diese Art zu spielen glich so gar nicht dem was er zu seiner Zeit in Leverkusen gezeigt hatte und noch dazu wusste ich, dass Lucian Favre alles Andere als zufrieden mit der Leistung meines Freundes war. Er verdonnerte ihn immer wieder zu zusätzlichen Einheiten und ich wusste, dass Julian sich gerade in den letzten Tagen sehr über sich selbst ärgerte. Der Blonde war ein Spieler, der immer einen freien Kopf brauchte, um seine bestmögliche Leistung abzurufen und irgendetwas schien ihn da nur allzu deutlich zu blockieren. Ich hatte es am Rande mitbekommen, dass auch der Vorstand bereits auf Julians Leistungstief aufmerksam geworden war und es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis er zu Aki ins Büro kommen musste, wenn es sich nicht besserte.

All I Need (Julian Brandt)Where stories live. Discover now