22 / 𝘯𝘰𝘵 𝘴𝘰 𝘦𝘷𝘪𝘭

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Der nervtötende Ton des Weckers riss uns beide aus dem Tiefschlaf. Verschlafen rieb ich mir die Augen mit meiner linken Hand, denn mein rechter Arm fühlte sich taub an und kribbelte. Cecilia lag darauf. Glücklicherweise sah Cecilia morgens genauso unperfekt aus wie jeder andere normale Mensch auf dieser Welt. Ihre blonden Haare sahen aus, als hätten sie noch nie einen Kamm gesehen und sie war ebenso keine Person, die beim ersten Weckerklingeln schon senkrecht im Bett saß.

,,Deine Matraze ist hart wie Stein", murmelte sie und bewegte sich endlich von meinem Arm runter, der bestimmt schon abgestorben war. Sie streckte sich ausgiebig und bevor ich sie vorwarnen konnte, stieß sie sich den Kopf an meiner Dachschräge. ,,Welcher Idiot stellt sein Bett freiwillig unter ein verdammtes Dach?", fluchte sie leise.

Das stimmte nicht. Auf meiner Matraze schlief es sich sehr gut - nur um das klarzustellen! Die Dachschräge konnte ich aber nicht verteidigen. ,,Dir auch einen guten Morgen", antwortete ich nur, griff nach ihrem Arm und zog sie wieder neben mich ins Bett. ,,Willst du dich weiterhin beschweren oder bist du nicht vielleicht doch ein kleines bisschen dankbar, dass du hier schlafen durftest?"

Da Cecilia mich auf jeden Fall wieder beleidigen würde, kitzelte ich sie einfach. Vielleicht war es kindisch und einen Moment lang glaubte ich, dass sie selbst das einfach kalt ließ, aber dann begann sie doch zu lachen und versuchte mich mit Händen und Füßen zum Aufhören zu bringen. Es endete damit, dass sie mir zuerst eine verpasste und dann fanden unsere Lippen wie durch ein Wunder zueinander. Meine Finger strichen sanft über ihre Wange und mein Gehirn schaltete - wieder einmal - einfach ab.

Leider kam in diesem wirklich unpassenden Moment meine Mutter herein, um mich für die Schule zu wecken. Ich war keiner von diesen Jungs, die heimlich fremde Mädchen ins Haus schmuggelten. Um ehrlich zu sein hatte ich das noch nie gemacht. Vielleicht starrte meine Mutter uns deshalb so ungläubig an. Dieser Unglaube wechselte binnen weniger Sekunden in diesen mütterlichen »ich weiß genau, was du letzte Nacht getan hast«- Blick. Hinzu kam, dass sie mich stumm um eine Erklärung für das ganze bat. Schnell löste ich meine Lippen von Cecilias, die die Situation sehr gelassen nahm. Es war ihr schlichtweg egal.

,,Mum, das ist...", begann ich etwas hilflos. Mir fehlten einfach die Worte. Ich wollte meiner Mutter nicht erzählen, dass Cecilia von zuhause abgehauen war, weil ihre Eltern Drogen in ihrem Zimmer fanden. Dann würde sie ihr gewiss keine Chance geben.

,,Cecilia Colorado", fuhr Cecilia selbst fort und setzte sich auf. Mit ihren folgenden Worten bewies sie, dass sie sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. ,,Ihr Sohn hat mir erzählt, dass sie hervorragendes Frühstück machen."

Eine Viertelstunde später gab es besagtes Frühstück. Die ganze Situation war ein wenig seltsam. Ich erwartete ein unangenehmes Schweigen, aber als ich in Jeans und T-Shirt in die Küche kam, fand ich etwas noch seltsameres vor. Meine Mutter und Cecilia unterhielten sich nämlich, als wären sie die besten Freunde. Vielleicht sollte ich mich darüber freuen, aber in diesem Moment wäre mir das unangenehme Schweigen lieber gewesen. Cecilia konnte meiner Mutter in der Zwischenzeit sonst was über mich erzählt haben - und andersrum! Mum wünschte sich schon länger eine Freundin für mich. Vermutlich plante sie schon unsere Hochzeit.

Dann ging Cecilia nach oben um sich für die Schule fertigzumachen. Kaum verließ sie das Zimmer, hatte Mum wieder ihren vielsagenden Blick aufgelegt.
,,Seit wann geht das schon?", fragte sie mich interessiert und begann damit genau das peinliche Gespräch, das ich vermeiden wollte. ,,Wieso stellst du sie mir nicht vor? Sie ist nett."

Nett? Ich hatte schon viele Beschreibungen für Cecilia gehört, aber nett war neu.
,,Wir sind nicht zusammen", erklärte ich wahrheitsgemäß. Wir waren keine Freunde, keine Feinde, kein Paar... wir waren irgendetwas dazwischen. ,,Sie hat ein paar Probleme zuhause und hat mich gebeten, hier zu schlafen. Ich hätte dich vorher gefragt, aber es war schon sehr spät."

Mum schüttelte den Kopf. ,,Mich vorher gefragt? Jeder Junge in deinem Alter macht das früher oder später. Dein Vater und ich haben immer darüber diskutiert, wann du uns endlich diese Ehre machst."

Ich starrte sie fassungslos an. Sie hatte also darauf gewartet, dass ich jemanden in mein Zimmer schmuggelte? Das war nicht die Reaktion, die ich erwartete.

,,... Aber bitte mach das nicht jede Woche. Frag das nächste Mal trotzdem", schob sie rasch hinterher, was schon eher nach Mum klang.

Ich nickte langsam. ,,Mach ich."

Mum räumte die Teller ab und stellte sie auf die Küchenablage. Dann grinste sie mich an. ,,Das sah übrigens nicht danach aus, als ob ihr nur Freunde seid", ergänzte sie dann. ,,Geh ihr doch eine Chance."

Da lag das Problem. Nicht ich musste Cecilia eine Chance geben. Sie musste mir eine geben.

An dieser Stelle mussten wir unser Gespräch unterbrechen, weil Cecilia wieder ins Esszimmer kam. Nun trug sie eine kurze Jeans, ein weißes Top und eine ihrer teuren Sonnebrillen.

Wir verabschiedeten uns von meiner Mutter und gingen hinaus. Ich hatte Vincent für heute abgesagt, weil Cecilia ihr Auto hier geparkt hatte und sich weigerte in seine sogenannte "Schrottkarre" zu steigen. Auch das stimmte nicht. Vincents Auto war in der Tat ansehnlich. Allerdings machte es weniger her als Cecilias schneeweißes Nobelauto, das sie sogar zu einem Cabrio werden lassen konnte. Als wir uns aber ins Auto setzten, das Dach sich öffnete und Cecilia ihre Sonnenbrille ins Haar schob, fiel mir etwas auf.

,,Du hast dich nicht geschminkt."
Vielleicht hätte es mir früher auffallen sollen, weil sie ohne das ganze Make up eben viel natürlicher aussah, aber ich hatte gerade eben im Haus nicht darauf geachtet.

Cecilia nickte. ,,Ja, aber das hab ich nicht für dich getan", antwortete sie kühl. In ihren grünen Augen sah ich eine kleine Unsicherheit deswegen aufkommen. Sie war sich ihrer Sache nicht ganz sicher, das merkte man.

,,Ich weiß."
Cecilia würde niemals etwas nur für mich machen - vor allem nicht, nachdem ich sie ein einziges Mal darum bat. Sie tat es für sich selbst - aber da es meine Idee gewesen ist, wollte ich auf keinen Fall, dass sie mir später die Schuld für das alles gab. ,,Aber wieso gleich heute? Du musst das nicht tun, wenn du dich damit nicht wohl fühlst."

Cecilia schwieg eine ganze Weile und konzentrierte sich auf die morgens gut befahrene Straße. ,,Weil es keinen Sinn hat sich für Menschen schön zu machen, die mich sowieso nicht ausstehen können."
Sie strich sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und bremste an einer roten Ampel. ,,Ich bin beliebt, aber mit meinem Charakter hat das sicher nichts zu tun. Die wollen alle etwas von mir. Mein Geld, mehr Follower, Drogen, Paola leiht sich ständig meine Klamotten aus... oder sie wollen Sex."

Diese Aussage versetzte mir einen kleinen Stich. Ich erwartete keine so tiefgründige Antwort von ihr. Cecilias Verhalten hatte also damit zu tun, dass sie wütend auf die ganze Welt war und nun versuchte, sich nichts aus deren Meinungen zu machen. ,,Meine Mutter mag dich und das meine ich ernst. Sie war begeistert von dir. Und ich mag dich auch - nicht wegen deinem Geld oder Sex. Ich mag DICH", betonte ich für sie. Vielleicht würde sie mich wieder beleidigen und abblocken, aber das störte mich nicht. Sicher hörte sie die Worte trotzdem gerne.

Wieder blieb Cecilia eine Weile still. Sie schien mit sich zu ringen, ob sie eine gemeine oder nette Antwort geben sollte. Glücklicherweise entschied sich die Blondine diesmal nicht für die Beleidigung. ,,Gehst du mit mir aus, Leroy?"

Barbie DevilishWhere stories live. Discover now